In einer homöopathischen Anamnese hat der Patient die Möglichkeit, über all seine Beschwerden zu sprechen. Häufig führt das Gespräch von den körperlichen Beschwerden weg hin zu den Gefühlen des Patienten. Im weiteren Verlauf der Anamnese kommen dann auch ältere Beschwerden und psychische Traumen zur Sprache. Lesen Sie hier, welchen heilsamen Effekt die Anamnese bereits hat.
Eine Maxime in der homöopathischen Anamnese – alles ist so wie der Patient es beschreibt
Für die homöopathische Mittelwahl ist es äußerst wichtig, dass der Behandler gemeinsam mit dem Patienten sein Erleben entdeckt. Dies kann nur geschehen, wenn der Behandler das, was der Patient beschreibt, nicht wertet. Wenn er das Erleben des Patienten nicht bewertet und nicht diagnostiziert, sondern lediglich aufnimmt und zusammenfasst, kann es gelingen, das Erlebensmuster des Patienten zu erkennen.
Dieses Muster zieht sich durch alle Beschwerden und durch das gesamte Erleben eines Menschen. Leidet ein Patient beispielsweise unter starken Kopfschmerzen und beschreibt er diesen Schmerz als eine kleine Stelle, wohin sich alles zusammenzieht, findet man diese Erlebnisweise häufig auch auf der psychischen Ebene. Der Patient möchte alles in seinem Leben auf einen Punkt bringen. Bei Stress und Anspannung zieht er sich zurück.
Das Heilende in einem anamnestischen Gespräch
Gelingt es dieses Energiemuster zu heben, hat dies allein schon eine heilende Wirkung. Der Patient, der endlich einmal ausdrücken darf, wie er seinen Schmerz erlebt und wie er auf belastende Situationen in seinem Leben reagiert, erfährt eine Befreiung von innerlichem Druck.
Viele Menschen, die in eine homöopathische Behandlung kommen, haben zuvor schon verschiedene Ärzte aufgesucht und unterschiedliche Behandlungsformen kennengelernt. Häufig sind sie mit Bewertungen ihres Erlebens konfrontiert worden. So ist ihr Erleben zu Beginn der Anamnese noch überlagert von Bewertungen und Einordnungen. Dies macht es manchmal schwierig, das ursprüngliche Erleben herauszufinden.
Heilung im anamnestischen Gespräch – das ursprüngliche Erleben mit dem Patienten entdecken
Am Beispiel von Essensvorlieben lässt sich dieser Prozess ganz gut verdeutlichen. Zu Beginn des Gesprächs über Essensvorlieben kommen meist Angaben wie „ich esse nicht so viel Süßes, da ich weiß, dass das nicht gut ist“ oder „ich ernähre mich sehr gesund, esse viel Obst und Gemüse, trinke ausreichend Wasser, weil ich weiß dass das wichtig ist“.
Fragt man dann genauer nach, erfährt man unter Umständen, dass die heimliche Leidenschaft dieses Patienten Schokolade ist oder dass er früher Fastfood in rauen Mengen vertilgt hat und auch heute noch ab und zu nachts davon träumt. In diesen Fällen ist das eigentliche Nahrungsmittelverlangen aus Vernunftsgründen verdeckt.
Nicht dass es schlecht ist, wenn man seine Essgewohnheiten verändert, weil man sich darüber bewusst ist, dass die eigenen Vorlieben ungesund sind – das ist hier nicht gemeint. Aber für das Herausfinden des angezeigten Konstitutionsmittels ist es notwendig, an das ursprüngliche Nahrungsmittelverlangen heranzukommen.
Ähnlichkeiten mit der Gesprächsführung nach Rogers
Carl Rogers hat die klientenzentrierte Gesprächsführung entwickelt. Er stellte als erster die Wichtigkeit des Erlebens des Klienten heraus. Rogers ging davon aus, dass jedwede Einmischung von außen, auch wenn sie noch so gut gemeint ist, den Klienten letztendlich von sich weg bringt und in ihm Scham und Schuld für sein ureigenes Erleben hervorruft.
Er fand heraus, dass er seinen Klienten wesentlich effektiver helfen konnte, indem er ihnen in ihre Erlebniswelt folgte und diese voll und ganz respektierte. Dieser Grundsatz gilt auch für die homöopathische Anamnese.
Heilung durch das homöopathische Mittel als Spiegel für die Seele
Ganz ähnlich funktioniert auch das homöopathische Mittel. Auf einer tieferen, energetischen Ebene spiegelt es unsere Seele. Wenn es gelingt, aus dem Erlebensmuster ein Energiemuster abzuleiten, kann ein homöopathisches Mittel gefunden werden, das eben dieses Energiemuster in sich trägt. Wird dieses Mittel dann dem Patienten verordnet, erfährt er auf einer tiefen Ebene eine Spiegelung.
Wir sagen, das Mittel ist ihm ähnlich. Damit ist gemeint, dass es ein ähnliches energetisches Schwingungsmuster aufweist. Ein Mittel, das ein unähnliches Schwingungsmuster aufweist, wird dem Patienten nicht von seinen Beschwerden befreien. Es bewirkt entweder keine Veränderung oder der Patient entwickelt neue Symptome. Homöopathen sprechen dann von einer Mittelprüfung.
Fazit
Das ursprüngliche Erleben eines Patienten ist das Wichtigste für die homöopathische Mittelwahl. Wenn es gelingt in der homöopathischen Anamnese mit dem Patienten gemeinsam sein Erleben zu entdecken und anzunehmen, hat dies allein schon eine heilsame Wirkung. Das homöopathische Mittel, das das Erlebensmuster des Patienten als Energiemuster in sich trägt, bietet dem Patienten eine Spiegelung seines Erlebens auf einer tieferen, energetischen Ebene. Die homöopathische Anamnese öffnet den Patienten auf dieser Ebene. Dies führt zur Verwandlung und Heilung.
Weitere Informationen zur homöopathischen Anamnese finden Sie hier:
- Die innere Haltung des Homöopathen
- Klassische Homöopathie: Die Anamnese
- Klassische Homöopathie: Das Ähnlichkeitsprinzip
- Klassische Homöopathie: Die drei Säulen
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