Antwortfindung und Selbsttäuschung
Je vehementer trotz anders lautender Argumente an einer Auffassung festgehalten wird, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass man sich geirrt hat. Nur kann man es nicht zugeben, weil man felsenfest von der Korrektheit seiner Antwort überzeugt ist, so dass man keinen Zweifel hegt.
Man lügt nicht, sondern täuscht sich einfach. Würde dies aber mit keinem Argument der Welt einsehen. Eher wird man wütend und das macht die Sache kompliziert. Damit entsteht schnell eine Art kalter Krieg zwischen den Gegenparteien, deren Auffassungen diametral entgegen stehen.
Um herauszufinden, ob es sich um eine Täuschung oder eine korrekte Antwort handelt, beobachtet man das Prozedere der Antwortfindung: Kann der Antwortgeber mehrere Varianten und Sichten durchspielen, logisch argumentieren, auf Fragen bereitwillig Rede und Antwort stehen und hat er nicht nur drei Augenblicke für die Lösungsfindung gebraucht, handelt es sich wahrscheinlich um eine korrekte Antwort.
Nicht so beim Fall der zu schnell gefundenen Lösung. Hier stößt man bei jeder kleinsten Anfrage auf Unwillen des Antwortenden, die Lösung wird nicht präsentiert, Gegenargumente werden pauschal abgebügelt.
Vorsicht! Bauchgefühle können stark täuschen
Auch für uns selbst ist die Gefahr nicht gebannt, dass wir uns mit unserer Antwort auf falschen Gleisen bewegen, die in die Täuschung führen. Haben wir erstens die Antwort zu schnell gefunden, stoßen wir zweitens auf die genannten Merkmale der starren Lösungsvorgabe, die um keinen Millimeter abweichen will, auch wenn es noch so unsinnig erscheint und werden wir drittens immer ungehaltener, je mehr man über diese Antwort wissen will (schließlich müsste man sie ja bestens erklären können), um so wacher sollte man werden.
Dann gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Fazit: Man hat sich vom Bauchgefühl leiten und täuschen lassen. So hatte man spontan die Antwort parat, quasi aus dem Bauch heraus. Als eine Art momentanes gesichertes Gefühl (Intuition). Leider aber war es – wieder einmal – falsch.
Können Gefühle eine Variantendurchforstung ersetzen?
Wohl kaum. Dennoch können Bauchgefühle ungeheuer kreativ und stark sein, dass man sich sogar 100% sicher wähnt. Schon dort gibt es einen auffälligen Unterschied: Bei aufwendig erarbeiteten Antworten wagt man sich kaum, 80 – 100 Prozent Sicherheit einzuräumen, weil man immer gewisse Unsicherheiten kennt, die man nicht beherrscht. Man weiß – so die alte Weisheit – dass man nichts weiß.
Fühlt man sich aber unfehlbar (200% Sicherheit), sollte man sich vor Augen halten, dass man wahrscheinlich einer Selbst-Täuschung erliegt. Und dann wird es brenzlig, weil man in diesem Zusammenhang auch falsche Entscheidungen trifft, die auf einem Irrtum begründet sind.
System (Fragen, Antworten, Entscheidung) aus dem Lot?
Wir werden nicht gleich alles korrigieren können, was mit dem System von Fragen, Antworten, Entscheidung zu tun hat, aber wir sollten dem Gefühl, unfehlbar zu sein, gegensteuern durch Selbstkontrolle (hin und wieder protokollarisch oder mit Kamera festhalten, wie wir strittige Fragen beantworten). Das macht die Sicht auf uns selbst klarer und offenbart den engen Zusammenhang von Bauchgefühl, Antwort und Fehlentscheidung.
Letztere erliegt häufig dem Irrtum, die eigene Meinung und Antwort sei richtig gewesen. Das kann zu gravierenden Folgen führen, etwa im Management, wie uns das aktuelle Beispiel (nur eins von Tausenden) der Bahn-Misere zeigt. Richtige Entscheidungen entstehen nur unter Anwendung der richtigen Antwortfindungs-Prozedere (keine Unfehlbarkeit, kein Abbügeln) und führen zur 80-100-prozentigen, dafür aber echten Lösungs-Variante.