Gestehen Sie sich als junge Führungskraft Einarbeitungszeit zu
Wenn Sie eine neue Stelle mit neuen Sachaufgaben antreten, durchlaufen Sie in der Regel eine kürzer oder länger dauernde Einarbeitungszeit. Niemand würde erwarten, dass Sie vom ersten Tag an alles wissen und können.
Als neue Führungskraft wird Ihnen eine Einarbeitungszeit in die Führungsaufgaben oft nicht zugestanden. Häufig wird vom ersten Tag an vorausgesetzt, dass Sie als Führungskraft reibungslos funktionieren. Vielleicht ein Rundgang durch das neue Unternehmen, für das Sie nun arbeiten werden. Begrüßungs- und Vorstellungsrunden. Das war es dann. Nun sollen Sie Ihren Führungsjob tun, am besten effizient, reibungslos und ohne andere zu stören.
Einer Nachwuchsführungskraft mangelt es noch an Erfahrung – das ist normal
Mit dieser Herausforderung sind junge Führungskräfte heillos überfordert. Erfahrene Führungskräfte bringen wenigstens einen Erfahrungsschatz mit, wie sie sich in dieser oder jener Situation als Führungskraft verhalten können. Sie als Nachwuchsführungskraft verfügen nicht über diesen Erfahrungsschatz. Sie stehen vor einer dreifachen Herausforderung: Kennenlernen, wie das neue Unternehmen tickt, was hier wie funktioniert, wer wofür zuständig ist. Sich möglicherweise in neue Sachaufgaben einarbeiten. Und: Eine Führungsrolle einnehmen, die fremd und ungewohnt ist. Verständlich, dass die junge Führungskraft schon nach kurzer Zeit an sich zweifelt, weil Erfolgserlebnisse fehlen.
Junge Führungskräfte brauchen noch Weiterbildung
Gestehen Sie sich zuerst einmal selber zu, dass Sie Einarbeitungszeit in der neuen Rolle brauchen. Dazu gehört, frühzeitig mit Ihrem Vorgesetzten offen darüber zu sprechen, was Sie als Führungskraft benötigen, um einen guten Job tun zu können. Seminare und Workshops, die Ihnen die theoretischen Grundlagen von Führung vermitteln. Ein Coaching, in dem Sie mit einem neutralen Coach Ihre individuellen Fragestellungen besprechen können.
Aber nicht nur das. Oft sind die Zusammenhänge im Unternehmen unklar. Was darf ich von wem erwarten und was nicht? Wer ist wofür zuständig? Wen darf ich fragen? Gerade unerfahrene Führungskräfte „trauen“ sich nicht zu fragen: Man will nicht stören oder unangenehm auffallen. Oder gar den Vorgesetzten um Unterstützung und Hilfe bitten! Das könnte als Unfähigkeit (fehl-)gedeutet werden! Tun Sie es! Fragen Sie! Sie brauchen Informationen und anfängliche Hilfestellung, um Ihre Arbeit tun zu können. Wenn Sie beides nicht ungefragt bekommen, bleibt Ihnen nur, selbst aktiv zu werden. Bitten Sie Ihren Vorgesetzten um Unterstützung. Seien Sie in regelmäßigem Kontakt zu ihm, es ist sein „Job“, Ihnen den Einstieg als Führungskraft zu erleichtern. Sie und Ihr Vorgesetzter vermeiden unangenehme Überraschungen, wenn Sie über Probleme und Schwierigkeiten in regelmäßigem Austausch sind. Ihr Vorgesetzter wird schnell die Ernsthaftigkeit erkennen, mit der Sie Ihre Führungsaufgabe wahrnehmen wollen.
Klären Sie zusammen mit Ihrem Vorgesetzten die gegenseitigen Erwartungen
„Ach, Sie kennen doch das Geschäft. Machen Sie einfach gute Arbeit!“. Mit diesem Satz im Ohr verlässt so manche junge Führungskraft das Büro des Vorgesetzten. Die Führungskraft glaubt zu wissen, was ihr Vorgesetzter von ihr erwartet. Und er glaubt, dass die junge Führungskraft seine Erwartungen in seinem Sinn verstanden hat. Weit gefehlt. Denn alles, was nicht explizit ausgesprochen und besprochen wird, ist interpretationsfähig.
Schönes Wetter bedeutet eben für den einen: Sonne und wolkenloser Himmel bei 30 Grad, für den anderen leichte Brise und erfrischende 20 Grad. Klären Sie deshalb mit Ihrem Vorgesetzten die Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit und die des Teams. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit Ihr Vorgesetzter mit Ihnen und der Arbeit Ihres Teams zufrieden ist. Was konkret ist Ihr Verantwortungsbereich? Was „dürfen“ Sie und was nicht? Welche Befugnisse haben Sie? Was sind Ihre Aufgaben und Pflichten?
Solche Klärungsgespräche sind herausfordernd, für Sie und möglicherweise auch für Ihren Vorgesetzten. Sie bedeuten nämlich eine intensive Beschäftigung mit den Zielen und Aufgaben eines Teams sowie mit dem Rollenverständnis als Führungskraft, sowohl auf Ihrer Seite als auch auf der Seite Ihres Vorgesetzten.
Erwartungen klären bedeutet, dass nicht nur Ihr Vorgesetzter seine Erwartungen an Sie mitteilt. Auch Sie haben Erwartungen an den Vorgesetzten und dürfen diese äußern: Erwartungen, dass Ihr Vorgesetzter Ihnen den Rücken stärkt, dass Sie mit Fragen zu ihm kommen dürfen, dass er Sie mit dem Gefüge des für Sie neuen Unternehmens vertraut macht und anderes mehr. Sind die gegenseitigen Erwartungen klar, haben Sie einen transparenten Rahmen für Ihre neue Tätigkeit als Führungskraft, der Ihnen Sicherheit gibt.
Nehmen Sie Ihre Führungsrolle (selbst-)bewusst ein
Gerade junge, unerfahrene Führungskräfte lassen sich schnell darauf ein, die Führungsaufgaben „nur mal so nebenbei“ wahrzunehmen, ansonsten aber die Sacharbeit so wie vorher zu erledigen. Ein bisschen das Team organisieren, den Dienstplan schreiben. Noch fataler, wenn der Vorgesetzte nachschiebt: „Es muss ja keiner wissen, dass Sie jetzt das Team leiten!“. Diese Haltung Ihres Vorgesetzten passt möglicherweise auch ganz gut zu Ihrer eigenen Vorstellung der neuen Aufgabe: „Wir sind alle gleich, dass ich jetzt Teamleitung bin, ist nichts Besonderes“.
Sie müssen als junge Führungskraft Verantwortung übernehmen
Selbstverständlich sollen Sie als junge Führungskraft nicht „den Chef raushängen“ oder überheblich werden. Doch: Führen ist eine herausgehobene Aufgabe. Führen bedeutet sich zu positionieren. Wer entscheidet in kritischen Situationen, wenn nicht die Führungskraft? Wer übernimmt Verantwortung, wenn nicht letztendlich der Teamleiter? Wer sorgt dafür, dass die Rahmenbedingungen für das Team stimmen, wenn nicht Sie in Ihrer neuen Rolle?
Sie als Führungskraft haben Pflichten, aber auch Rechte. Es ist Ihre Aufgabe, beides wahrzunehmen. Ihr Vorgesetzter muss Ihnen dazu die Legitimation und Befugnis geben. Ein Führen à la „Es muss ja keiner wissen …“ ist aussichtslos, weil Ihre Mitarbeiter nicht wissen, dass und welche Befugnisse Sie haben. Kein Wunder also, wenn die Mitarbeiter auf Ihre Wünsche und Forderungen nicht eingehen, denn in deren Augen sind Sie nicht die Teamleitung. Eine paradoxe Situation, die Ihnen das Führen nicht gerade leichter macht.
Bitten Sie also Ihren Vorgesetzten, dass er Sie ganz offiziell als neue Teamleitung – in Ihrem Team und auch im Unternehmen – vorstellt. Hilfreich ist, wenn er seine Erwartungen an Sie als neue Führungskraft auch im Beisein des Teams äußert. Das schafft Klarheit im Team und gibt Ihnen die Rückendeckung, die Sie für Ihre Führungsaufgaben benötigen.