Zahlreiche Untersuchungen mit jungen Führungskräften haben gezeigt, dass es eine Reihe typischer Fehler gibt, die immer wieder den Einstieg in die neue Führungsaufgabe schwer machen. Wenn Sie sich dieser Fallstricke bewusst sind, fällt es leichter, sie zu vermeiden und einen gelungenen Einstieg in die Führungsrolle zu finden.
Fallstrick Nr. 1 für die junge Führungskraft: Alles beim Alten lassen
Diesen Wunsch hören Sie möglicherweise aus verschiedenen Richtungen: Von Ihrem eigenen Vorgesetzten, von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Vielleicht sagt Ihnen das auch Ihr „Bauchgefühl“. Das Team arbeitet gut, das Teamklima ist anregend und der Vorgesetzte zufrieden. Warum daran etwas ändern!?
Fallstrick Nr. 2 für die junge Führungskraft: Sofort alle Probleme lösen
Natürlich können Veränderungswünsche auch von Ihrem Vorgesetzten oder Ihren Mitarbeitern selber kommen. Alle warten auf frischen Wind und haben hohe Erwartungen an Sie als neue Führungskraft: Alles soll besser werden. Am besten sofort.
Wenn Sie in diese Falle gehen, werden Sie innerhalb kürzester Zeit ausgelaugt sein, vor dem Burn out stehen und trotzdem nicht den Erfolg gebracht haben, den alle von Ihnen erhoffen.
Ganz einfach: Veränderung findet immer statt, oft unbeabsichtigt und ungeplant, häufig unmerklich. Veränderung bringt neue Anforderungen an das Team und die Teammitglieder. Ihre Teamkollegen erwarten von Ihnen als Führungskraft, dass Sie diese Veränderungen so gut es geht voraussehen und sich und das Team darauf vorbereiten.
Wenn die Veränderung völlig unerwartet kommt, braucht es Ihre entschlossenen Entscheidungen, damit das Team die neue Situation meistern kann. Ihr Team benötigt Sicherheit, Ihre Führungsaufgabe ist es, diese Sicherheit zu geben.
Junge Führungskräfte glauben häufig, dass das Szenario „Veränderung“ in ferner Zukunft liegt. So lassen sie alles laufen, bis sie von neuen Herausforderungen überrascht werden – und keine Strategie parat haben, adäquat zu handeln.
Sehen Sie sich einmal bewusst die Ziele und Aufgabenbereiche Ihres Teams an und bewerten Sie diese aus dem Blickwinkel als Führungskraft. Klären Sie Ziele und Aufgaben für Ihr Team mit Ihrem Vorgesetzten, damit Ihr Handeln mit seinen Erwartungen und Einschätzungen übereinstimmt.
Überlegen Sie, welche Risiken und Bedrohungen sich für Ihr Team (z. B. aus der Unternehmenslage, der allgemeinen Wirtschaftslage etc.) ergeben könnten und entwickeln Sie – wenn möglich gemeinsam mit Ihrem Team – Handlungsoptionen für den Veränderungsfall.
Fallstrick Nr. 3 für die junge Führungskraft: Ab sofort alles anders machen
Möglicherweise entdecken Sie als Neue oder Neuer – noch unvoreingenommen und nicht betriebsblind – schnell Ungereimtheiten in den Arbeitsabläufen oder Vorgehensweisen. Sie wollen unter Beweis stellen, dass Sie fachlich kompetent und „der richtige Mann“ bzw. „die richtige Frau“ für diese Führungsaufgabe sind. Mit dem flotten Spruch „Neuen Besen kehren besser“ machen Sie sich an die Arbeit und stoßen eine Vielzahl von Veränderungen an.
Ihre Mitarbeiter und Ihr Vorgesetzter werden Ihnen dankbar sein – sollte man meinen. Aber: Schnell treffen Sie auf Widerstand: Absprachen werden nicht eingehalten. Aussagen wie „Das haben wir immer schon so gemacht. Das hat so noch nie funktioniert. Die Neue hat ja gar keine Ahnung vom Alltagsgeschäft!“ machen die Runde. Bis hin zum offenen Boykott.
Ist Ihr Plan, gute Arbeit zu machen, gescheitert? In welche Falle sind Sie als neue Führungskraft „getappt“? Menschen wollen für ihre Arbeit Anerkennung bekommen. Ein vorschnelles Überbordwerfen von Hergebrachtem, ein übereiltes Verändern von gewohnten Arbeitsgängen ist für viele Mitarbeiter das Signal: So, wie wir es bisher gemacht haben, war es offensichtlich schlecht. Die neue Chefin demonstriert uns als erstes, dass wir all die Jahre unfähig waren, gute Arbeit zu leisten.
Mit dieser Einschätzung ist Widerstand gegen jegliche Neuerungen vorprogrammiert, scheint doch die eigene Arbeit der vergangenen Jahre herabgewürdigt zu werden.
Gehen Sie Veränderungen sorgsam an. Hören Sie Ihren Mitarbeitern zu, warum sie etwas so tun wie sie es tun. Oft gibt es gute Gründe dafür. Wertschätzen Sie Ihre Mitarbeiter für die Arbeit der vergangenen Jahre.
Wenn Ihre Mitarbeiter sich anerkannt fühlen, fällt es leichter, auf dieser Basis gemeinsam zu überlegen, wo Optimierungspotential vorhanden ist. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter einbinden, fördert das die Identifikation mit Veränderungen im Team. Und: Veränderungen werden auf vielen Schultern getragen, nicht nur auf den Ihren als Führungskraft.
Besprechen Sie also in einem ersten Schritt mit Ihrem Vorgesetzten, welche Erwartungen er an Sie hat. Welche Probleme sind für ihn die drängendsten? Welche Prioritäten müssen Sie in der Abarbeitung von Problemen setzen, wenn es um den Erfolg des Teams und des Unternehmens geht? Wo kann und muss Ihr Vorgesetzter Ihnen Unterstützung geben?
Aus einem Klärungsgespräch mit Ihrem Vorgesetzten sollten Sie in keinem Fall herausgehen, ohne eine klare Vorstellung zu haben, welche Probleme als erstes gelöst werden müssen. Ihr Vorgesetzter soll erkennen, dass Sie Ihre Führungsaufgaben realistisch angehen und ein gesundes Zeit- und Selbstmanagement haben.
Die Rolle von Superman (oder Superwoman), der (die) mit einem Schlag alles in Ordnung bringt, sollten Sie nicht anstreben. Denn Sie werden später an dem gemessen, was Sie erfolgreich bewältigt haben und nicht daran, was Sie sich (erfolglos) vorgenommen haben.
Gleiches gilt für den Umgang mit den Veränderungswünschen Ihrer Mitarbeiter. Auch hier ist es effektiver, gemeinsam zu beraten, welche Projekte Priorität haben. Sorgsames und wohldosiertes Verändern bewirkt, dass weder Sie noch Ihre Mitarbeiter überfordert werden.
Fallstrick Nr. 4 für die junge Führungskraft: Sich zu stark auf operative Details konzentrieren
Gerade wenn Sie früher Mitglied des Teams waren haben Sie eine profunde Detailkenntnis der Arbeit im Team. Und eine profunde Kenntnis, welche Details Ihrer Ansicht nach unbedingt verändert werden sollten.
Hier ein Formular, das Sie immer schon ändern wollten. Da ein Ablagekorb, der Sie immer schon gestört hat. Dort ein Aktenschrank, der immer schon im Weg stand. Als neue Führungskraft des Teams können Sie nun endlich all das ändern, was Ihnen als Mitarbeiter ein Dorn im Auge war.
Mit dieser Einstellung laufen Sie Gefahr, gleich mehrere Fettnäpfe zu bedienen.
Wenn es Ihr eigener Ablagekorb oder Ihr eigener Aktenschrank ist, der aus Ihrer Sicht einer Neuordnung unterzogen werden muss, gut. Dann ist das eine wichtige Tätigkeit, die in Zusammenhang damit steht, den neuen Arbeitsplatz als Führungskraft nach den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten.
Zielt Ihr Tatendrang jedoch auf Dinge, die zum Einflussbereich eines Mitarbeiters gehören, sollten Sie sich bremsen. Fragen Sie sich: Sind Ihre Veränderungswünsche dieses oder jenes Detail betreffend für den Teamerfolg maßgebend oder stört das, was Sie wahrnehmen, nur Ihr persönliches Empfinden?
Entdecken Sie verbesserungswürdige Sachverhalte, die wesentlich für den Erfolg des Teams sind, dann ist es Ihre Aufgabe als Führungskraft, gemeinsam mit dem Team nach optimalen Lösungen zu suchen. Geht es allein um Ihr persönliches Empfinden, ist es besser, den Einflussbereich des Mitarbeiters zu respektieren.
In einem persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter können Sie Ihr Anliegen vortragen, Gründe des Mitarbeiters erfragen und ggf. gemeinsame – und damit gemeinsam akzeptierte – Lösungen erarbeiten. Übergehen Sie Ihren Mitarbeiter aber, indem Sie seinen Einflussbereich missachten und eigenmächtige Veränderungen vornehmen, haben Sie einen faux pas begangen, den Ihnen Ihr Mitarbeiter so schnell nicht verzeihen wird.
Wenn Sie sich zu sehr (nur) um operative Details kümmern, führt das aber nicht nur schnell zur Demotivation Ihrer Mitarbeiter. Sie zeigen auch, dass Sie Ihre eigentliche Führungsaufgabe nicht ausfüllen. Führen bedeutet, Rahmenbedingungen schaffen, damit Ihre Mitarbeiter gut arbeiten können. Führen bedeutet, strategisch denken und handeln, damit das Team seine Ziele erreichen kann.
Führen bedeutet, den Überblick über das Ganze haben und die Fäden der verschiedenen Tätigkeiten im Team zusammenhalten. Wer sich in operative Details verstrickt, hat kaum noch den Blick frei für das große Ganze, für die Zusammenhänge, für den Überblick. Führen bedeutet also auch, den eigenen Anspruch, der beste Mitarbeiter im Team zu sein, loslassen zu können und die Mitarbeiter als eigenverantwortliche Experten für ihre Arbeit anzusehen.
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