Müssen Sie abgelehnten Bewerbern eine Begründung geben?

Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) war der Standardrat an Arbeitgeber, abgelehnten Stellenbewerbern keine Begründung zu geben, um diesen keine "Munition" für Entschädigungsverfahren nach dem AGG wegen Diskriminierung zu geben. Der EuGH hat dies jetzt im Wesentlichen bestätigt. Quasi durch die Hintertür kann aber doch eine Begründungspflicht entstehen.

Wie kam es zu diesem Urteil?

Ausgangspunkt der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war eine Anfrage des Bundesarbeitsgerichts. In dem Verfahren des BAG ging es um eine 45-jährige Ingenieurin russischer Herkunft, die sich vergeblich auf eine Stellenanzeige beworben hatte, mit der ein Softwareentwickler gesucht wurde. Da sie für die Absage keine Begründung erhielt, nahm sie eine Diskriminierung aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft an. Die Sache ging bis vor das BAG.

Das Bundesarbeitsgericht legte dem EuGH zwei Fragen vor:

  • Besteht in solchen Fällen ein europarechtlicher Anspruch auf Mitteilung der Gründe?
  • Reicht der Umstand, dass ein Arbeitgeber auf Anfrage keine Gründe für die Ablehnung nennt, um eine Diskriminierung zu vermuten?

Kein direkter Auskunftsanspruch

Die erste Frage beantwortete der EuGH eindeutig. Ein direkter europarechtlicher Anspruch auf Mitteilung der Gründe für eine Ablehnung besteht nicht. Genauso wenig ist der Arbeitgeber verpflichtet, anzugeben, ob und aufgrund welcher Kriterien ein anderer Stellenbewerber eingestellt wurde (EuGH vom 19. 04 2012, Az.: C-415/10). So weit, so gut.

Vorsicht mit der kompletten Verweigerung von Begründungen

Allerdings ist im Zusammenhang mit der zweiten Frage möglicherweise eine Hintertür geöffnet worden. Denn nach Auffassung des EuGH haben die deutschen Gerichte bei der Frage nach ausreichend Indizien für eine Diskriminierung alle Umstände des Einzelfalls ausreichend und sorgfältig zu prüfen.

Und zu diesen Umständen gehört auch die komplette Verweigerung von Begründungen für eine Absage. Es sei nicht auszuschließen, dass eine solche komplette Verweigerung ein Indiz für eine Diskriminierung sei.

Das bedeutet für Sie: Leider ist die EuGH-Entscheidung für Arbeitgeber nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick klingt. Denn jetzt werden die nationalen Gerichte feststellen müssen, in welchen Fällen eine komplette Verweigerung der Auskunft ein Indiz für eine Diskriminierung sein kann. Wie sich das entwickelt, ist zurzeit offen.

Es kann daher sinnvoll sein, zumindest auf Nachfrage des Arbeitnehmers objektive Gründe, wie die größere Berufserfahrung oder einen besseren Ausbildungsabschluss des eingestellten Bewerbers anzugeben. Nach wie vor ist es sinnvoll, wenn Sie Ihre Personalentscheidung dokumentieren, um gegebenenfalls in einem gerichtlichen Verfahren genau darlegen zu können, warum Sie sich gegen den klagenden Stellenbewerber entschieden haben.