Besser gut abgeschaut als schlecht selbst gemacht

Benchmarks spielen in den Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Sie sind Orientierungswerte oder Zielgrößen, die von den Klassenbesten abgeleitet werden. Die Klassenbesten können dabei nicht nur bei der unmittelbaren Konkurrenz gesucht werden, sondern durchaus auch in anderen Branchen. Mit dieser Orientierung am jeweils besten Maßstab werden sehr anspruchsvolle Ziele für das eigene Unternehmen gesetzt. Dies geht allerdings nicht ohne zum Teil gravierende Veränderungsprozesse.

Die Ursprünge des Benchmarking gehen auf die amerikanische Xerox Corporation zurück. Um der bedrohlichen japanischen Konkurrenz entgegenzuwirken, startete der Kopierriese Xerox 1979 einen Prozess, der heute als Benchmarking bezeichnet wird. Der zentrale Punkt bestand darin, dass die bei anderen gefundenen Messgrößen (Benchmarks) – zum Beispiel Umsatz pro Mitarbeiter – als Mindestvorgaben für das eigene Unternehmen gesetzt wurden.

Benchmarking zielt im Kern darauf, "Bestpractises" zu ermitteln, das heißt, die Praktiken, Herangehensweisen, Methoden und Abläufe herauszubekommen, die den guten Ergebnissen anderer zugrunde liegen. Es geht also darum, von den anderen zu lernen, wie man es anders und besser machen kann.Grundsätzlich können Sie alle Aspekte im Unternehmen einem Benchmarking unterziehen. So können Sie beispielsweise Produkte, Abläufe, Strukturen oder Aspekte wie Produktivität und Effizienz zum Gegenstand eines Benchmarking machen. Selbst weiche Faktoren wie Unternehmenskultur, Führungsstil, Innovationsklima, Kundenzufriedenheit etc. können zum Thema werden.
Am einfachsten ist der Vergleich, wenn die wichtigsten Aussagen bereits aus mathematisch ermittelbaren Größen abgeleitet werden können, wie zum Beispiel:

  • Umsatz pro Mitarbeiter
  • Verhältnis von Bearbeitungszeit und Durchlaufzeit
  • Anzahl an Kundenreklamationen
  • Kosten der Reklamationsbearbeitung
  • Prozentsatz nachgearbeiteter Produkte
  • Prozentsatz aller eingehenden Anrufe, die richtig weitergeleitet werden
  • Montagezeiten
  • Anzahl von Bearbeitungsinstanzen

Schwieriger wird es naturgemäß bei “weichen” Faktoren, wie zum Beispiel beim Innovationsklima. Aber auch hier wird Ihnen ein kleines Brainstorming weiterhelfen, um auf sinnvolle Messgrößen zu kommen. Ansatzpunkte dazu sind:

  • Anzahl neuer Produkte in einem bestimmten Zeitraum
  • Anzahl von Verbesserungsvorschlägen
  • Anzahl der Patente
  • Anzahl an Projekten, die sich mit Neuerungen befassen

Diesem Beispiel können Sie auch entnehmen, dass es nicht immer darauf ankommt, alles hundertprozentig messbar zu machen – was ohnehin nicht gelingen würde. Sie können aber in vielen Fällen Näherungswerte erarbeiten, mit denen Sie wesentliche Merkmale erfassen. Im Benchmarking werden drei Varianten unterschieden:

  • Internes Benchmarking
    Der Vergleichspartner wird hier im eigenen Unternehmen gesucht. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn Sie in einem Großunternehmen mit mehreren Niederlassungen, Filialen oder Produktionsstätten arbeiten.
  • Konkurrenzbezogenes Benchmarking
    Hier findet der Vergleich mit dem direkten Konkurrenten oder mehreren erfolgreichen Unternehmen der eigenen Branche statt.
  • Branchenexternes Benchmarking
    Bei dieser Form des Benchmarking wird der Vergleich mit den Besten bezüglich einer bestimmten Funktion gesucht; beispielsweise werden Firmen aus einer Branche gewählt, die eine hohe Professionalität bezüglich des Benchmarking-Gegenstandes aufweisen müssen, weil dies eine Kernaktivität in dieser Branche darstellt.

Erster Schritt: Das Benchmarking-Projekt einleiten
Dazu sollten Sie ein kleines, kompetentes Team aus bis zu etwa maximal 8 Teilnehmern bilden. Bereits bei der Zusammensetzung des Benchmarking-Teams sollten Sie sich die gesamte Schrittfolge des Benchmarking-Prozesses mit Ihren Aufgaben vor Augen führen und mit Blick auf Ihren Benchmarking-Gegenstand überlegen, welche Mitarbeiter oder Führungskräfte hierzu wichtigen Input einbringen können.

Für ein durchschnittliches Benchmarking-Projekt benötigen Sie etwa fünf Monate. Planen Sie also von vornherein genügend Zeit für die teilnehmenden Mitarbeiter ein, damit das Projekt nicht sukzessive wegen Überlastung der Teilnehmer versandet.

Zweiter Schritt: Den Benchmarking-Gegenstand festlegen
Damit Sie nicht zu sehr auf "Nebenkriegsschauplätze" kommen, können Sie den nachfolgenden Fragenkatalog nutzen, mit dem Sie die Wichtigkeit Ihrer möglichen Benchmarking-Gegenstände einschätzen können.

Die wesentliche Fragestellung lautet mithin, inwieweit trägt der potentielle Benchmarking-Gegenstand dazu bei, um:

  • die externe Kundenzufriedenheit zu erhöhen?
  • einen Wettbewerbsvorsprung im Markt zu realisieren?
  • das Image zu verbessern?
  • Kapazitäts-, Zeit-, Kosten- und Produktivitätswerte zu verbessern?
  • die Qualität zu erhöhen?
  • die interne Kundenzufriedenheit zu verbessern?
  • ein chronisches Problem zu lösen?

Dritter Schritt: Den Benchmarking-Gegenstand intern analysieren
Natürlich hängt es stark von Ihrem Benchmarking-Gegenstand ab, was Sie alles analysieren und wie breit und wie tief Sie dabei vorgehen wollen. Ob die Bearbeitungszeit von Verträgen zwischen Auftragseingang und Auftragserledigung, die Entwicklungszeit für neue Produkte oder die Effizienz der Telefonzentrale dem Benchmarking unterzogen werden soll, macht einen großen Unterschied. Deswegen kann der folgende Katalog nur beispielhaft sein und Impulse enthalten, worauf Sie bei Ihrer Analyse unter Umständen achten sollten:

  • Bearbeitungsmenge/Umsatz pro Mitarbeiter   
  • Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten
  • Anzahl der Qualitätsprüfungen
  • Fehlerkosten
  • Zusammenspiel mit Schnittstellen   
  • Ermittlung von Mehrfachbearbeitungen und Zeitverlusten
  • Standardisierungsgrad von Verfahren und Instrumenten und Anwendungsgrad der Verfahren  
  • Tauglichkeitsgrad der Verfahren und Instrumente
  • DV-Unterstützung
  • Verantwortlichkeiten
  • Funktionalität
  • Informationsfluss und Verluststellen
  • Kundensicht: Wie werden die Anforderungen erfüllt?   
  • Wie wird die Leistung von den internen/externen Kunden eingeschätzt?

Vierter Schritt: Den Benchmarking-Fragebogen entschlacken
Der Benchmarking-Fragebogen ist also ein wichtiges Kernelement für den gesamten Prozess. Er ist Medium für den Vergleich mit dem Benchmarking-Partner. Deshalb sollten Sie in seine Entwicklung hinreichend Zeit investieren und sich nicht scheuen, ihn mehrfach zu überarbeiten. Die Durchführung der internen Analyse wird Ihnen bereits zeigen, dass Sie einige Fragen streichen können, weil sie sich als wenig relevant erwiesen haben. Diesen Entschlackungsprozess müssen Sie nun forcieren, weil Sie Ihrem potentiellen Benchmarking-Partner nicht zumuten können, etwa mit hundert Fragen konfrontiert zu werden.

Fünfter Schritt: Den Benchmarking-Partner auswählen
Für die Güte Ihres Benchmarking ist die Festlegung auf die richtigen Vergleichspartner ebenso wichtig wie der Fragebogen. Also suchen Sie sehr sorgfältig die Vergleichspartner aus.

Sechster Schritt: Einleitung des Kontaktes
Nach einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme durch eine intern verantwortliche Führungskraft sollte die Geschäftsleitung eine schriftliche Anfrage an das Partnerunternehmen richten. Die Anfrage sollte folgende Punkte enthalten:

  • Vorstellung des eigenen Unternehmens (kurz)
  • Erklärung des Benchmarking-Gegenstandes und der Projektziele
  • Gründe für die Auswahl des Unternehmens
  • Hinweis auf Vertraulichkeit
  • Nutzenargumentation für die Teilnahme am Benchmarking-Projekt
  • Kurzbeschreibung zur Vorgehensweise

Siebter Schritt: Unternehmensspezifische Benchmarks und Bestpractises erarbeiten
Bei diesem Schritt geht es für Sie zunächst darum, die gewonnenen Informationen von den verschiedenen Unternehmen systematisch zu analysieren und mit den eigenen zu vergleichen. Dabei sollten Sie mit Blick auf die spätere Vermittlung ins Unternehmen die Ergebnisse der Analyse transparent und nachvollziehbar gestalten. Die Analyse selbst sollten Sie mit dem Fokus auf zwei Kategorien vornehmen:

  • Benchmarks
    Hier geht es darum, die Zahlen und Messwerte der Unternehmen mit Ihren eigenen zu vergleichen und die Leistungslücke – den Abstand zu den Besten – deutlich herauszuarbeiten. Auf dieser Basis sollten Sie dann die eigenen diesbezüglichen Zielgrößen für die Zukunft festlegen. Die Ziele sollten konkret und messbar formuliert sein und hoch genug gesteckt werden, um wirkliche "Quantensprünge" zu erreichen. Aber hüten Sie sich vor utopischen Zielvorgaben.
  • Bestpractises
    Parallel zur Arbeit an den künftigen Zielen sollten die Ursachen und Gründe für den Abstand zu den Besten aus den beantworteten Fragebogen erarbeitet werden. Damit stehen die Praktiken, Methoden und Prozesse der Vergleichsunternehmen im Mittelpunkt. Hierbei werden Sie eine Vielzahl von Ideen und Lösungsalternativen im Vergleich zu den eigenen Praktiken finden. Diese sollten Sie einem Bewertungsprozess unterziehen, um festzustellen, was für Ihr eigenes Unternehmen sinnvoll und übertragbar erscheint.

Tipp
Das Informationszentrum Benchmarking am Fraunhofer Institut Berlin (www.ipk.fhg.de) hat gemeinsam mit Partnern in der EU einen Benchmark-Index für klein- und mittelständische Unternehmen erarbeitet, der Ihnen den Zugang zum internationalen Benchmarking erleichtern soll. Mit diesem System können Sie Ihre Unternehmensabläufe branchenintern mit Unternehmen aus neun EU-Ländern vergleichen.