Was genau ist eigentlich Benchmarking und wer hat es erfunden?
Eine rasante Verkürzung der Produktlebenszyklen und die stärkere Individualisierung der Kundenbedürfnisse führen zu einer deutlich höheren Komplexität in den betrieblichen Prozessen, permanentem Kostendruck und zunehmenden Qualitätsproblemen. Diese Herausforderungen erfordern spezielle Konzepte.
Bereits Anfang der 80er Jahre wurde die erste Definition von David T. Kearns, der Untersuchungen in der amerikanischen Firma Xerox Corporation durchführte, erarbeitet. Seine Definition lautete: "Benchmarking ist der kontinuierliche Prozess, Produkte, Dienstleistungen und Praktiken zu messen gegen den stärksten Mitbewerber oder die Firmen, die als Industrieführer angesehen werden."
Ursprünglich kommt der Begriff "Benchmark" aus dem angloamerikanischen Landvermessungswesen und heißt wörtlich übersetzt "Mess- und Bezugspunkt für Höhen- und Richtungsvergleiche".
Der bekannte Mathematiker Archimedes sagte: "Man gebe mir einen festen Punkt und ich hebe die Welt aus den Angeln". Dieser Satz könnte auch von einem Top-Manager stammen, der sein Unternehmen verändern will. Der archimedische Punkt ist ein angenommener "absoluter Punkt" außerhalb eines Versuchsaufbaus, also eines geschlossenen Systems, der unveränderbar ist und daher fest verankert als Hebelpunkt dient.
Wie kann Ihnen ein solcher Hebel im betrieblichen Alltag helfen?
Die gleiche Funktion haben sogenannte Vergleichskennzahlen bei der Akzeptanz und Durchsetzung von Veränderungen in wirtschaftlich geführten Organisationen. Vergleichskennzahlen, in modernen Controlling-Umgebungen oft als Key Performance Indikatoren oder KPIs bezeichnet, können zu sogenannten Score-cards zusammengefasst werden, die im Sinne eines Mehrkampfes eine ausgewogene Prozessleistung dokumentieren, messen und damit steuerbar machen sollen.
Ein Beispiel dafür ist die bekannte Balanced Score-Card (BSC) von Kaplan und Norton oder die sogenannten Level 1 Metriks mit Performance Attributen des SCOR-Modells vom Supply Chain Council. Wie beim Mehrkampf gilt auch für eine Score-Card, man muss nicht überall der Beste sein, um zu gewinnen, sondern die richtige Kombination der Leistung in den Einzeldisziplinen ist entscheidend.
Woher kommt Benchmarking und warum wird es im heutigen Wettbewerbsumfeld immer wichtiger?
Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde in der Kriegsführung die erste bekannte Benchmarkingstudie durchgeführt. Man hatte erkannt, dass größere Truppenbewegungen sehr zeitaufwendig und kostenintensiv waren. Durch einen Benchmark mit der Logistikleistung eines Zirkus konnte eine signifikante Verbesserung der Truppenbewegung umgesetzt werden.
Dies entspricht der heutigen Praxis, Bestleistungen aus einer Branche in eine andere zu übertragen. Die Einführung des Fließbandes in der Automobilindustrie im Jahre 1916 von Henry Ford orientierte sich an der Produktion und an Logistikprozessen einer Großschlachterei in Chicago, bei der Schweinehälften an einer Hängebahn von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz transportiert wurden. Das Ergebnis kann heute noch in vielen Automobil-Fabriken studiert werden und stellt gleichzeitig den Benchmark für "Best-in-Class" Produktionsabläufe in vielen anderen Branchen dar.
Seit wann wird Benchmarking als strategisches Werkzeug im Unternehmensumfeld eingesetzt?
Im Jahr 1979 begann Xerox aufgrund von Qualitäts- und Kostenproblemen, seine Produktionsprozesse für Kopiergeräte mit denen der Wettbewerber zu vergleichen. Dieses Programm, genannt "Competitive Benchmarking", verglich die technischen Merkmale der eigenen Produkte mit jenen der Konkurrenz, indem zum Beispiel die verwendeten Komponenten auf ihre Bestandteile und Kostenstruktur überprüft wurden. Die Betrachtung der Qualität war dabei der Schlüssel zur Beeinflussung der Kosten.
In Japan wurde Benchmarking bereits lange vor 1979 angewandt und ist auch heute noch ein wichtiges Managementwerkzeug global erfolgreicher Industriefirmen. Ein Beispiel ist proaktive Jobrotation, bei der Mitarbeiter und Führungskräfte nicht nur die Prozesse der eigenen Firma genau kennenlernen, sondern auch die Möglichkeit erhalten, das eigene Unternehmen zu verlassen (sozusagen ein Praktikum), um von anderen Unternehmen neue Prozessideen einzubringen.
Dies setzt natürlich gegenseitiges Vertrauen der am Benchmarking-Prozess beteiligten Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter voraus. Ist dieses gegeben, kann daraus ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für beide Seiten, eine sogenannte Win-win-Situation, entstehen.