Wann Sie nach der Schwerbehinderteneigenschaft fragen dürfen

Sie wissen, dass die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsverfahren in den meisten Fällen unzulässig ist. Aber wissen Sie auch, dass und wann Sie während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses danach fragen dürfen? Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Fragerecht bestätigt und die Kündigung eines Schwerbehinderten für gerechtfertigt gehalten.

In dem Fall war ein schwerbehinderter Mitarbeiter aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages eigentlich bis zum 31.10.2009 beschäftigt. Allerdings fiel der Arbeitgeber in Insolvenz. Der vorläufige Insolvenzverwalter erbat dann per Fragebogen von den Mitarbeitern unter anderem Informationen zur Schwerbehinderteneigenschaft.

Der Mitarbeiter teilte mit, dass er nicht schwerbehindert sei. Als der Insolvenzverwalter dann das Arbeitsverhältnis bereits zum 30. Juni 2009 kündigte – natürlich ohne die Zustimmung des Integrationsamtes – legte der Mitarbeiter fristgemäß Kündigungsschutzklage ein. Er berief sich dabei unter anderem auf den besonderen Kündigungsschutz als Schwerbehinderter. Er argumentierte, dass die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes gefehlt habe.

Beim Arbeitsgericht konnte er sich damit noch durchsetzen. Allerdings machten weder das Landesarbeitsgericht noch das Bundesarbeitsgericht diese Argumentation mit (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, Az.: 6 AZR 553/10).

Aus Arbeitgebersicht ist diese Entscheidung sehr zu begrüßen. Denn was hätte der Arbeitgeber sonst noch tun sollen, um sich rechtskonform zu verhalten?

So begründete das Bundesarbeitsgericht seine Auffassung

Die Richter stellten fest, dass die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft im Vorfeld einer Kündigung dazu dient, zu ermitteln, wie Sie sich als Arbeitgeber rechtskonform verhalten. Daher hielten die Richter diese Frage für rechtlich zulässig. Lügen darf der Mitarbeiter aber nur bei rechtlich unzulässigen Fragen.

Verneint der Mitarbeiter daher bewusst wahrheitswidrig seine Schwerbehinderteneigenschaft, so kann er sich später nicht darauf berufen, dass er schwerbehindert sei. Hierdurch würde er sich nämlich widersprüchlich verhalten. Letztlich kann die Rechtsordnung dies unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht hinnehmen.

Die Richter konnten weiter weder eine diskriminierende Wirkung dieser Frage (das wäre ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG) noch datenschutzrechtliche Probleme erkennen.

Kündigungsschutz entfällt bei wahrheitswidriger Verneinung der Schwerbehinderteneigenschaft

Im Ergebnis führt diese Entscheidung dazu, dass in derartigen Fällen der an sich bestehende Kündigungsschutz von Schwerbehinderten ausgehebelt ist. Denn die Kündigung ist dann auch ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes zulässig.

Achten Sie auf die Sechs-Monatsfrist

Die Richter am Bundesarbeitsgericht haben darauf hingewiesen, dass die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft jedenfalls dann zulässig ist, wenn das Arbeitsverhältnis sechs Monate besteht. Denn erst dann besteht der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Mitarbeiter. Erst dann hat also der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, diese Frage zu stellen.

Mit anderen Worten: Stellen Sie die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, so darf der gefragte Mitarbeiter lügen, ohne dass dies arbeitsrechtliche Konsequenzen hat. Überlegen Sie also sehr genau, wann Sie die Frage stellen wollen.