Wann Sie das Zeugnis neu ausstellen müssen

Ende gut, alles gut? Sie haben sich von einem Arbeitnehmer getrennt, das Arbeitsverhältnis wurde ordnungsgemäß abgewickelt und Sie haben dem Arbeitnehmer ein seinen Wünschen entsprechendes Zeugnis geschickt? Man sollte meinen, dass Sie jetzt alles getan haben. Trotzdem kann es sein, dass Sie verpflichtet sind, ein Zeugnis neu auszustellen. Wann das so ist, hat das LAG Hessen entschieden.

Holschuld: Arbeitnehmer muss Zeugnis abholen

Arbeitnehmer haben am Ende des Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Anspruch auf ein Zeugnis. Allerdings müssen Sie dieses nicht zwingend per Post schicken. Denn das Zeugnis ist eine Holschuld. Solange also nichts anderes vereinbart ist, muss der Arbeitnehmer das Zeugnis bei Ihnen abholen.

In vielen Fällen wird das Zeugnis allerdings per Post geschickt. Dafür kann es durchaus unterschiedliche Gründe geben. Hat man sich zum Beispiel im Streit getrennt, so wollen Arbeitgeber häufig die Mitarbeiter nicht mehr im Unternehmen sehen. Trotz der grundsätzlichen Regelung, dass der Mitarbeiter das Zeugnis abholen muss, sind Sie dann natürlich berechtigt, das Zeugnis auch per Post zu schicken.

So war es im Fall des LAG Hessen. Ein Arbeitnehmer war betriebsbedingt gekündigt worden. Den ersten Entwurf des Zeugnisses hatte der Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers überarbeitet und ihm die überarbeitete Fassung per Post geschickt.

Als dieses Zeugnis den Ex-Arbeitnehmer nicht erreichte, forderte er vom Arbeitgeber die erneute Ausstellung des Zeugnisses. Als dieser das verweigerte, klagte der Mitarbeiter. Die Sache ging sogar in die zweite Instanz, sodass das LAG entscheiden musste (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2011, Az.: 16 Sa 1195/10).

Arbeitgeber zur Ersatzausstellung verpflichtet

Die Richter beim Landesarbeitsgericht verurteilten den Arbeitgeber dazu, das Zeugnis erneut ausstellen. Sie leiteten diesen Anspruch aus nachvertraglichen Fürsorgepflichten ab. Schließlich sei es dem Arbeitgeber ohne weiteres zumutbar, weil mit wenig Aufwand verbunden, das Zeugnis erneut auszustellen. Er müsse das Zeugnis schließlich einfach nur abschreiben, bzw. neu ausdrucken, da Einigkeit über den Wortlaut bestehe.

In diesen Fällen sind Sie zum Ausstellen eines Ersatzzeugnisses verpflichtet

Wenn Sie das Zeugnis aufgrund einer Absprache mit dem Arbeitnehmer oder auf eigenen Antrieb an diesen per Post übersenden und es dabei verloren geht, sind Sie zu Ersatzausstellung im Rahmen des Ihnen Möglichen und Zumutbaren verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn das Zeugnis beschädigt wird.

Auf Verschulden kommt es nicht an

Nach der Entscheidung des LAG Hessen kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer den Verlust oder die Beschädigung des Zeugnisses verschuldet hat. Entscheidend ist allein, ob es Ihnen möglich und zumutbar ist, das Zeugnis neu auszustellen. Das wird aufgrund der einfachen Möglichkeit, das Zeugnis neu auszudrucken, in aller Regel der Fall sein.

Ein pragmatischer Rat

Erlauben Sie mir einen pragmatischen Rat. Unabhängig von einer rechtlichen Verpflichtung zur Ersatzausstellung ist es meiner Ansicht nach in vielen Fällen sinnvoll, im Bedarfsfall das Zeugnis neu auszustellen – und zwar ohne lange Diskussionen. Dies insbesondere, wenn Einigkeit über den Zeugnistext besteht und dieser bei Ihnen noch vorhanden ist.

Denn dem Mitarbeiter bleibt bei tatsächlich verloren gegangenem Zeugnis fast nichts anderes mehr übrig, als von Ihnen ein neues Zeugnis zu erbitten und ggfs. gegen Sie auf Neuausstellung des Zeugnisses zu klagen. Er benötigt dies dringend für seine weitere berufliche Entwicklung. Und angesichts der Einfachheit der Ausstellung eines Ersatzzeugnisses ist es viel sinnvoller, dies kurz zu machen und sich den Gang zum Arbeitsgericht zu ersparen.