Wann Sie ein Zeugnis widerrufen sollten

Sind Sie schon einmal nach einem Gefälligkeitszeugnis gefragt worden? Oder lassen Sie Ihre Mitarbeiter das Zeugnis selbst formulieren und unterschreiben es selbst bei Bauchschmerzen? Beides Fälle aus dem betrieblichen Alltag, die aber zu Schadensersatzansprüchen führen können. Und was machen Sie, wenn Sie ein Zeugnis guten Gewissens geschrieben haben, später aber feststellen, dass es falsch ist?

Das Problem ist, dass Sie verpflichtet sind, ein wahres Zeugnis auszustellen. Das geht in beide Richtungen. Sie dürfen weder den Mitarbeiter zu Unrecht kritisieren, noch die Situation beschönigen. Problematisch kann das vor allem dann werden, wenn ein neuer Arbeitnehmer Ihren Ex-Mitarbeiter im Vertrauen auf Ihr unrichtiges Zeugnis eingestellt hat und dadurch einen Schaden erleidet.

Beispiel: Unternehmer Redlich hat seinen Buchhalter Franz Meyer bei einer Unterschlagung erwischt. Um die Sache ohne großes Aufsehen zu beenden, vereinbaren die beiden, dass Meyer den Schaden zurückzahlt, das Arbeitsverhältnis beendet wird und Meyer ein wohlwollendes Zeugnis erhält. In dem Zeugnis bescheinigt Redlich dem Mayer ausdrücklich Ehrlichkeit. Meyer findet einen neuen Arbeitsplatz bei der Firma Arglos und Co. und begeht auch da wieder eine Unterschlagung. Als der dortige Geschäftsführer erfährt, dass Meyer bereits vorher einmal eine Unterschlagung begangen hatte, fordert er Schadensersatz von Redlich, weil er sich auf das Zeugnis verlassen hatte.

In einem solchen Fall kann die Schadensersatzforderung nach einer älteren Entscheidung des BGH sogar berechtigt sein.

Aber was tun Sie, wenn Sie zunächst im guten Glauben ein Zeugnis ausgestellt haben und erst danach feststellen, dass dieses Zeugnis falsch ist? Um im Beispiel zu bleiben: Meyer hat nach der Unterschlagung bei Redlich gekündigt. Redlich hielt Meier für einen guten Buchhalter und hat ihm daher ein positives Zeugnis ausgestellt. Später stellt sich dann die Unterschlagung heraus.

Sichern Sie sich selbst ab und widerrufen das Zeugnis

In einem solchen Fall sollten Sie aktiv werden. Wenn Sie nachträglich feststellen, dass das ursprüngliche Zeugnis wesentliche Unrichtigkeiten enthält, die für einen anderen Arbeitgeber bei der Einstellungsentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung sein können, sollten Sie das Zeugnis widerrufen.

Machen Sie dies durch eine ausdrückliche schriftliche Erklärung gegenüber dem Ex-Mitarbeiter. Fordern Sie ihn weiter auf das alte Zeugnis Zug um Zug gegen Erteilung eines neuen Zeugnisses herauszugeben. Setzen Sie dem Mitarbeiter dazu eine Frist.

Und – der alten BGH Rechtsprechung folgend – müssen Sie unter Umständen sogar noch einen Schritt weitergehen. Der BGH hat entschieden, dass der Aussteller eines Zeugnisses, der  nachträglich erkannt hat, dass dieses grob unrichtig ist, und dass ein bestimmter Dritter durch Vertrauen auf dieses Zeugnis Schaden zu nehmen droht, für den Schaden haften kann, der durch die Unterlassung einer Warnung entstanden ist.  

Das setzt aber voraus, dass Sie den neuen Arbeitgeber oder potenziellen Arbeitgeber kennen. Wenn Sie sich in einem Fall wie dem oben dargestellten zu einem Widerruf des Zeugnisses entschließen müssen, sollten Sie den Grundsätzen des BGH folgend den neuen Arbeitgeber darüber informieren, dass Sie das Zeugnis widerrufen haben.