Stress durch Angst: Was können wir daraus über uns lernen

Auch wenn uns heute meist nie existenziell bedrohliche Situationen in unserem Arbeitsleben begegnen, erleben wir Stress und Angst. Sie sind zwei starke Gefühle, die wir alle kennen. Stress oder Angst tritt heute beispielsweise am häufigsten auf, wenn wir von anderen bewertet werden und wir Angst vor negativer Bewertung haben. Stress weist hier nicht nur auf eine mögliche Gefahr hin, sondern auch darauf, dass wir lernen sollten, mit dieser Angst besser umzugehen.

Starker Stress oder Angst lösen eine Notfallreaktion aus

Heute ist bei den meisten Menschen die Angst vor negativer Bewertung durch andere Menschen, die wichtig in unserem Leben sind, der häufigste Angstauslöser. Am Arbeitsplatz kann das der Chef sein oder Kollegen, zu Hause Ehefrau oder Kinder, in der Schule war es evtl. unser Lehrer.

Angst oder auch Stress entstehen nur, wenn wir eine Situation als a) bedrohlich einstufen und b) wir unsere Ressourcen, diese zu bewältigen für zu gering halten. Sie sind also abhängig von unserer Bewertung der Ereignisse. Aus diesem Grund beginnt die Angst auch in dem Bereich unseres Gehirns, wo wir unsere Bewertungen vornehmen: im Frontallappen. Der Frontallappen ist die komplexeste Region im menschlichen Gehirn.

Wenn wir etwas anderes erwartet haben, als was tatsächlich eintritt oder wir befürchten, dass unsere Hoffnungen nicht in Erfüllung gehen werden, kommt es dort zu einer Übererregung. In der Folge dieser Übererregung kann in diesen komplexen neuronalen Netzwerken kein „vernünftiges“ und handlungsleitendes Muster entstehen.

In diesem Fall startet die Notfallreaktion und entwicklungsgeschichtlich ältere Teile unseres Gehirns übernehmen. Diese archaischen Notfallprogramme kommen aus dem Stammhirn (auch Reptiliengehirn genannt), das nun das Kommando übernimmt. Das Stammhirn lässt uns dann in der Regel drei „Wahlmöglichkeiten“: Flucht, Kampf oder wenn beides unmöglich ist der Totstell-Effekt.

Vernünftig denken oder die Sichtweise anderer übernehmen ist in solchen Momenten nicht mehr möglich. Auch planen oder die Folgen von Handlungen abschätzen fällt uns in diesen Momenten sehr schwer.

Was ist zu tun, wenn die Angst da ist?

Schritt 1: Es macht Sinn als erstes die Angst in den Griff zu bekommen und die Übererregung im Frontalhirn wieder runter zu fahren. Eine gute Möglichkeit hierzu sind Atem-/Entspannungsübungen. Das ist hilfreich, da Flucht oder Kampf im ursprünglichen Sinne heute selten eine Lösung bringen.

Lösungen finden wir heute eher durch kreative und soziale Problemlösungen. Wir benötigen meist Kompetenzen, die das Frontalhirn aktivieren, also sollten wir dort erst wieder etwas Ruhe herstellen.

Schritt 2:Wir gehen das Problem an und wenn möglich lösen wir es. Auf diese Weise ist das, was uns zunächst Angst machte aus der Welt. Die Problemlösung gelingt in einem aktiven aber nicht über-erregten Zustand übrigens am besten.

Schritt 3: Wenn wir wirklich etwas aus dieser Stress-Situation lernen möchten – vor allem, wenn diese häufiger vorkommt, sollten wir noch den dritten Schritt gehen. In diesem Schritt hinterfragen wir unsere Einstellung der Situation gegenüber. Warum machte uns diese Situation Angst, warum waren wir gestresst?

Wenn wir uns unsere Bewertung der Situation bewusst machen, können wir sie überprüfen und ggf. auch verändern.

  • Ist diese Situation wirklich so bedrohlich?
  • Welche ähnlichen Situationen habe ich bereits erfolgreich gemeistert?
  • Was kann wirklich schlimmstenfalls passieren?
  • Ist mir das wirklich so wichtig?

Manchmal kann es sogar Stress reduzieren, wenn man erkennt, dass man die Situation nicht ändern kann, was manchmal durchaus zutrifft. Wenn man erkennt, dass wen man nicht ändern kann, Angst und Stress die Situation auch nicht verbessern, das ist ein interessantes Phänomen, lassen sie häufig ganz von alleine nach.

Fazit: Schritt drei: Gelingt Ihnen in Schritt drei eine ehrliche Neubewertung, entsteht zukünftig ggf. gar kein Stress und keine Angst mehr, weil Sie die Situation von vornherein ganz anders bewerten und die Diskrepanz zwischen Erwartung und Erleben nicht mehr auftritt. So bleibt das Chaos im Frontalhirn aus und der Kopf schaltet gar nicht erst auf das Notfallprogramm an.

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