Liegt aufseiten des Arbeitgebers ein Anfechtungsgrund nach § 119 BGB oder § 123 BGB vor, kann er sich durch einseitige Erklärung von dem Arbeitsvertrag wieder lösen.
Gründe für die Anfechtung eines Arbeitsvertrages
Zu unterscheiden ist die Anfechtung eines Arbeitsvertrages von der außerordentlichen Kündigung. Ähnlich wie bei der Anfechtung des Arbeitsvertrages wird auch bei der außerordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Allerdings ist bei einer außerordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Regel nicht zumutbar. Für die Anfechtung bedarf es dieser Voraussetzung nicht.
Ein Grund für eine Anfechtung des Arbeitsvertrages liegt nach § 123 BGB vor, wenn einer der Vertragspartner den anderen durch eine arglistige Täuschung zum Abschluss des Arbeitsvertrages veranlasst hat. Der arglistigen Täuschung steht hierbei die pflichtwidrige Unterlassung einer Aufklärung gleich. Darüber hinaus berechtigt § 123 Abs. 1 BGB denjenigen zur Anfechtung des Arbeitsvertrages, der widerrechtlich durch Drohung zum Vertragsschluss bestimmt worden ist. Somit schützt § 123 BGB die freie, von Täuschung oder Drohung unbeeinflusste Willensentschließung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages.
Hauptanwendungsfälle für die Anfechtung eines Arbeitsvertrages
Hauptanwendungsfälle für eine Anfechtung eines abgeschlossenen Arbeitsvertrages nach § 123 BGB sind
- die bewusst falsche Beantwortung einer im Rahmen des Vorstellungsgesprächs zulässig gestellten Frage oder
- das bewusste Verschweigen einer Tatsache, zu deren Offenbarung der Arbeitnehmer verpflichtet war.
Für die Täuschungs- und Drohungsanfechtung bestimmt § 124 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine großzügige Frist von einem Jahr nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Diese Frist für die Anfechtung eines Arbeitsvertrages ist nach Treu und Glauben jedoch bereits zu einem Zeitpunkt verstrichen, wenn der Anfechtungsgrund seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis verloren hat (BAG 18.9.1987 AP Nr. 32 zu § 123 BGB).
Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung
Für die Anfechtung wegen Erklärungs- oder Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB gelten die allgemeinen Grundsätze, d.h. bei Abschluss des Arbeitsvertrages muss die tatsächliche Erklärung von der gewollten Erklärung äußerlich oder inhaltlich abweichen. Darüber hinaus berechtigt § 119 Abs. 2 BGB zur Anfechtung des Arbeitsvertrages, wenn man sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder Sache geirrt hat.
Beispiele für den Erklärungsirrtum: Versprechen, Verschreiben, abredewidriges Ausfüllen eines Blanketts.
Beispiel für den Inhaltsirrtum: Irrtum über die Identität des Vertragspartners oder über einen im Text des Arbeitsvertrages verwendeten Rechtsbegriff.
Beispiel für eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft: Irrtum über Qualifikation, Vorstrafen oder Gesundheitszustand des Bewerbers.
Frist für die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums
Die Irrtumsanfechtung ist an eine wesentlich kürzere Frist, nämlich an die des § 121 Abs. 1 BGB, ("unverzüglich") gebunden. Das Bundesarbeitsgericht wendet für die Bemessung der Frist für die Anfechtung eines Arbeitsvertrages aufgrund eines Irrtums die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung analog an (BAG 14.12.1979 AP Nr. 4 zu § 119 BGB). Sie beginnt mit der Kenntnis vom Anfechtungsgrund zu laufen.
Rechtsfolgen der Anfechtung
Eine rückwirkende Nichtigkeit des Arbeitsvertrages als Folge der Anfechtung gilt im Arbeitsrecht nur als Ausnahmefall. Grundsätzlich soll sich der Arbeitgeber, nachdem das Arbeitsverhältnis einmal in Vollzug gesetzt worden ist, nicht mehr rückwirkend hiervon lösen können. Daraus folgt, dass für die Vergangenheit der Arbeitsvertrag als wirksam behandelt wird. Das Anfechtungsrecht begründet nur ein Recht zur Lossagung für die Zukunft. Etwas anderes gilt nur, wenn
- der Arbeitsvertrag noch nicht in Vollzug gesetzt worden ist, oder
- der Arbeitnehmer in der Vergangenheit nicht schutzwürdig ist, etwa weil er sich den Vertrag durch eine arglistige Täuschung erschlichen hat.
Beispiel: Eine Bewerberin wurde im Zuge einer Personalauswahl um Zusendung eines handgeschriebenen Lebenslaufs gebeten. Sie ließ diesen Lebenslauf von einem Bekannten schreiben und wurde aufgrund des eingeholten Schriftgutachtens eingestellt. Als der Arbeitgeber später feststellte, dass der Lebenslauf nicht von ihr geschrieben worden war, verweigerte er die Vergütungsfortzahlung für einen Zeitraum, in dem die Arbeitnehmerin erkrankt war. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der Täuschung der Arbeitnehmerin durch Anfechtung des Arbeitsvertrages rückwirkend beendet werden konnte, scheidet ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit des Arbeitnehmers aus. Die Arbeitnehmerin kann lediglich für die Zeit der tatsächlichen Arbeitsleistung eine Vergütung nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen.