Vorlesen in Kindergarten und Schule
Im vorherigen Artikel dieser Reihe habe ich Ihnen bereits 4 Tipps an die Hand gegeben, wie Sie beim Vorlesen in Kindergarten und Schule Störungen vermeiden können. Nun folgen 4 weitere Anregungen.
Mit den Tipps 5 und 6 können Sie Störungen durch gute Vorbereitung vermeiden. Die anderen Anregungen beschreiben, wie Sie gegensteuern, wenn die Kinder beim Vorlesen unruhig werden und die Aufmerksamkeit nachlässt.
5. Tipp zum Vorlesen in Kindergarten und Schule: Lassen Sie die Kinder ihre Dinge parken
Es gibt Kinder, die halten gerne etwas in der Hand. Ein Spielzeug oder ein Kleidungsstück wie Mütze oder Handschuhe. Diese Gegenstände geben Sicherheit. Das Kind hält sich daran fest. Doch können scheinbar harmlose Dinge das Vorlesen stören. An den Fransen des Schals zupft plötzlich das Nachbarkind, was zu Rangeleien führt. Oder das Kind fährt gedankenverloren seine Runden mit dem Spielzeugauto, was die Kindergarten- und Schulkameraden neidisch beobachten.
Beugen Sie humorvoll vor. Zu Beginn kündigen Sie an: "Dein Auto parkt hinter dir, während wir das Buch anschauen". Oder: "Deine Handschuhe brauchst du jetzt nicht. Wir legen sie solange auf die Heizung, dann sind sie nachher kuschlig warm."
6. Beginnen Sie das Vorlesen mit einem Ritual
Wenn Sie regelmäßig in Kindergarten und Schule vorlesen, leistet Ihnen ein Ritual gute Dienste. Beginnen Sie das Vorlesen immer mit derselben Handlung: Kerze anzünden oder gemeinsames singen sind gute Möglichkeiten. Oder Sie ernennen ein Kuscheltier zum Vorlesetier. Die Kinder dürfen beim ersten Mal einen Namen für den Kuschel aussuchen. Von da an reicht das Vorlese-Tier jedem Kind zur Begrüßung die Pfote.
7. Wechseln Sie ab: vorlesen und erzählen
Eine Grundregel beim Vorlesen im Kindergarten lautet: je kleiner die Kinder sind, desto mehr erzählen Sie die Geschichte frei. Aber auch Schulkinder spitzen wieder die Ohren, wenn Sie zwischendurch ein Stück erzählen. Erzählen ist direkter als vorlesen. Sie wählen dabei Worte, die genau auf die Situation in diesem Moment passt. Zum Beispiel: "Der kleine Bär spazierte durch den Wald. Es war ein sonniger Tag, so wie heute hier bei uns."
8. Die Kinder sprudeln über – lassen Sie das zu
Vorlesen klingt nach Einbahnstraße: einer liest vor, die anderen hören gebannt zu. Vorlesen kann aber auch aktivierend wirken und Vorleser und Zuhörer miteinander in Dialog bringen. Das können Sie mit aktivierenden Fragen bewusst herbeiführen und zulassen. Die Vorlesestunde in Kindergarten und Schule ist nicht dann erfolgreich, wenn die Kinder möglichst still und passiv gelauscht haben. Für mich ist das Ziel, eine Verbindung zwischen der Lebenswelt der Kinder und der Geschichte herzustellen.
Gelingt das, erzählen die Kinder, dass sie "auch schon mal einen toten Igel gesehen haben", wie in der Geschichte. Und dass Sie das sehr traurig fanden und den kleinen Igel begraben haben. Die Kunst besteht für den Vorleser darin, möglichst viele Kinder zu Wort kommen zu lassen und einen Schnitt zu machen, wenn die Stimmung zu kippen droht: "Sehr spannend, was ihr alles erlebt habt. Vielleicht erzählt ihr mir das nachher weiter. Nun wollen wir erfahren, wie die Geschichte ausgeht."
9. Vorlesekiller: Ein Kind sagt: "wie langweilig" oder "das Buch kenn ich schon"
Bei diesen Sätzen bricht Ihnen als Vorleser der Schweiß aus, nicht wahr? Sie machen sich Sorgen, ob das "arme Kind" sich nun langweilen muss, weil Sie das falsche Buch ausgesucht haben. Gut möglich ist: das Kind möchte mit diesen Sätzen erreichen, dass es Aufmerksamkeit bekommt. Oder es langweilt sich tatsächlich, nicht weil es unterfordert, sondern überfordert ist. Es versteht die Geschichte nicht, kann ihr nicht folgen und langweilt sich natürlich. In diesem Fall hilft es, die Geschichte zusammen mit den Kindern kurz mündlich zusammenzufassen und unbekannte Begriffe zu klären.
Zum Vorlesekiller: "Och, das Buch kenn ich schon", kann ich Sie beruhigen: Kinder lieben Wiederholungen. Die Kinder nudeln Hörspielkassetten 20 mal ab, ohne Langeweile. Begegnen Sie dem Kind, indem Sie sich mit ihm verbünden: "Pst, nicht verraten, wie es ausgeht. Das ist unser gemeinsames Geheimnis". Später können Sie das Kind als Experte befragen.
Das stärkste Beispiel bringe ich Ihnen zum Schluss. Zu meinem druckfrischen Kinderbuch "Lili und Lu – Freundschaft auf den verhexten Blick" sagte auch ein Kind gelangweilt: "Kenn ich schon." Seither weiß ich, dass Kinder diesen Satz nur sagen, weil sie es genießen, wenn der Vorleser ins Schwitzen kommt.
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