Kurze Wintergeschichte zum Vorlesen

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein kleiner Drache, der Schnee viel lieber mag als Feuer. Und deshalb nicht in seine Familie zu passen scheint. Dann wünsche ich Ihnen einen Freund wie den kleinen Bären. "Eisdrache und Feuerbär" ist eine kurze Wintergeschichte mit Illustration zum Vorlesen, die zeigt: mit einem guten Freund an der Seite kann man auch einen langen kalten Winter aushalten. Lesen Sie diese Wintergeschichte Ihren Kindern vor.

Lesen Sie Ihren Kindern eine kurze Wintergeschichte vor

Wann ist die beste Zeit, um vorzulesen? Im Winter. Aneinandergekuschelt unter der Sofadecke wird es zur Nebensache, wie das Wetter draußen tobt. Ganz anders geht es dem kleinen Drachen und Bären, die im Wald leben und mit Hitze und Kälte ihre ganz persönlichen Probleme haben. Mit einem Augenzwinkern zeigt meine Wintergeschichte: Auch wenn ich anders bin, kann ich Freunde finden und harte Zeiten überstehen.

Drucken Sie die pdf-Datei der Wintergeschichte mit Illustration aus. Und ab aufs Sofa!

Eisdrache und Feuerbär

Der kleine Bär tippelte durch den kahlen Wald auf der Suche nach Feuerholz. Plötzlich stolperte er. Er rappelte sich auf, klopfte den Schnee aus den Fellhosen und besah sich das verschneite Hindernis.

„Ein dicker Ast. Wenn ich den hinter mir herschleife, müsste es für ein Feuer reichen“, überlegte er.

Er ließ die kümmerlichen Zweige liegen, die er bisher gesammelt und beim Sturz verloren hatte und zog mit aller Kraft an dem unförmigen Holzstück.

„Heh, das kitzelt“, kam es vom anderen Ende.

Der kleine Bär erschrak. Der Ast war gar keiner. Das Ding bewegte sich stöhnend, richtete sich auf und vor ihm saß – ein kleiner Drache.

„I – i – ich wollte dich nicht ärgern“, stotterte der kleine Bär. „I – i – ich wollte Holz sammeln, um Feuer zu machen …“

„Feuer – hör mir bloß damit auf.“ Der kleine Drache schüttelte sich. Dann fiel ihm auf: „Was machst du überhaupt hier? Im Winter bin ich noch niemals einem Bären begegnet.“

„K – konnte nicht schlafen. Mir war so kalt.“

„Das ist ja witzig“, schmunzelte der kleine Drache. „Mir war in der Drachenkammer zu warm. Konnte auch nicht schlafen.“

„Ach, darum liegst du auf dem kalten Waldboden und lässt dich einschneien.“

„Ja!“, schwärmte der kleine Drache. „Es tut so gut, wenn die Schneeflocken auf meiner Zunge verzischen. Die habe ich mir nämlich gestern verbrannt, beim Feuerspeien.“

Der kleine Bär staunte: „Drachen können sich die Zunge verbrennen?“

Verschämt nickte der kleine Drache. „Mein Paps meint, das wäre eine Drachenschande. Ich soll Steine lutschen, damit ich eine dicke Hornhaut auf die Zunge bekomme. Aber ich lutsche lieber flauschige Bären.“

Der kleine Bär machte große Augen.

„War nur Spaß“, grinste der kleine Drache. Der kleine Bär seufzte erleichtert und musste nun auch lachen. Das tat gut. Zu Hause hatte er nämlich nicht viel Grund dazu.

„Mein Papa schimpft auch oft mit mir. Er behauptet, in unserer Familie hätte noch kein Bär ein Feuer gebraucht, um Winterschlaf zu halten.“

Der kleine Drache nickte mitfühlend. Nach einer Weile sagte er: „Schade, dass wir nicht tauschen können.“

„Tauschen geht nicht“, schüttelte der kleine Bär den Kopf. Seine Eltern wären davon sicher nicht begeistert. Außerdem fand er den Gedanken traurig, sich vom kleinen Drachen wieder zu verabschieden.

„Aber vielleicht …“ Ihm war eine Idee gekommen. „Komm mit.“

Wenig später stupste der kleine Bär seine schlafenden Eltern an. „Mama, Papa. Ich habe einen neuen Freund gefunden.“

Ohne die Augen zu öffnen, murmelte die Bärenmutter: „Fein mein Schatz. Schlaf jetzt weiter.“

Der kleine Bär drängelte: „Mami, darf er mal bei uns übernachten?“

„Meinetwegen“, gähnte sie.

„Und darf ich auch mal bei ihm schlafen?“

Der Vater motzte im Halbschlaf: „Wenn dein Gejammer dann aufhört. Lass uns endlich in Ruhe!“

„Super“, jubelte der kleine Bär und sagte zum kleinen Drachen: „Jetzt fragen wir noch deine Eltern.“

Auch die Dracheneltern brachten vor Müdigkeit die Augen nicht auf und erlaubten ihrem Sohn alles.

Und so kam es, dass der kleine Bär und der kleine Drache einen fast normalen Winterschlaf hielten. Eine Woche schliefen sie gemeinsam in der Bärenhöhle, eine Woche in der Drachenkammer. Natürlich war es ihnen noch immer zu kalt und zu warm im eigenen Zuhause, doch weil sie wussten, dass sich der Freund bei ihnen wohlfühlte, war es besser auszuhalten. Und konnte einer gar nicht schlafen, weckte er den anderen und sie tuschelten ein wenig. Bis die Bären- und Dracheneltern um Ruhe baten.

Was die Eltern wohl sagen werden, wenn sie im Frühjahr aufwachen und sehen, wer die Winterruhe mit ihnen geteilt hat?

 Anita Radipentz

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