Berufsunfähigkeit: Versicherer muss Lebensstellung berücksichtigen

Tarife mit abstrakter und konkreter Verweisung sind in der Berufsunfähigkeitsversicherung besonders günstig. Der Versicherer weiß warum. Er kann Sie hier auf eine andere berufliche Tätigkeit verweisen, die Sie in Ihrem gegenwärtigen gesundheitlichen Zustand ausüben können und die Ihrer bisherigen Stelle in Einkommen und sozialem Status ähnlich ist.

Ein Versicherer muss trotz neuer Arbeitsstelle leisten

Ein Versicherter einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung war als ungelernter Arbeiter in einer Gießerei beschäftigt. Nachdem er durch einen Unfall Verbrennungen an Fuß und Bein erlitten hatte, erhielt er von seinem Versicherer eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente. Nach mehreren Monaten trat er bei demselben Arbeitgeber eine Stelle als Gabelstaplerfahrer zu erheblich reduzierten Bezügen und ohne berufliche Aufstiegschance an. Der Versicherer verwies ihn auf diese Stelle und lehnte weitere Leistungen ab.

Die Verweisung erfolgte nach Ansicht der Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Az.12 U 196/06)
zu Unrecht, da sie nicht der Lebensstellung des Versicherten entsprach.
Diese bestimmt sich nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Die neue
Tätigkeit darf weder deutlich geringere Kenntnisse und Fähigkeiten
erfordern, noch in Verdienst und Wertschätzung spürbar unter das Niveau
des bisher ausgeübten Berufes absinken.

Der Versicherer darf nur konkret vorliegende Kenntnisse berücksichtigen

Zwar kann nach der Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH, Az. IV ZR 238/95) eine Berufsunfähigkeitsversicherung keine Garantie für einen angemessenen Arbeitsplatz darstellen. Aber eine Verweisung darf erst dann erfolgen, wenn die mögliche Beschäftigung zum Einstellungszeitpunkt der Lebensstellung des Versicherten entspricht. Müssen Sie sich als Versicherter nach der Einstellung erst durch Berufserfahrung oder Weiterbildungen dieses Niveau erst erarbeiten, darf Sie der Versicherer nicht auf die betreffende Tätigkeit verweisen.

So durfte in einem anderen Fall ein berufsunfähiger Metzger nicht auf eine Tätigkeit als Busfahrer verwiesen werden, weil aus den Bedingungen keine Pflicht zu Fortbildung oder Umschulung für den Versicherten herauszulesen war. Es müssen so stets die Qualifikationen und die Qualifikationen der Vergleichstätigkeit verglichen werden.

Was der Begriff "Lebensstellung" bedeutet

Zwar war der Gießerei-Arbeiter, dessen Fall vor dem OLG Karlsruhe verhandelt wurde, ungelernt, aber er konnte nach 15 Berufsjahren alle in der Schmelzerei anfallenden Tätigkeiten ausüben und befand sich dadurch faktisch in einer Führungsposition mit guten Aufstiegschancen. In seiner neuen Tätigkeit hatte er jedoch weder den Kenntnisstand noch die Wertschätzung erreicht, die mit seiner bisherigen Tätigkeit vergleichbar wäre. Außerdem war das Bruttogehalt um insgesamt 14 Prozent niedriger als in der alten Position.

Daher verneinten die Richter des OLG Karlsruhe die Vergleichbarkeit beider Tätigkeiten und sprachen dem Versicherten die Berufsunfähigkeitsrente zu. Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH, Az. IV ZR 88/07) kamen in der Revision zum selben Schluss.

Beachten Sie also, dass eine Verweisung dann möglich ist, wenn die neue Tätigkeit mit Ihrer bisherigen in Vergütung, Qualifikation und sozialer Stellung vergleichbar ist. Jede Entscheidung über eine Verweisung ist also eine Einzelfallentscheidung.

Tipp: Selbst wenn Sie in Ihren Versicherungsbedingungen die Verweisung vereinbart haben, bedeutet dies noch nicht, dass Sie Ihr Versicherer auf jeden beliebigen Beruf verweisen kann. Da jede Leistungsprüfung und damit jede Verweisung eine Einzelfallentscheidung ist, bedeutet jedoch die Verweisungsmöglichkeit ein hohes Maß an Unsicherheit. Viele Fälle können nur durch gerichtliche Entscheidungen geklärt werden.

Prüfen Sie also Ihre Versicherungsbedingungen. Enthält die Definition von Berufsunfähigkeit einen Zusatz, der neben die aktuelle Berufstätigkeit noch eine andere stellt, die Ihren Fähigkeiten und Ihrer Lebensstellung entspricht, so beinhaltet Ihr Vertrag die abstrakte und konkrete Verweisung.

In den ersten Jahren Ihrer Berufstätigkeit kann es noch lohnen, diesen Vertrag durch einen Vertrag ohne Verweisungsmöglichkeit zu ersetzen. Später ist dies oft durch schlechtere gesundheitliche Verhältnisse und mit Ausschlussklauseln oder Zuschlägen möglich.

Beachten Sie jedoch, dass im Nachprüfungsverfahren andere Regeln für die Verweisung gelten.