Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter: Führen oder Wachsenlassen?

Die moderne Führungstheorie und Führungspraxis beschäftigt sich mit Organisations- und Systemfragen, mit Einstellungs- und Verhaltensweisen, aber doch recht wenig mit der Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter. Es scheint aber so, dass eine Renaissance der individuellen Persönlichkeitsentwicklung wieder mehr in den Fokus rückt.

Führung heißt Wachsenlassen

Als Theodor Litt 1927 die pädagogische Frage  "führen oder wachsen lassen" aufwarf, dachte er noch nicht daran, wie aktuell im Jahre 2013 dieses Konzept für die Führung und die Erwachsenenbildung sein würde.

Für Litt war klar, dass Erziehung an beiden Polen stattfinden muss. Auch modernen Führungskräften sollte klar sein, dass organisationale Strukturen bereits den Entwicklungsspielraum der Individualität und der Mitarbeiterpersönlichkeit begrenzen.

Führung und wachsen lassen sind in einem dialektischen Verhältnis

Führung und Wachstumskonzept sind nicht Gegensätze. Litt hätte von Synthese gesprochen. In seiner Sprache hat er von" ehrfürchtig-geduldigen wachsen lassen" gesprochen. Etwas was dem modernen Personaler "abgeht". Bestimmte Aufgabenstellungen sind zu erfüllen, langfristige Persönlichkeitsentwicklung spielen dabei in der Personalentwicklung nur eine untergeordnete Rolle.

Führung und Vertrauen sind dieselbe Medaille

In der Sprache der Systemtheorie ist Vertrauen Reduktion von Komplexität. Im Denken in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik ist das Vertrauen in die Entwicklungsprozesse eine notwendige pädagogische Grundkategorie; sie ermöglicht Selbsterziehung. So wie bei Litt die" schöpferischen Kräfte des Subjektes gegen die objektiven Kräfte der Natur" stehen die Prozesse der Selbstentwicklung in einem begrenzenden organisatorischem Rahmen.  

Keine Angst vor Selbstentwicklung und Selbstführung

In der modernen Didaktik und Pädagogik stehen selbststeuernde Lernprozesse, sei es über handlungsorientierte Leittexte, online lernen oder blended learning im Mittelpunkt. Diese Methoden setzen ein Minimum an eigener Projektorientierung und Selbstführung voraus. Nicht die Führungskraft mit dem Allwissen ist gefragt, sondern der – im Bedarfsfall –  kooperativ und sozialintegrativ Führende. Er soll Mitarbeiter wachsen lassen und diesen Prozess der Selbstentwicklung tatkräftig fördern. So werden Mitarbeiter entwickelt, die in diesen heterarchischen Strukturen im modernen Betrieb des 21. Jahrhunderts gebraucht werden.