Lernen Sie aus Obamas rhetorischen Raffinessen

Barack Obama ist zweifellos ein exzellenter und inspirierender Redner. Ist es möglich, von seinen Reden etwas für die eigenen Reden und Präsentationen zu lernen und zu übertragen, auch wenn man keine politischen Reden hält? Ja, dieser Artikel gibt einige Anregungen dazu.

Politische Ansprachen besetzen eine ganz eigene rhetorische Nische. Sie folgen spezifischen Regeln und sind denen, die bei aller dramaturgischen Raffinesse dennoch gerne bei der Wahrheit und nichts als der Wahrheit bleiben, oft ein Dorn im Rednerauge. Dennoch ist es schwer, sich der Faszination rhetorisch begabter Politiker zu entziehen – und Wahlkampfreden, ob live oder medial ausgestrahlt, sind bei weitem ausschlaggebender für den Wahlausgang als parteipolitische Programme.

Wenn also ein derart begabter und überzeugender Demagoge wie der amerikanische Präsident Barack Obama die Bühne betritt, lohnt sich ein genauerer Blick hinter die Kulissen seiner Redekunst. Dies insbesondere, da Obama und seine Redenschreiber seit seiner ersten Präsidentschaftskampagne einige zentrale und ausgefallene rhetorische Instrumente wieder und wieder erfolgreich eingesetzt haben.

Dabei zählt im Folgenden nicht, ob Inhalte später in politische Wirklichkeit verwandelt wurden. Es geht vielmehr darum, wie überzeugend sie zum Zeitpunkt der Rede gewirkt haben – und ob sie sich auch jenseits der politischen Arena rhetorisch nutzen lassen.

Rhetorisches Branding

Obama hat sich einige simple, aber emotional hoch aufgeladene Motive zu eigen gemacht, die leuchtfackelartig in allen seinen Reden auftauchen. Sie wirken im Grundsatz wie Marken (Brands), die seine Reden labeln und wie ein emotionale Basis für alle getroffenen Aussagen wirken. Die beiden zentralen Motive bei Obama waren "Hoffnung" (Hope) und "Veränderung" (Change).

Ihre Essenz ist in dem weltweit bekannten Slogan "Yes, wie can" meisterhaft zusammengefasst, auch ohne dass die Begriffe selbst genannt werden. Es ist ihm gelungen, diese beiden Begriffe derart intensiv mit sich und seiner politischen Arbeit zu identifizieren, dass sie in Zeiten intensiver Wahlkampfarbeit gleichsam aus dem gängigen Vokabular herausgelöst und exklusiv Obamas semantischem Kontext zugehörig schienen. 

Diese Form des rhetorischen Labeling lässt sich natürlich nur dann eins zu eins durchsetzen, wenn man mit derart kontinuierlicher Medienpräsenz und einem massiven Budget gesegnet ist wie der amerikanische Präsident. Nichtsdestotrotz können Sie die Idee des Branding über zentrale Begriffe auch in nur einer Rede für sich nutzen.

Ganz egal, worum es inhaltlich geht: Versuchen Sie, die zentrale Aussage Ihres Vortrages in ein bis zwei emotionalen Begriffen zu fokussieren. Entwickeln Sie dann einen kurzen Slogan oder Claim, der die zugrundeliegenden Emotionen weckt. Diesen Claim können Sie zu Beginn des Vortrages projizieren, auf Ihre Handouts drucken oder in den zur Verfügung gestellten PDFs als Header nutzen. Die begrifflichen Motive selbst streuen Sie innerhalb des Vortrages, allerdings ohne sie zu erklären. Sie sollen auf einer gefühlsmäßigen Ebene wirken. 

Dieses rhetorische Mittel ist besonders geeignet, wenn es um Krisenreden in schwierigen Zeiten geht, um Motivationsvorträge vor eher demoralisierten Beteiligten oder um das Zusammenschweißen von getrennt agierenden Abteilungen, die zu besserer Kooperation angeregt werden sollen.

Es lässt sich auch invertieren. Obama nutzt die negative Beschreibung dessen, was Amerika nicht sein soll und wofür er im Gegensatz zu anderen Kandidaten nicht steht, häufig und erfolgreich. Allerdings kann diese Methode auch schnell als Ablenkungsmanöver auf Kosten Dritter verstanden werden und sollte deshalb behutsam und differenziert eingesetzt werden.

Autoritative Simmen

Obama zitiert in seinen Reden sehr viel häufiger als andere Politiker Stimmen Dritter. Er tut dies auf eine sehr interessante Art und Weise, die einfaches Zitieren weit hinter sich lässt. Zum einen wählt er hierfür Aussagen berühmte Amerikaner mit einem friedensbewegten und menschenrechtlichen Hintergrund wie Martin Luther King. Zum anderen erzählt er unmittelbar anknüpfend Lebensgeschichten und Anekdoten ganz normaler US-Bürger, die aber in besonderer Weise für das gebrachte Zitat stehen können. So verknüpft er die intellektuelle Geschichte des Landes mit seinen Bürgern. 

Diese Form, innerhalb einer Rede, autoritative Stimmen von verschiedenen Ebenen sprechen zu lassen, erhöht die Glaubwürdigkeit des Vortragenden, lässt ihn auf sympathische Weise bescheidener wirken (nach dem Motto "Ich stehe auf den Schultern von Riesen") und involviert gleichzeitig Storytelling, das immer ein funktionierendes rhetorisches Mittel ist.

Sammeln Sie deshalb Zitate bekannter Menschen zu Ihren Themen, wann immer Sie darüber stolpern; aber notieren Sie sich auch biographische Begebenheiten, die ihre Argumentationsketten unterfüttern können, wenn Sie sie irgendwo hören. Lassen Sie beides verknüpft zur Stärkung Ihrer eigenen Argumente einfließen.

FAZIT:

Es lohnt sich, bei guten Redner genauer hinzuschauen und zu überlegen, wie man die verwendeten Techniken auf die eigene Rede übertragen kann, oder anders und entsprechend des Themas ausgedrückt: So gelingt es, Obamas rhetorische Raffinessen selbst umzusetzen.

Viel Erfolg dabei

Ihr Rüdiger Vogel

www.rhetorikblog.net