Nach der Prüfung noch in den Ausbildungsbetrieb?

Nach dem Berufsbildungsgesetz haben Sie Ihre Auszubildenden für die Teilnahme an Prüfungen freizustellen. Was aber, wenn die Prüfung um 12:00 Uhr beendet ist? Dürfen Sie Ihren Azubi dann noch in den Betrieb einbestellen?
  • Grundlage für die Freistellung zu Prüfungen ist §15 des Berufsbildungsgesetzes. Danach müssen Sie Auszubildende nicht nur für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und für Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte freistellen, sondern auch für Prüfungen. Genauere Angaben werden nicht gemacht. Was heißt das nun für Sie konkret?

Auf der Basis dieser Regelung können Sie in der Tat selbst entscheiden, ob Sie den Auszubildenden nach der Prüfung noch im Betrieb arbeiten lassen. Ihre gesetzliche Verpflichtung bezieht sich tatsächlich nur auf die Zeit der Prüfung zuzüglich Pausen-/ Erholungszeiten sowie Wegezeiten, die zwischen Prüfungsort und Betrieb anfallen. Lohnt es sich anschließend noch, die Arbeit wieder aufzunehmen, dann haben Sie das Recht, dies von Ihrem Prüfling zu verlangen. Ist das aber auch sinnvoll?

Ich vertrete hier die Meinung, dass Auszubildenden, die sich bewährt und angestrengt haben, durchaus ganztags freigegeben werden könnte. Es ist einfach nicht angenehm für einen Prüfling, nach den Anstrengungen, die zum Teil stundenlang andauerten, noch arbeiten zu müssen. Ausbildungsbetriebe, die darauf verzichten, werden natürlich als mitarbeiterfreundlich und sozial wahrgenommen. Überlegen Sie sich also, ob Sie Ihren an Prüfungen teilnehmenden Auszubildenden nicht den ganzen Tag freigegeben.

Haben Minderjährige am Tag vor der Abschlussprüfung frei?

Bei Minderjährigen geht Ihre Freistellungsverpflichtung noch etwas weiter. Das ist §10 des Jugendarbeitsschutzgesetzes zu entnehmen. Danach müssen Sie Ihren Auszubildenden, die noch keine 18 Jahre alt sind, am Tag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorausgeht, freigeben. Das bedeutet konkret:

  • Diese Regelung gilt nicht für die Zwischenprüfung, sondern nur für Abschlussprüfung.
  • Sie hat Relevanz nur bei schriftlichen Prüfungen und nicht bei praktischen oder mündlichen Prüfungen.

Außerdem ist zu beachten: Sie müssen dem Azubi nur freigeben, wenn der Tag vor der schriftlichen Abschlussprüfung nicht ohnehin frei ist. Liegt die schriftliche Abschlussprüfung an einem Montag, dann ist der Sonntag in der Regel ohnehin frei und Sie müssen nicht zusätzlich den Freitag freigeben. Sie könnten dies allerdings freiwillig tun.

Diese Regelung kam bislang in der Praxis kaum zur Anwendung, da zur Zeit der Abschlussprüfung kaum ein Azubi noch minderjährig ist. Allerdings gibt es mittlerweile in vielen Berufsfeldern die so genannte gestreckte Abschlussprüfung, bei der in etwa zur Mitte der Ausbildung bereits Teile der Abschlussprüfung absolviert werden. Besteht dieser erste Teil der gestreckten Abschlussprüfung auch aus einer schriftlichen Prüfung, dann gilt die Freistellungsregelung auch zu diesem Zeitpunkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Azubi dann noch minderjährig ist, ist zudem deutlich größer als zum Ende der Ausbildung.

Quellenangaben für Ihre Recherche:

Berufsbildungsgesetz (BBiG) §15:

Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) §10:

  • Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetzestext des JArbSchG §10
  • Informationsseite zum Jugendarbeitsschutzgesetz, eventuell von einer Arbeitsschutzbehörde oder einer ähnlichen Institution.

Allgemeine Informationen zur Ausbildung und Prüfungen:

  • Industrie- und Handelskammer (IHK) oder Handwerkskammer (HWK), je nach Ausbildungsberuf, für allgemeine Informationen zur Ausbildung und Prüfungen: IHK oder HWK

Informationen zum Thema Ausbildung und Arbeitsrecht:

Beratungsangebote und weitere Ressourcen:

  • Seiten, die Beratung und Unterstützung für Ausbilder und Auszubildende anbieten, wie z.B. Ausbildung.de oder ähnliche Portale.

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