Lesen boomt – was Sie über die Münchner Literaturszene wissen müssen.

Ob zwischen zwei Buchdeckeln gedruckt, Online oder als vorgetragene Geschichte: lesen boomt. Von Text- und Buchpräsentationen im Haidhausener Untergrund über Events mit Showcharakter in der Muffathalle bis hin zu Afterwork-Lesungen im Literaturhaus: ganz München ist immer und ganz besonders jetzt zur Frankfurter Buchmesse im Literatur-Fieber.

Die Münchner Literaturszene hat 1001 Highlights im Gepäck: in vier exklusiven Vorstellungen präsentiert Moderatorin Cornelia Zetzsche das Projekt "radioTexte – Das offene Buch" zum diesjährigen Gastland der Frankfurter Buchmesse Brasilien und stellt damit ein Land voller Gegensätze und großer Familiendramen vor. Aus "Die Werkstatt der Wunder" des brasilianischen Schriftstellers Jorge Amado liest Bibiana Beglau zur Matineé für Radiohörer – zum Sonnenuntergang heißt sie Gäste im Foyer des Münchner Literaturhauses herzlich willkommen. "Geschwister des Wassers" von Andréa del Fuego ist ein poetischer Roman, aus dem ich für Sie lesen werde. Ich mag diese Veranstaltungen im Literaturhaus sehr", erzählt die Schauspielerin Ulrike Kriener und schlägt die Seiten auf: "Eines Nachts schlägt der Blitz in das Haus der Familie Malaquias ein. Die Kinder Julia, Nico und Antonio schlafen friedlich weiter – doch ihre Eltern stehen nie wieder auf. Julia und Antonio kommen in ein Waisenhaus. Nico bleibt auf dem Land als Handlanger in einer Fazenda. Ihre Wege trennen sich, doch eine geheime Anziehungskraft treibt sie Jahre später zum Ort ihrer ersten Geborgenheit zurück."

In vier vorabendlichen Lesungen, die die Zuhörer in einer Dreiviertelstunde nach der Arbeit genießen können, präsentiert das Münchner Literaturhaus nun zum wiederholten Mal die Lesereihe vor Ort und im Radio zum zweiten Frühstück – im vergangenen Jahr Literatur aus Neuseeland, jetzt stellen bekannte Schauspieler brasilianische Werke vor: Johannes Silberschneider liest aus "Unwirkliche Bewohner" von Paulo Scott, Hans Kremer aus "Leichendieb" von Patrícia Melo. Gewürzt mit einer musikalischen Live-Performance rundet Sílvio Fortes an der Gitarre die Literaturabende ab.

Bevor die Lesung startet, wirft er noch in Boylescher Manier ein Statement zur Evolution der Menschheit in die Nacht: "we are all animals", und leitet damit über zu seinem neuen Projekt: "Speaking about male violence – The harder they come" will be about madmen (Amokläufer)."Unter den Männern war ein Neuer – Rafael. Er hatte grasgrüne Augen – war Spanier, nicht Mexikaner", so Sprecherin Katja Amberger in der Übersetzung. Wie bei einem Schlagabtausch übernimmt der Schriftsteller: "It was Rafael with the instrument – er war ein Guapo. Komm zu mir, stand da, um Mitternacht – carema, he whispered … Rafael, I want you to take me away." Als sie zum Strand kam, sah sie nur noch das davonfahrende Boot in den Wellen. "The boat was gone. The world is much harder then, she learned", schließt T.C. Boyle den Bogen und damit wieder einen großen Bogen des Lebens: "Die Welt ist härter, das hatte sie hier gelernt."

Stimmen zum Roman

"T. C. Boyle hat einst über die Romankunst des 19. Jahrhunderts promoviert. In "San Miguel" geht eine lang gehegte Saat üppig auf. Einen derart geschmeidigen, bruchlosen, literarisch aufregenden Übergang von der Fiktion in die Wirklichkeit und wieder zurück sowie vom klassischen Vorbild in eine zeitgenössische Literatur mit historischem Stoff bekommen nur wenige Schriftsteller hin. Ein Meisterwerk."

Quelle: Hans von Trotha. Deutschlandradio, September 2013.

"Dirk van Gunsteren, Boyles deutscher Übersetzer, hat dafür einen Ton gefunden, der wie im Original alles Effekthascherische scheut, damit die Kargheit des Insellebens aufnimmt und nur bisweilen durch winzige Beobachtungen auch das Grandiose der Einsamkeit anklingen lässt."

Quelle: Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine, August 2013.

"T.C. Boyle steht nicht auf Happy Ends. Und das ist gut so. Seinen neuen Roman macht es nur umso eindrucksvoller. Spannend ist er sowieso, so spannend, dass man ihn kaum aus der Hand legen will."

Quelle: Andreas Heimann (dpa) Focus. August 2013

Literatur in München-Haidhausen

Die Bühnenbretter der Haidhauser Literaturbox in der Münchner Unterwelt können für so manch einen die Welt bedeuten – bieten Raum, sind Forum und Portal. Newcomer oder Fortgeschrittene präsentieren hier jeden zweiten Samstag im Monat ihren Stoff: Abgründiges, Lyrisches, Experimentelles – Prosa, Kurzgeschichte oder Roman. Wer kann und möchte, sendet seine?Bewerbung für den Auftritt an die Initiatorin Petra Lang. Romanautor Peter Biber hat genau das getan und präsentiert in der Münchner Unterwelt sein brandneues, stachlig-kriminalistisches Werk "Tetaphrate" – den Kaktus stellt er neben sich auf den Tisch. Unter angestrahlter Stachelkugel beginnt die Lesung aus intelligenter Unterhaltung und reichem Wortwitz: Der Münchner Geheimagent Alfons Dirnberger soll den Diebstahl einer Vase aus dem Ägyptischen Museum aufklären und gerät in Konflikt mit allerlei Gestalten aus schrägen Parallelwelten – passend zum Ort seiner Präsentation.

Durch lange Gänge mit dürrem Licht gelangen die Gäste zur Lesung in die Haidhauser Literaturbox. Im zweiten Set gibt Geschichtenerzähler Michael Laube Einblicke in Verwinkeltes und Hintergründiges menschlicher Denkweisen. In "Handygespräche", "Höhlengleichnis" oder "Fussballfieber" deckt er aus der Distanz auf, was uns oberflächlich betrachtet als selbstverständlich erscheint und legt damit den Finger in die Wunde.

"Krusten aufreißen und Rinden aufbrechen, Innerstes sichtbar und Entblößtes nach außen treten lassen". Tiefgründig-Lyrisches bekommen Literaturfans in einer Spontanlesung von Wolfgang Knittel: "Der schützenden Rüstung beraubt, macht sich auch Entrüstung Luft. Denn die Außenwelt steht der Innenwelt oft hart entgegen."

Machen Sie sich auf den Weg durch unterirdische Gänge und gelangen Sie nach oben. Laufen Sie durch die Straßen der Bayerischen Landeshauptstadt München auf der Suche nach niedergeschriebenen und unveröffentlichten Geschichten.

Tipps und Aussichten

Auch in 2014 wird wieder Dienstags, in der Zeit von 18:30 – 19:15 Uhr im Literaturhaus München und auf Bayern2 das Literaturprogramm "radioTexte – Das offene Buch" präsentiert.

Der amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle wird hoffentlich auch im Jahr 2014 wieder in die Münchner Muffahalle kommen.

Lesungen in der Haidhauser Literaturbox 1 im KiM Kino (neben Jazzclub Unterfahrt) finden am laufenden Band statt. Einstein Kultur – Einsteinstr. 42 – 81675 München.

Quellen: Vor-Ort-Recherche, Muffatwerk: Klara Osiander, Literaturbox: Petra Lang, Peter Biber, Wolfgang Knittel, Michael Laube.