Auch Gespenster haben Angst
Gespenstergeschichten finden die meisten Kinder faszinierend. Doch sollte die Geschichte für kleine Kinder nicht zu gruselig sein. Deshalb eignet sich „Ein Gespenst im Schlafanzug“ auch für Kinder im Kindergartenalter oder in der Grundschule. Weil Willipolt das kleine Gespenst selbst Angst hat und von den Schlossbewohnern zuerst ausgelacht wird, bis er einen Trick anwendet, um mit seiner Angst umzugehen.
Tipp für die Präsentation
In der pdf-Datei finden Sie den kurzen Text mit einer farbenfrohen Illustration. Doch gibt es eine pfiffige Möglichkeit, Willipolts Schwäche darzustellen. Das kleine Gespenst bekommt schwarze Tupfen, wenn es aufgeregt ist. Bei Angst zieren ihn sogar gelbe Streifen. Dadurch wird das Gespenst sichtbar.
Mit einem Tageslichtprojektor können Sie diese Verwandlung leicht darstellen. Drucken Sie die Vorlage auf zwei Folien aus. Oder zeichnen Sie die Punkte und Striche eigenhändig auf zwei Folien. Damit können Sie darstellen:
- Ohne Folie: So sieht ein mutiges Gespenst aus – unsichtbar
- So sieht Willipolt aus, wenn er aufgeregt ist – Folie 1 mit schwarzen Punkten
- So sieht Willipolt aus, wenn er dazu noch Angst hat – Folie 2 auf Folie 1 zeigt: Punkte und Streifen machen das Gespenst sichtbar.
Die kurze Gespenstergeschichte zum Vorlesen
Ein Gespenst im Schlafanzug
Willipolt war ein ziemlich junges Gespenst. Erst 244 Jahre war er alt und wartete noch immer darauf, zum ersten Mal richtig spuken zu dürfen.
„Werde erst mal 350, dann sehen wir weiter“, trösteten die Gespenstereltern ihren jüngsten Sohn. Doch Willipolt konnte es kaum erwarten. Jede Nacht sah er seinen großen Brüdern sehnsüchtig nach, wenn sie loszogen, um die Bewohner des alten Gemäuers zum Fürchten zu bringen.
Eines Tages wurden die Gespenstereltern zum berühmtesten Gespensterfest weit und breit eingeladen und freuten sich riesig darauf. Tagelang schwebte die Mutter umher und überlegte, welches Spukgewand sie zu diesem Fest anziehen sollte, das unsichtbare rote oder das durchsichtige blaue. Doch am Tag vor dem Fest verhedderte sich die Oma beim Seniorenspuken im Gewand und konnte somit nicht auf Willipolt aufpassen. Zuerst war die Mutter sehr enttäuscht, dann schlug sie vor: „Wir lassen Willipolt bei seinen Brüdern. Er ist groß genug, um mit herumzugeistern. Die hundert Jahre hin oder her. Ich durfte auch mal mitspuken, als ich erst 199 Jahre alt war und es hat mir nicht geschadet.“
Nach kurzem Überlegen war der Vater einverstanden.
Die großen Brüder dagegen waren überhaupt nicht begeistert: Jeder hatte einen anderen Grund, warum Willipolt nicht mitmachen sollte.
„Der ist viel zu klein.“
„Der Pimpf vermasselt uns bestimmt alles.“
„Der ist viel zu nett“, schimpfte einer nach dem anderen. Doch es nutzte ihnen nichts.
Am nächsten Abend verschwanden die Eltern gut gelaunt Richtung Nachbarschloss und Willipolt durfte mit den Brüdern zum ersten Mal um Mitternacht spuken. Sein Herz klopfte vor Aufregung, als er durch die dunklen Gänge des alten Schlosses schwebte. Hoffentlich beruhigte er sich, bevor er einen Schlossbewohner traf. Denn wenn er aufgeregt war, bekam er überall schwarze Pünktchen und war nicht mehr unsichtbar.
Willipolt stoppte. Kam da nicht ein Geräusch aus dem Badezimmer? Und tatsächlich tapste die kleine Prinzessin Lieselotte schlaftrunken durch die Badezimmertür auf den getüpfelten Willipolt zu. Die Prinzessin war schon an Willipolt vorbei. Doch bevor sie in ihrem Zimmer verschwand, sah sie sich noch einmal um und starrte direkt auf Willipolt. Sie rieb sich die Augen, dachte wohl, sie bildete sich die schwarzen Punkte ein, die über dem Teppich schwebten.
Willipolt war entsetzt. Er war entdeckt. Das war das Schlimmste, was einem Gespenst passieren konnte. Was würden die Brüder sagen und die Eltern? Vor lauter Angst bekam er auch noch gelbe Streifen.
Als Prinzessin Lieselotte das sah, prustete sie los. Sie lachte und rief ihre Schwester: „Marie, komm schnell. Ein Gespenst im Schlafanzug.“
War Willipolt DAS peinlich, wie die beiden kleinen Mädchen vor ihm standen und sich die Bäuche hielten vor Lachen.
Willipolts Brüder wirbelten herbei, von den fröhlichen Kinderstimmen angelockt. Mit einem tiefen „Ho, ho, ho“ trieben sie die Mädchen zurück in ihre Betten.
100 Jahre später hatte sich Willipolt noch immer nicht vom Schrecken seiner ersten Spuknacht erholt. Obwohl er inzwischen alt genug war, um richtig zu spuken, hatte er keine Lust darauf. Lieber schaukelte er alleine auf den Kronleuchtern im Schloss.
Eines Abends schaukelte er so vor sich hin, als plötzlich die kleine Prinzessin Liesel-Marie, die Ur-Ur-Ur-Enkelin von Prinzessin Lieselotte in den großen Saal stürmte und mit ihrer Puppe durch den Raum tanzte. Dazu sang sie ein fröhliches Lied. Vor Schreck bekam Willipolt wieder Punkte und Streifen. Doch weil er oben, nahe der Decke im Kronleuchter saß, bemerkte Liesel-Marie ihn nicht. Eigentlich ein schönes Lied, fand Willipolt. Erst hörte er zu, summte dann ein wenig mit, bewegte den Zipfel seines Gespenstergewandes im Takt dazu und kurz darauf tanzte er laut singend durch den Saal, um Liesel-Marie herum, an einem Spiegel vorbei. Das was war das? Willipolt starrte in den Spiegel und sah – NICHTS. Er sah an sich runter. Keine Tupfen, keine Streifen. Er war unsichtbar. Denn Singen und gleichzeitig Angst haben, geht nicht.
Von da an spukte Willipolt jede Nacht, denn nun wusste er, wie er seine Angst vertreiben konnte.
Wenn du also mal Angst hast, nachts auf dem Weg zum Klo, mach es doch wie Willipolt: Singe ein fröhliches Lied. Nur nicht zu laut. Sonst schrecken deine Eltern aus dem Schlaf und bekommen vielleicht schwarze Tupfen und gelbe Streifen.
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