Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt grundsätzlich einen Pflichtverstoß voraus. Damit alleine ist es aber in der Regel nicht getan. Zusätzlich muss den Arbeitnehmer ein Verschulden an dem Pflichtverstoß treffen. Er muss also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Lesen Sie, wann eine verhaltensbedingte Kündigung möglich ist.
Auf das Kriterium des Verschuldens kommt es nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein in Ausnahmefällen aber nicht an. Als Arbeitgeber können Sie auch dann eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, wenn den Mitarbeiter kein Verschulden an dem Pflichtverstoß trifft (LAG Schleswig Holstein, Urteil vom 9.6.2011, Az.: 5 Sa 509/10).
Und das kann im Einzelfall zur Rettung des Betriebsklimas auch unbedingt erforderlich sein. An dem Verschulden fehlt es häufig dann, wenn der Arbeitnehmer an psychischen Erkrankungen leidet. Das Problem ist, dass er dann eigentlich nicht für den Grund, der die verhaltensbedingte Kündigung ermöglichen würde, verantwortlich ist. Aber das geht nicht immer zu Ihren Lasten als Arbeitgeber.
In dem konkreten Fall des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein wurde ein seit 1986 beschäftigter Arbeitnehmer gekündigt. Infolge familiärer Auseinandersetzungen war er manisch-depressiv erkrankt. Er befand sich in ambulanter psychischer Therapie. Gleichwohl kam es immer wieder zu anzüglichen Bemerkungen gegenüber seinen Kolleginnen und Vorgesetzten.
Auch entsprechende Ermahnungen und Abmahnungen führten nicht zu einer Änderung des Verhaltens. Aus medizinischer Sicht konnte ihm daraus wohl noch nicht einmal ein Vorwurf gemacht werden, da er sein Verhalten insoweit nicht steuern konnte. Nach einer erneuten schweren Beleidigung einer weiblichen Vorgesetzten kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos und kam damit vor dem Arbeitsgericht durch.
Nach Ansicht der Richter des Landesarbeitsgerichts war es für den Arbeitgeber nicht zumutbar, die fortlaufenden und trotz Ermahnungen und Abmahnungen anhaltenden Beleidigungen weiter hinzunehmen und das Betriebsklima dauerhaft zu gefährden. Sie hielten daher in diesem konkreten Ausnahmefall die verhaltensbedingte fristlose Kündigung auch ohne das an sich erforderliche schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers für möglich.
Worauf es bei der verhaltensbedingten Kündigung ohne Verschulden ankommt
Entscheidend waren in diesem Fall die Schwere und Häufigkeit der Beleidigungen sowie die vorherigen vergeblichen Versuche des Arbeitgebers, auf den Arbeitnehmer einzuwirken. Denn auch in solchen Fällen gilt, dass eine Kündigung immer nur die "Ultima Ratio" sein kann.
Die verhaltensbedingte Kündigung kommt also immer nur als letztes Mittel in Betracht. Wenn Sie daher den Verdacht haben oder sogar positiv wissen, dass ein Mitarbeiter sein Verhalten nicht steuern kann, sollten Sie trotzdem formell einwandfrei arbeiten. Das bedeutet, dass Sie in der Regel an einer vorherigen Abmahnung nicht vorbeikommen werden, wenn Sie ihre Kündigungschancen nicht gefährden wollen.