Charismatische Rhetorik: Kann man sie lernen?

Kann man charismatische Rhetorik lernen? Wenn Reden aus dem deutschen Bundestag im Fernsehen übertragen werden, findet das beim Publikum meist keine hohe Resonanz. Grund für die miesen Einschaltquoten ist unter anderem: Die meist schlechte Rhetorik der Politiker. Geht das denn nicht besser? Könnte Rhetorik nicht überzeugen und Spaß machen? Doch, denn charismatische Rhetorik kann man lernen, meint Julia Sobainsky und erklärt in dieser kleinen Artikelserie die wichtigsten Punkte.

In der letzten Woche gab ich ein Online-Seminar zu charismatischer Rhetorik und im Vorfeld sprach mich eine Kundin an, ob denn "Redetalent" nicht angeboren sei. Dem kann ich natürlich nicht ganz widersprechen, denn sicherlich gibt es Menschen, die über besonders Talent in der Rhetorik verfügen.

Jedoch lässt sich charismatische Rhetorik sehr gut analysieren und damit auch wunderbar lernen und "nachmachen". Sicherlich ist es so wie mit dem Schwimmen: Schwimmen lernen kann wohl jeder, der es lang genug übt, jedoch braucht es zur Olympiareife sicherlich Talent und extrem viel Training.

Wir alle können unsere Rhetorik aber verbessern
Denn alleine durch die Analyse einer guten Rede können wir viel lernen und die Hauptgesichtspunkte behandeln wir nun auch hier in dieser kleinen Serie. Vielleicht einmal so viel vorweg, um die Illusion vom großen Rhetorik-Talent etwas zu schmälern: Gute Rhetorik besteht zu 5% aus Inspiration, zu 40% aus Transpiration und zu 55% aus Reproduktion. Sie sehen, Sie müssen in der Rhetorik das Rad sicherlich nicht jedes Mal neu erfinden.

Gute Rhetorik ist, gut vorbereitet zu sein
Zu Beginn einer Rede steht also immer eine gründliche Vorbereitung. Und die Entscheidung, ob man die Rede abliest oder ob man frei sprechen möchte. Ich für meinen Teil lerne einen wichtigen Vortrag übrigens stets auswendig, als ehemaliger Schauspielerin ist mir diese Variante am liebsten und ich kann, wenn es sich gut anlässt, trotzdem frei improvisieren.

Aber ich kann alle Finessen in der Rhetorik vorher für mich in Ruhe ausarbeiten und bin nicht darauf angewiesen, dass sie mir während des Vortrags spontan einfallen.

Rhetorik lernen: Wichtiges von Unwichtigem trennen
In der Vorbereitung eines Vortrags muss ich meine Zielgruppe im Blick haben. Für wen spreche ich? Wie passe ich meine Rhetorik an die Zielgruppe wirksam an? Was sind meine wirklich wichtigen Inhalte, meine Schlüsselsätze?

Zu diesem Zweckt taugt übrigens auch der "sokratische Filter", benannt nach dem altgriechischen Philosophen Sokrates, einer der "Begründer" der Rhetorik. Der "sokratische Filter" stellt die Fragen: Ist es wichtig? Ist es wahr? Ist es gut? Überprüfen Sie im Vorfeld während Ihrer Vorbereitung alle Inhalte auf diese drei Fragen.

Gute Rhetorik ist auch: Alle Zuhörer ins Boot holen
Alle Zuhörer müssen sich angesprochen fühlen. Suchen Sie nicht nur die Ansprache der relevanten Zielgruppe. Denn gute Rhetorik zeichnet sich dadurch aus, dass sich in Ihrem Publikum niemand benachteiligt fühlen muss. Alle werden angesprochen.

Das kann für Sie in der Vorbereitung bedeuten, dass Sie unterschiedliche Beispiele wählen müssen, Inhalte, die sie einbringen möchten auf unterschiedliche Weise mehrfach wiederholen müssen. Diese kleine Mühe in der Rhetorik sollten Sie in Kauf nehmen, denn sie wird Ihnen vielfachen Lohn bringen.

Rhetorik mit Struktur
Anfang – Mitte – Ende / These – Antithese – Synthese. Dieser sogenannte 3-Satz ist der bekannteste Redenaufbau in der Rhetorik und schon über 2000 Jahre alt. Sie können ihn variieren in: gestern – heute   – morgen, Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft usw. es gibt hunderte von Möglichkeiten.

Beachten Sie nur eins: Sie müssen die Zuhörerschaft in den ersten Minuten bereits mit Ihrer Rhetorik gefangen nehmen, d. h. der Anfang sollte ein "Knaller" sein. Und das Ende einer Rede bleibt in der Erinnerung haften, also sollten Sie auch hier besondere Sorgfalt in der Wortwahl walten lassen.

Beim nächsten Mal schauen wir uns an, welche Fehler in der Rhetorik am häufigsten gemacht werden, und wie man sie vermeiden kann.