Nichtzahlung von Gratifikation als Druckmittel für Änderungsvertrag ist unzulässig

Ein Lagerarbeiter war mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden beschäftigt. Im Hinblick auf seine Gratifikation zu Weihnachten war geregelt, dass der Arbeitgeber diese freiwillig zahlt und hierauf auch bei wiederholter Leistung kein Anspruch besteht.
Im Jahr 2002 erwirtschaftete der Arbeitgeber erhebliche Verluste. Um diese auszugleichen, erklärte sich ein Großteil der Belegschaft damit einverstanden, bei gleich bleibenden Bezügen zukünftig 40 anstatt 35 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Wenige Mitarbeiter lehnten mit dem Lagerarbeiter die Vertragsänderung ab. Nur den Mitarbeitern, die einverstanden waren, zahlte der Arbeitgeber zu Weihnachten eine Gratifikation.

Auch der Lagerarbeiter verlangte die Gratifikation. Er meinte, die Nichtbezahlung an die Arbeitnehmer, die ihre Zustimmung verweigert hatten, stelle eine unzulässige Maßregelung dar.

Die Richter des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg gaben ihm Recht und verurteilten den Arbeitgeber zur Zahlung. Der Lagerarbeiter sei nicht verpflichtet gewesen, der Arbeitszeitverlängerung zuzustimmen und dürfe deshalb nicht mit der Streichung des Weihnachtsgeldes "bestraft" werden. (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2004, Az: 2 Sa 73/04)

Vermeiden Sie unzulässige Maßregelungen
Nach der Regelung § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist jede Benachteiligung eines Arbeitnehmers, die deshalb erfolgt, weil er ihm zustehende Rechte ausübt, gesetzlich verboten.

Wenn Sie also bestimmten Mitarbeitern Ihres Betriebs Leistungen nicht gewähren, weil diese in zulässiger Weise von ihren Rechten Gebrauch machen, ist das unzulässig.Von diesem Maßregelungsverbot sind auch Fälle erfasst, in denen einem Arbeitnehmer Leistungen nicht gewährt werden, weil er sich auf eine Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen nicht einlässt.

Kommt eine einvernehmliche Vertragsänderung nicht zu Stande, ist das einzig zulässige Mittel eine Änderungskündigung.

Verbotene Maßregelungen
In diesen Fällen liegt grundsätzlich eine verbotene Maßregelung vor:

  • Nichtzahlung einer freiwilligen Gratifikation oder Nichtzuteilung von Überstunden wegen Weigerung des Arbeitnehmers,
  • einer Änderung des Arbeitsvertrags zuzustimmennachträgliche Zahlung einer streikbedingten Sonderzuwendung nur an streikende Arbeitnehmer (es sei denn, es werden damit streikbedingte Erschwernisse ausgeglichen)
  • Gewährung einer Sozialplanleistung nach betriebsbedingter Kündigung nur bei Klageverzicht
  • Revanchekündigung des Arbeitgebers als Reaktion auf Eigenkündigung des Arbeitnehmers
  • Kürzung einer Gratifikation bei Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik (die Kürzung von Anwesenheitsprämien bei Streikteilnahme ist dagegen zulässig, wenn sie proportional zur Abwesenheit gekürzt wird).