Was ist Legasthenie?
Wenn ein Kind mit durchschnittlicher Intelligenz trotz vieler Bemühungen einfach nicht Lesen, Schreiben oder die Rechtschreibung erlernt, liegt wahrscheinlich eine Störung vor. Das bedeutet, auch ein aufgewecktes, kluges Kind kann Legasthenie haben. Gewöhnlich sind sowohl die Bereiche Lesen und Schreiben betroffen, aber es kann auch sein, dass Kinder nur in einzelnen Bereichen beeinträchtigt sind.
Wer kann Legasthenie haben?
Die so genannte Lese-Rechtschreibschwäche tritt bei ungefähr 3 bis 5 Prozent der Kinder auf und ist damit gar nicht selten. Übrigens sind doppelt so viele Jungen wie Mädchen von der Legasthenie betroffen. Die Gründe sind noch unbekannt. Es ist möglich, dass Störungen bei Jungen öfter erkannt werden, weil sie häufig gleichzeitig durch Verhaltensauffälligkeiten auffallen.
Wie entsteht Legasthenie?
Niemand ist schuld, wenn ein Kind eine Lese- Rechtschreibschwäche hat. Es ist auch nicht klar, wie diese Störung entsteht. Neuere Forschungen vermuten, dass zwar genetische Faktoren eine große Rolle spielen, gleichzeitig aber auch äußere Bedingungen wie zum Beispiel die Unterrichtsgestaltung in der Schule oder emotionale Unterstützung das Kind positiv oder negativ beeinflussen können.
Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO zählt die Lese-Rechtschreibstörung zu den psychischen Erkrankungen. Sehen Sie Legasthenie ganz einfach als natürliche Anlage Ihres Kindes. Sie zerbrechen sich ja auch nicht den Kopf darüber, warum Ihr Kind so gut malen oder Fußballspielen kann.
Legasthenie rechtzeitig erkennen
Für Kinder beginnt ihr Leidensweg meistens in der Schule. Obwohl sie sich viel Mühe geben, fällt ihnen das Lesen und Schreiben schwer. Durch schlechte Noten oder Bemerkungen der Lehrer erhöht sich der Druck: Das Kind soll mehr üben. Aber Lernen hilft bei Legasthenie gar nicht. Und so fühlen sich die Kinder als Versager, vor allem wenn sich die Eltern über ihre scheinbar begriffsstutzigen Kinder aufregen. Als nächstes gesellen sich körperliche Probleme wie Kopf- oder Bauchschmerzen dazu und die Kinder gehen auch nicht mehr so gerne in die Schule.
Mögliche Symptome der Legasthenie
Es soll an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich betont werden: Ein Kind mit Legasthenie ist weder dumm noch zu faul zum Lernen. Es gibt leider keine eindeutigen Punkte, an denen Sie erkennen können, ob Ihr Kind unter Legasthenie leidet. Es ist ein langer Weg zu der eindeutigen Diagnose. Seien Sie hartnäckig und lassen Sie sich nicht beirren, wenn bei Ihrem Kind viele dieser Symptome zutreffen:
Im Vorschulalter:
- Ihr Kind beginnt erst spät zu sprechen.
- Der Wortschatz Ihres Kindes ist gering, ihm fehlen oft die Worte.
- Es bringt oft den Satzbau durcheinander.
- Es spricht die Wörter undeutlich aus.
- Ihr Kind nuschelt.
- Reime bilden oder Silben klatschen stellt das Kind vor große Probleme.
Im Grundschulalter
- Trotz guter Leistungen lernt Ihr Kind mühsam das Alphabet.
- Ihr Kind verwechselt Buchstaben miteinander.
- Buchstaben werden nicht zu Silben zusammengesetzt.
- Schwierigkeiten beim Lesen.
- Text wird Wort für Wort gelesen.
- Es werden beim Lesen Wörter weggelassen oder neu hinzugefügt.
- Das Kind hat den gelesenen Text nicht verstanden.
- Es macht viele Rechtschreibfehler.
- Es macht selbst beim Abschreiben eines Textes viele Fehler.
- Ihr Kind schreibt ein Wort innerhalb eines Textes unterschiedlich.
Wer stellt die Legasthenie Diagnose?
Fällt Ihnen auf, dass Ihrem Kind Lesen und Schreiben besonders schwer fällt, dann sollten Sie zunächst beim Kinderarzt prüfen, ob Ihr Kind vielleicht schlecht sieht oder hört. Liegt keine körperliche oder seelische Beeinträchtigung vor, sollten Sie mit dem Klassenlehrer sprechen. An manchen Schulen können Sie direkt einen Legasthenietest durchführen. Fehlt die Unterstützung von Seiten des Lehrers, können Sie sich zum Beispiel an die psychologische Beratungsstelle oder das Jugendamt in Ihrer Stadt wenden. Lassen Sie sich bitte nicht von langen Wartezeiten abschrecken.
Therapie bei Legasthenie
Eine Lese-Rechtschreibschwäche ist zwar nicht heilbar, lässt sich aber durch Förderprogramme auffangen. Es gibt eine Fülle von Förderangeboten, die Eltern schwer beurteilen können. Achten Sie darauf, dass bei einer Therapie für jedes Kind ein individuelles Förderprogramm erstellt wird. Bleiben Sie vollmundigen Versprechungen wie schnelle Verbesserungen der Lese-Rechtschreibschwäche innerhalb weniger Monate gegenüber skeptisch. Diese Therapien sind meistens teuer. Ein pädagogisch gutes Programm geht kontinuierlich über Jahre hinweg vor.
So unterstützen Sie Ihr Kind, wenn Legasthenie festgestellt wurde
Erklären Sie Ihrem Kind, dass es keine Schuld an der Legasthenie hat. Manche Kinder müssen eben eine Brille tragen, andere brauchen besondere Hilfe, um die Welt der Buchstaben zu begreifen. Wenn Sie als Eltern locker mit dem Thema umgehen, wird sich auch Ihr Kind nicht schämen.
Unterstützen Sie Ihr Kind auch zu Hause, indem Sie die Anregungen und Aufgaben des Therapeuten gewissenhaft umsetzen. Überfordern Sie Ihr Kind jedoch nicht, denn es braucht jetzt vor allem Erfolgserlebnisse und ganz viel Lob.
Literatur:
Dr. med. Gerd Schulte-Körner: Elternratgeber Legasthenie. Empfohlen vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. Knaur Verlag 2004
ISBN: 3-426-64137-2
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