Papierkrieg mit der Krankenkasse: Erstattung von Zuzahlungen

Das Gesetz ist eindeutig: Erreichen die von gesetzlich Krankenversicherten im Jahr 2012 geleisteten Zuzahlungen - etwa zu Arzneien oder Heilmitteln und letztmalig auch die Praxisgebühren - 2 Prozent des Jahresbruttoeinkommens des Singles oder der Familie, dann brauchen für den Rest des Jahres keine Zuzahlungen mehr geleistet zu werden. Doch der Teufel steckt im Detail, wenn es jetzt darum geht, zu viel gezahlte Beträge aus dem Vorjahr zurückzuholen.

Das deutet bereits der umfangreichen Fragebogen an. Danach rechnen AOK & Co aus, wann sie eine Befreiungsbescheinigung ausstellen können. Und schon der erste Blick in diese "Selbstauskünfte" zeigt, dass zum "Einkommen" nicht nur Arbeitsverdienst (auch aus 400-Euro-Jobs) zählen. Ob Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, Kranken-, Arbeitslosen- oder Elterngeld, Renten, Zinsen, Mieteinnahmen – alles wird addiert. Kinder- sowie Wohngeld werden nicht mitgerechnet.

Bei den Renten gehören sogar die – den Rentnern abgezogenen – Kranken-
und Pflegeversicherungsbeiträge dazu, weil es auf das "Bruttoeinkommen"
ankommt. Auch Unterhaltszahlungen dürfen die Kassen nicht auslassen; auf
der anderen Seite reduzieren sie allerdings das anzurechnende Einkommen
der Person, die den Unterhalt zahlt.

Grundsätzlich werden als Familieneinkommen sämtliche Einnahmen der – gemeinsam im Haushalt lebenden – Familienangehörigen berücksichtigt. Zur Familie zählen aber neben den Versicherten nur der Ehe- oder der eingetragene Lebenspartner sowie kostenfrei "familienversicherte" Kinder. Auszubildende mit eigenem Versicherungsschutz zählen solo, BAföG ist kein "Einkommen". Bei Sozialhilfeempfängern wird der monatliche Regelsatz angesetzt, also keine Familien- und sonstigen Zuschläge, die die Sozialhilfe erhöhen, etwa die Miete.

Vorteil für Familien, in denen wenigstens eine Person als "schwerwiegend chronisch krank" anerkannt und gesetzlich versichert ist (egal, ob aufgrund eigener oder Familien-Mitversicherung): Auch für die übrigen Familienmitglieder gilt dann die 1-Prozent-Regel, also die Halbierung der Belastungsgrenze.

Wichtige Ausnahme für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in einer – vom Jobcenter anerkannten – Bedarfsgemeinschaft leben: Als "Bruttoeinnahme" zählt bei ihnen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft (also auch für 2 oder mehr Personen) ausschließlich die Regelleistung von 374 Euro monatlich, was für 2012 Belastungsgrenzen von 89,76 Euro (2 %) beziehungsweise 44,88 Euro (1 %) ergibt. Kompliziert wird es, wenn einzelne Mitglieder der Gemeinschaft jeweils selbst krankenversichert (also nicht familienversichert) sind oder im Laufe des Jahres Verdienst aus Arbeit hinzukommt. Betroffene sollten sich bei ihrer Kasse Rat holen.

Und so wird ansonsten das Familieneinkommen 2012 berechnet:

Bruttoeinnahmen des Versicherten, seines Ehe-/Lebenspartners und der familienversicherten Kinder

minus 4.725 Euro für den Ehepartner (über das für allein Erziehende mit einem Angehörigen geltende spezielle Recht informieren die Krankenkassen)

minus 7.008 Euro für jedes (weitere) Kind

= Berechnungsgrundlage für die 2%- oder 1%-Belastungsgrenze.

In Euro und Cent sieht das bei einer Familie mit einem Kind zum Beispiel so aus: Bruttoeinnahmen 2012: Arbeitsverdienst Eheleute: 30.000 €; Arbeitslosengeld: 1.800 €; Zinseinnahmen: 600 € – gesamt: 32.400 €. Minus Abschlag Ehepartner: 4.725 €, minus Abschlag Kind: 7.008 €. Endsumme: 18.267 €. – Belastungsgrenze im Jahr 2012: 2 Prozent: 365,34 €, 1 Prozent: 182,67 €.

Haben die Zuzahlungen die individuelle Belastungsgrenze für das Jahr 2012 überschritten, so wird der übersteigende Betrag von der Krankenkasse erstattet. 2013 geht die Prozedur dann von vorne los. Doch können chronisch kranke Versicherte mit ihrer Krankenkasse vereinbaren, entsprechend dem voraussichtlichen Einkommen bereits die einprozentige Zuzahlung komplett im Voraus zu leisten und im Gegenzug die Befreiungsbescheinigung schon im laufenden Jahr erhalten. Das wird insbesondere bei Rentenempfängern so gehandhabt, weil deren Einkommen ja inzwischen (fast) "statisch" ist.

Als Nachweis der Zuzahlungen dienen Einzelquittungen (mit Namensangabe) oder die Eintragung in dem von der Krankenkasse ausgegebenen Quittungsheft. – Zuzahlungen zum Zahnersatz rechnen bei der Ermittlung der Belastungsgrenze übrigens nicht mit; hier gelten spezielle Einkommensgrenzen. Kosten für selbst beschaffte Arzneien bleiben völlig außen vor.

Welche Zuzahlungen werden bei der Ermittlung der Belastungsgrenze berücksichtigt? Beispielsweise Zuzahlungen zu

  • Arzneien und Heilmitteln
  • Fahrkosten (maximal 10 € pro Fahrt
  • Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl, Gehhilfen)
  • stationären Krankenbehandlungen
  • einer Haushaltshilfe
  • häuslicher Krankenpflege

Wichtig auch: Zuzahlungen, die bei der Krankenkasse verblieben sind, können gegebenenfalls Steuern sparen helfen. Das ist dann der Fall, wenn die Eigenanteile von 2 beziehungsweise 1 Prozent des Bruttoeinkommens den Betrag übersteigt, den das Steuerrecht als "zumutbare Belastung" ansieht. Dafür kommt es auf den Familienstand, die Kinderzahl und die Höhe des Einkommens an.

Beispiel: Eine Familie mit drei Kindern und einem Jahres-Brutto von 30.000 Euro (Werbungskosten vorher abgezogen) muss 1 Prozent davon = 300 Euro im Jahr an Krankheitsaufwendungen selbst tragen. Beträgt die Belastungsgrenze in der Krankenversicherung für diese Familie 2 Prozent, so können Krankheitskosten zwischen 301 und 600 Euro vom steuerpflichtigen Einkommen heruntergerechnet werden.