Sachmängel: Nutzungsentschädigung bei Ersatzlieferung

Die Frage ist höchst brisant: Sie haben ein Produkt eingekauft und stellen ein Jahr nach dessen Lieferung fest, dass es mangelhaft ist. Entsprechend Ihrer gesetzlichen Ansprüche (Paragraphen 437, 439 BGB) verlangen Sie von Ihrem Lieferanten Ersatzlieferung, d. h. Die Lieferung eines neuen Produkts gegen Rückgabe des mangelhaften Produkts. Ihr Lieferant erklärt sich hierzu auch bereit, verlangt aber für die einjährige Nutzung des mangelhaften Produkts eine Nutzungsentschädigung. Müssen Sie diese Nutzungsentschädigung zahlen?
Nutzungsentschädigung "vor Gericht"
Das Gesetz ist "eigentlich" eindeutig: § 429 Absatz 4 BGB verweist hinsichtlich der Rückgewähr der mangelhaften Sache auf die §§ 346 bis 348 BGB, und § 346 Absatz 1 BGB wiederum regelt, dass die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben sind. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssten Sie als Einkäufer also eine Nutzungsentschädigung für das mangelhafte zurückgewährte Produkt bezahlen.
Praxisbeispiel "Nutzungsentschädigung"
Eine Käuferin hatte für ihren privaten Bedarf ein "Herd-Set" zum Preis von 534,90 € gekauft. 1 ½ Jahre nach der Lieferung stellte die Käuferin fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen gelöst hatte. Sie verlangte von dem Versandhandelsunternehmen die Lieferung eines neuen Backofens, woraufhin das Unternehmen zwar umgehend einen neuen Backofen lieferte, jedoch für die Nutzung des ursprünglich gelieferten Backofens eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 67,97 € verlangte.
Die Käuferin zahlte zwar den Betrag, doch ein Verbraucherverband wollt diesen Sachverhalt endgültig klären lassen und verklagte das Versandhandelsunternehmen auf Rückzahlung der 67,97 € an die Käuferin und außerdem, es zukünftig zu unterlassen, im Falle einer Ersatzlieferung eine Nutzungsentschädigung zu verlangen.

Die Vorinstanz gab der Käuferseite Recht
Landgericht und Oberlandesgericht Nürnberg ignorierten mehr oder weniger den Wortlaut des Gesetzes und nahmen folgende "wertende Betrachtung" vor: Die Rechtslage bei Rücktritt und Ersatzlieferung sei nicht zu vergleichen, und anders als bei Rücktritt sei es bei der Ersatzlieferung nicht gerechtfertigt, dem Käufer eine Nutzungsentschädigung aufzuerlegen.

Rechtslage ist weiter unklar
Allerdings muss abgewartet werden, ob sich der Bundesgerichtshof (BGH) dieser Entscheidung anschließt. Es gibt Überlegungen, dass das Gesetz gegen EU-Richtlinien verstößt und das Urteil dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Überprüfung vorgelegt. Auch die Auswirkungen für den B2B-Bereich sind noch unklar. Spannend wird die Entscheidung des BGH in jedem Fall. (BGH-Entscheidung vom 16. August 2006, Az.: VIII ZR 200/05, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de unter "Entscheidungen".)