Gehalt: Immer noch ein Geheimnis

Es ist ein echtes Tabu-Thema: das Gehalt. Und deshalb interessiert es immer wieder, wie viel die Kollegen verdienen. Man möchte wissen, ob man "gerecht" bezahlt wird, denn schließlich sitzt man meist länger im Büro als die Kollegen.

Gehalt: Was rechtfertigt die Höhe
Anwesenheitszeit ist aber nicht unbedingt gleich Arbeitszeit. Zum Überprüfen der Leistung gibt es sinnvollere Messlatten. Effektivität, Kreativität, Kundenfreundlichkeit – was immer im jeweiligen Job entscheidend sein kann.

Werden die Gehälter aber gegenseitig offen gelegt, dann stellt man vielleicht fest, dass man entweder weit über oder weit unter dem Gehalt der Kollegen liegt. Das Resultat: Neid – oder gar Mitleid.

Die Geheimnis-Tuerei beginnt allerdings bereits bei den Stellenausschreibungen. Im Gegensatz zu den USA und England werden bei uns keine Zahlen genannt. Dort hingegen weiß der Bewerber von Anfang, an in welcher Bandbreite sich sein zukünftiges Gehalt bewegt.

Warum gibt es um das Gehalt ein Geheimnis?
Viele Personalchefs gehen aus Angst vor endlosen Diskussionen und lästigem Rechtfertigungsbedarf dem Thema "Offenheit bei Gehältern" aus dem Weg: "Das hat man bei uns noch nie gemacht", lautet die bequeme Ausrede. Nicht zuletzt möchte sich die Personalabteilung auch nicht der Möglichkeit berauben, mit häppchenweisen Belohnungen eine gewisse Machtfülle zu sichern.

Die Befürchtung, dass bei gleicher Bezahlung eine Art "Sozialismus" herrscht und die Leistungen sich dann auf niedrigem sozialistischem Niveau einpendeln, hat sich in der Praxis als unberechtigt herausgestellt. Studien zeigen nämlich, dass in Abteilungen, in denen alle das gleiche Gehalt erhalten, effektiver und motivierter gearbeitet wird. Und wenn alle über das Gehalt der Kollegen informiert sind, bricht noch lange keine Palastrevolution aus.

Dass dies keine Theorie ist, beweist die amerikanische Naturkost Firma Whole Foods Market. Seit 13 Jahren gehört sie zu den "100 Best Companies to Work For". Jeder der 53000 Mitarbeiter dort erhält Einsicht in die Gehaltsliste sämtlicher Angestellter – vom Pförtner bis zum Geschäftsführer. Das Unternehmen zahlt nach leistungsbezogenen, klar dokumentierten Kriterien. Dazu der Geschäftsführer: "Neue Mitarbeiter tun sich manchmal schwer damit, dass sie letztlich allein die Kontrolle über ihr Gehalt haben".

Nun, Neues ist immer gewöhnungsbedürftig. Wenn es aber zum Erfolg führt, dann gewöhnt man sich wohl schnell an neue, bislang ungewohnte Regeln.

Das Ende vom Gehalts-Geheimnis
Firmen, die in Arbeitsverträgen den Mitarbeitern verbieten, über ihr Gehalt zu sprechen, müssen ohnehin umdenken.

Denn die Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam, verkündete ein Arbeitsgericht. Die Begründung: mit einer solchen Klausel werde der Mitarbeiter daran gehindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Bezahlung aufzudecken – und entsprechende Forderungen zu stellen. Warum also nicht direkt mit offenen Karten spielen?