Unterschiede von USA und Deutschland: Interkulturell betrachtet

Ein interkulturelles Training für die USA besuchen? Diese Frage wird öfter gestellt, mit dem Gedanken "Das ist doch unnötig!". Sprechen wir doch alle Englisch, ist die USA doch ein Land mit einer kurzen und durchaus von Europäern geprägten Geschichte, sind Amerikaner sehr höflich und zuvorkommend – große Unterschiede sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Gibt es sie dennoch?

Wir finden durchaus Gemeinsamkeiten in der deutschen und der amerikanischen Kultur: Beide Kulturen sind sehr "abschlussorientiert", d.h. im Vergleich zu den meisten asiatischen Kulturen wird auf den Aufbau persönlicher Beziehungen als Voraussetzung zum Geschäftsabschluss weniger Wert gelegt.

Darüber hinaus kommunizieren wir beide "kontextunabhängig", also sehr explizit und direkt. "Um den heißen Brei herumreden" ist sowohl in den USA als auch in Deutschland unüblich. Allerdings gibt es in der Ausprägung schon entscheidende Unterschiede, wie zum Beispiel die Art und Weise eine Präsentation durchzuführen.

Für uns Deutsche zählen Fakten und Hintergründe, für Amerikaner soll eine Präsentation in erster Linie motivieren und begeistern. Es dauert ihnen viel zu lange, bis wir endlich zum Ziel kommen. Oder Amerikaner empfinden unsere Art, Kritik zu üben, als sehr unhöflich und verletzend – auch hier versuchen Amerikaner eine positive Formulierung zu finden.

Worin liegen aber die kulturellen Unterscheide?

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein Einwanderungsland: Jeder, der als Immigrant in die USA kam, musste und wollte ganz neu anfangen. Es boten sich unendlich viele Möglichkeiten im "land of the free". Risikobereitschaft ermöglicht es jedem, seinen Platz in der Gesellschaft selbst zu finden und zu bestimmen. Das bedeutet auch, dass sich ein hoher Grad an Individualismus herausbilden konnte.

Prägend für die Amerikaner ist der Gedanke von Jean-Jacques Rousseau, dass eine Gesellschaft hocheffizient und dynamisch wird, wenn jeder an das Gute im anderen Menschen glaubt. Das Vertrauen in andere macht Zweifel und Vorurteile zum Teil hinfällig und ermöglicht gleichzeitig einen Prozess schneller Entscheidungen – beste Voraussetzung, eine neue Nation aufzubauen. "Time is money" mag hier seine Entsprechung finden.

Dazu im Unterschied zu Deutschland: Hier herrscht der Wunsch nach Sicherheit, nach Ordnung und Perfektionismus vor. Die Wurzeln liegen dem Verharren in kleinen Territorialstaaten, einem starken Glauben an die Lehren eines protestantisch geprägten Wirtschaftssystems und die existenziellen Erschütterungen "längerer Phasen des Krieges". Im Dreißigjährigen Krieg etwa verlor Deutschland ca. 35 % seiner Bevölkerung, dann folgten die napoleonischen Kriege, der Deutsch-Österreichische Krieg, zwei Weltkriege und das Trauma des Holocaust.

Im Vergleich dazu: In den USA gab es nur einen Krieg, den amerikanischen Bürgerkrieg, dem 2 % der Bevölkerung zum Opfer fielen. Und bei folgenden Kriegen war die Bevölkerung selber nie so direkt betroffen, da diese Kriege nicht auf amerikanischem Territorium stattfanden.

Wie äußert sich das in der Gegenwart?

Das mag erklären, warum wir Deutsche Strukturen schätzen, sehr sachorientiert und diszipliniert sind. Ohne diese Eigenschaften wäre ein Umgang mit existenziellen Erschütterungen kaum möglich gewesen.

Ganz anders in den USA: Hier gibt es Platz im Überfluss. Das Zusammenleben ist auch hier geregelt, aber viel weniger internalisiert, als das in Deutschland der Fall ist. Gäste sind kein "Einbruch" in die Privatsphäre und Einladungen sind weniger formell als bei uns. Auch in den Büros sind offene Türen selbstverständlich und sollen die Kommunikation erleichtern und die Gleichheit aller Mitarbeiter symbolisieren.

Hier wird deutlich: Will ich mehr über das Orientierungssystem einer anderen Kultur wissen, muss ich mich auch mit den Hintergründen beschäftigen. Selbst wenn mir einzelne Rituale oder Regeln nicht bekannt sind, kann ich sie in einen Gesamtkontext setzen und so leichter begreifen.