Müssen Sie sich während eines Streiks beleidigen lassen?

Neigen Sie auch manchmal dazu, alles auf die Goldwaage zu legen? Wenn ja, sollten Sie sich das insbesondere dann abgewöhnen, wenn Ihr Unternehmen bestreikt wird. Denn dann können Äußerungen, die man durchaus als Beleidigung empfinden kann, vom Recht der Meinungsfreiheit im Arbeitskampf gedeckt sein. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des LAG Düsseldorf.

Das LG Düsseldorf hatte in zweiter Instanz im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Ein Arbeitgeber hatte während der Laufzeit eines Tarifvertrages seine Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft (Mitgliedschaft ohne Tarifbindung) gewechselt. Im Rahmen der folgenden Tarifauseinandersetzungen skandierten die streikenden Arbeitnehmer Sprechchöre in Reimform.

Dabei äußerten sie unter anderem, dass der Arbeitgeber sie "betrüge" und "bescheiße". Teile der Reime wurden von einem Gewerkschaftssekretär per Megaphon vorgesprochen. Auch im Übrigen schritten der anwesende Gewerkschaftssekretär nicht gegen diese Äußerungen ein.

Der Arbeitgeber nutzte diese Form des Rechtsschutzes

Der Arbeitgeber verlangte dann zunächst vor dem Arbeitsgericht, und als dieses seinem Antrag nicht stattgab, vor dem Landesarbeitsgericht, Unterlassung dieser Äußerungen und die Einwirkung auf die Streikenden, solche Äußerungen in Zukunft zu unterlassen. Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Arbeitgeber jedoch keinen Erfolg (LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.8.2012, Az.: 8 SaGa 14/12).

Keine Beleidigung während des Streiks

Grundsätzlich kann die Äußerung, jemand "betrüge" und "bescheiße" strafrechtlich relevant sein. Dazu muss es sich dabei um eine Tatsachenbehauptung handeln. Und genau das nahmen sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht in diesem Fall nicht ein. Das LAG hat die Äußerungen als zugespitzte Äußerungen während eines Arbeitskampfes gewertet.

Die Arbeitnehmer hätten damit in zulässiger Weise während des Arbeitskampfes ausdrücken wollen, dass sie sich durch den Wechsel des Arbeitgebers in eine OT-Mitgliedschaft betrogen gefühlt hätten. Diese zugespitzten Äußerungen waren im Rahmen der Meinungsfreiheit noch erlaubt.

Meine Empfehlung für Sie: Natürlich lässt sich niemand gerne einen Betrüger schimpfen. Auf der anderen Seite ist es manchmal besser, zunächst über die Angelegenheit zu schlafen und nicht gleich gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Solche Äußerungen im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen sind zugegebenermaßen unschön, verschwinden aber auch schnell wieder aus dem Bewusstsein der Bevölkerung.

Selbst wenn in den Nachrichten darüber berichtet wird, wird der größte Teil der Bevölkerung die Äußerung spätestens am dritten Tag vergessen haben. Demgegenüber hat der Arbeitgeber in dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf alles dafür getan, die Position der Gewerkschaft stärken. Natürlich sind diese Entscheidungen Wasser auf den Mühlen der Gewerkschaft, unterstützt nicht zuletzt durch die Pressemitteilungen der Gerichte.

Vor diesem Hintergrund wäre es für den Arbeitgeber vermutlich besser gewesen, überhaupt nicht auf die Äußerungen zu reagieren. Bevor Sie gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, sollten Sie also das Für und Wider sehr genau abwägen.