Krank nach Kündigung: Vorsicht mit erneuter fristloser Kündigung

Das kennen Sie sicherlich auch: Sie mussten einen Mitarbeiter kündigen und prompt wird er krank. Aber Vorsicht, wenn Sie jetzt im verständlichem Ärger gleich noch eine fristlose Kündigung hinterher schieben. Denn dies kann – wie ein Urteil des Hessischen LAG zeigt – für Sie nach hinten losgehen. Wie viel Verständnis die Richter für die gekündigte Mitarbeiterin hatten, lesen Sie hier.

Es ging um die Kündigung einer Mitarbeiterin in einer Rechtsanwaltskanzlei. Sie war von ihrem Arbeitgeber fristgemäß gekündigt worden. Nach Aushändigung der Kündigung verließ der Arbeitgeber die Kanzlei. Als er wieder kam, stellte er fest, dass die Mitarbeiterin die ihr gehörenden Sachen aus dem Büro entfernt hatte. Darüber hinaus war sie nicht mehr an Ihrem Arbeitsplatz. Am nächsten Tag erhielt er die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem Ausspruch der Kündigung. Die Mitarbeiterin war bis zum Ende der Kündigungsfrist krankgeschrieben. Daraufhin kündigte der Anwalt das Arbeitsverhältnis erneut, diesmal fristlos.

Er begründete die fristlose Kündigung damit, dass die Arbeitsunfähigkeit in Wahrheit gar nicht bestanden habe, es handele sich um ein Gefälligkeitsattest. Sie habe, nachdem er das Büro verlassen habe, gleichfalls den Arbeitsplatz verlassen. Da es sich bei dem Attest um ein Gefälligkeitsattest gehandelt hat, habe sie an diesem Tag folgerichtig unentschuldigt gefehlt. Darüber hinaus habe die Mitarbeiterin eine wichtige Akte für einen auswärtigen Termin nicht herausgelegt.

Die Mitarbeiterin erhob Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung und gewann gegen ihren Ex-Arbeitgeber sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht (Hessisches LAG, Urteil vom 1.12.2012, 7 Sa 186/12).

Hoher Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Richter gingen davon aus, dass der Arbeitgeber den hohen Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert habe. Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens obliege ihm aber die volle Beweispflicht dafür, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorlag. Diesen Beweis habe er nicht erbracht.

Die Richter wiesen insbesondere darauf hin, dass es nicht unüblich oder ungewöhnlich sei, dass ein Mitarbeiter nach Erhalt einer Kündigung Beschwerden in der von der Mitarbeiterin beschriebenen Art (Kopfschmerzen, Weinkrämpfe, Übelkeit bis zum Erbrechen) habe. Auch, dass diese für eine zweiwöchige Arbeitsunfähigkeit sorgen, sei mindestens vorstellbar. Das gilt unabhängig davon, ob dem Kündigungsgespräch noch ein besonderer Konfliktcharakter innewohnt, oder ob es sich um ein "normales" Gespräch gehandelt hat.

Selbst der Umstand, dass die Mitarbeiterin noch am Tag des Erhalts der fristgemäßen Kündigung ihre persönlichen Gegenstände aus dem Büro entfernte, reichte den Arbeitsrichtern nicht. Der Arbeitgeber war verständlicherweise anderer Ansicht. Schließlich habe sie ja noch nicht wissen können, dass sie die kommenden zwei Wochen bis zum Ende der Kündigungsfrist arbeitsunfähig sei. Auch ein Beweisantrag des Arbeitgebers, nämlich die Einholung eines medizinischen Gutachtens, half ihm nicht weiter. Die Richter erhoben den Beweis aus beweisrechtlichen Gründen gar nicht erst.

Krank nach Kündigung – was Sie als Arbeitgeber tun können

Dieses Urteil ist für viele Arbeitgeber problematisch. Es besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter es quasi als Freibrief verstehen, sich nach Erhalt einer Kündigung krankschreiben zu lassen. Und die Beweispflicht dafür, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, liegt voll bei Ihnen. Können Sie diesen Beweis nicht erbringen, wird ihr ehemaliger Mitarbeiter eine zulässige Kündigungsschutzklage gegen einen von Ihnen ausgesprochene fristlose Kündigung gewinnen.

Für Sie als Arbeitgeber bleibt in einer solchen Situation nur der Weg, möglichst viele objektive Anhaltspunkte dafür zu sammeln, dass der Mitarbeiter nicht tatsächlich krank ist. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Äußerungen wie "Jetzt lass ich mich krankschreiben", die Ankündigung, man lasse sich krankschreiben, wenn man nicht bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt werde oder ähnliches. Solche Formen der Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit sollten umgehend dokumentiert werden, gegebenenfalls durch Notizen von anwesenden Zeugen.

Für Sie als Arbeitgeber kann dies bedeuten, dass es sinnvoll ist, einen Zeugen zu dem Kündigungsgespräch hinzu zu ziehen, wenn mit solchen Ankündigungen zu rechnen ist. Auch die sofortige Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit ist einen Versuch wert.