Fristlose Kündigung wegen 1. Strophe der Nationalhymne unwirksam

Kündigungsrecht treibt mitunter skurrile Blüten. Das LAG Köln hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem ein Mitarbeiter wegen des Singens der ersten Strophe der Nationalhymne fristlos gekündigt war. Das Pikante dabei war, dass er seine künstlerische Darbietung gab, als anglo-amerikanische Geschäftspartner seines Arbeitgebers anwesend waren. Die fristlose Kündigung war jedoch unwirksam.

Der Mitarbeiter war seit fast 30 Jahren in dem Unternehmen beschäftigt. Das trug sicherlich dazu bei, die fristlose Kündigung für unwirksam zu erachten. Denn bei jeder fristlosen Kündigung ist auch eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Dabei sind sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerinteressen gegeneinander zu gewichten. Eine lange Betriebszugehörigkeit ohne vorherige Vorfälle kann bei dieser Interessenabwägung vor einer fristlosen Kündigung sehr zu Gunsten des Arbeitnehmers sprechen.

Nationalhymne wegen "Kölscher Frohnatur"?

In dem Fall war es so, dass anglo-amerikanische Geschäftspartner des Arbeitgebers den Betrieb besuchten, als der Mitarbeiter die erste Strophe der Nationalhymne sang. Eine besondere Veranlassung dazu gab es nicht. Er führte dies auf seine "Kölsche Frohnatur" zurück. Allerdings teilte der Arbeitgeber diese Kölsche Frohnatur nicht. Er kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß.

Mehr Verständnis fand der Arbeitnehmer bei den Richtern des Landesarbeitsgerichts Köln, die im Ergebnis entschieden, dass die fristlose Kündigung unwirksam war. In diesem Fall hätte es nach ihrer Auffassung als milderes Mittel einer Abmahnung gegeben. Im konkreten Fall wäre daher statt der fristlosen Kündigung nur eine Abmahnung möglich gewesen (LAG Köln, Urteil vom 22.11.2012, Aktenzeichen 6 Sa 760/12).

Bewusste Schädigung des Arbeitgebers kann zur fristlosen Kündigung führen

Die Richter stellten zunächst fest, dass der Mitarbeiter selbstverständlich verpflichtet ist, die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers nicht zu schädigen. Dabei kann auch die einmalige bewusste und gewollte Geschäftsschädigung an sich einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen.

Für das Gericht bestanden allerdings im konkreten Fall schon grundlegende Zweifel, ob der Arbeitnehmer bei dem Mitsingen der Nationalhymne, angeblich der ersten Strophe, eine Schädigungsabsicht gegenüber seinem Arbeitgeber verfolgte oder ob dies eher gedankenlos geschah und seiner "Kölschen Frohnatur" zuzuschreiben war. Jedenfalls fehlten dem Gericht greifbare Ansatzpunkte dafür, dass es dem Arbeitnehmer um eine Schädigung des Arbeitgebers ging.

Was ist für eine fristlose Kündigung entscheidend?

Bei einer fristlosen Kündigung ist entscheidend, ob dem Kündigenden (in der Regel der Arbeitgeber) das Abwarten der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Dabei sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung etwa im Hinblick

  • auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts
  • ihre wirtschaftlichen Folgen
  • der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers
  • eine mögliche Wiederholungsgefahr
  • sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen.

Ein konkreter Schaden war in dem Fall des LAG Köln nicht eingetreten. 

Vor diesem Hintergrund hielten die Richter eine fristlose Kündigung für überzogen. Sie gingen davon aus, dass der Arbeitnehmer auch bei einer Abmahnung ein solches Fehlverhalten nicht wiederholt hätte. Konsequenterweise war dann die fristlose Kündigung für unwirksam zu erklären.

Was Sie bei einer fristlosen Kündigung besser beachten

Arbeitgeber sind mit einer fristlosen Kündigung oft relativ schnell bei der Hand. Aber nicht immer schon dann, wenn Sie sich über einen Mitarbeiter geärgert haben, ist eine fristlose Kündigung wirksam. Denn diese ist wirklich für Ausnahmefälle vorgesehen. Daher werden fristlose Kündigungen in den meisten Fällen von den Arbeitsgerichten auch "kassiert". Beachten Sie daher unter anderem folgende Tipps, bevor Sie eine fristlose Kündigung aussprechen:

  • Sprechen Sie bei jeder fristlosen Kündigung immer hilfsweise eine ordentliche, fristgemäße Kündigung aus.
  • Wenn es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat gibt, so hören Sie ihn ausdrücklich zur ordentlichen und zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung an.
  • Vermeiden Sie jeden "Schnellschuss". Für eine fristlose Kündigung haben Sie zwei Wochen Zeit, nachdem Ihnen die grundlegenden Tatsachen bekannt geworden sind. Schlafen Sie eine Nacht über den Vorfall und informieren Sie sich, bevor Sie eine fristlose Kündigung aussprechen, die hinterher vom Arbeitsrecht für unwirksam erachtet wird.