Wie gehe ich nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall vor?

Wenn es mal wieder gekracht hat und offenbar auch der andere schuld ist (besser: vollumfänglich haftet), sind viele Geschädigte oft verunsichert, was die Geltendmachung von Ansprüchen betrifft und vor allem: über wen. Der Beitrag soll die wichtigsten Problemzonen bei der Abwicklung nach einem Verkehrsunfall beleuchten. Bisweilen sind Verzögerungsversuche im Zuge der Bearbeitung angesagt.

Beauftragung eines Rechtsanwalts

Zunächst hat jeder Geschädigte das Recht, bei vollumfänglicher und vorher festgestellter Haftung des Unfallgegners die Befugnis, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um auf "Augenhöhe" mit der gegnerischen Versicherung mit hoher Fachkompetenzen verhandeln zu können. Keinem – auch sonst noch so gebildeten – Autofahrer ist es zuzumuten, quasi schnell einen Kursus im Kfz-Schadensersatzrecht zu absolvieren.

Zwar muss die Involvierung eines Advokaten bzgl. der geltend zu machenden Schadenersatzforderungen (betrifft erst mal Sachschäden, also die Reparatur des verbeulten Autos, aber eventuell auch Personen- und womöglich gar Vermögensschäden). In diesem Artikel betrachten wir nur die gängigen Ansprüche auf Reparaturkostenersatz, Mietwagen, Wertminderung sowie Sachverständigenkosten.

Vorgehen nach Verkehrsunfall: Beauftragung eigener Sachverständiger

Entgegen der weit verbreiteten Meinung dürfen Geschädigte auch eigenverantwortlich einen Gutachter zu angemessenen Gebühren beauftragen, sofern zwei Dinge beachtet werden: Die Beauftragung muss notwendig sein und es sollte eine Bagatellgrenze im Bereich von ca. 800 € (incl. MwSt.) nicht unterschritten werden.

Ansonsten sollte der Autofahrer sich auf keinen Fall darauf einlassen, einen Gutachter der Versicherungsgesellschaft zu akzeptieren. Ohne hierbei irgendetwas pauschalieren zu wollen – geschweige denn zu unterstellen – ist allgemein die Befürchtung nicht ganz unbegründet, dass die Schadenfeststellung, vor allem, was die Höhe betrifft, nicht unbedingt "im Sinne des Kunden" ausfallen könnte

Darum nur im Notfall zunächst die eigene Kaskoversicherung beanspruchen mit anschließender Regressdurchführung, denn es ist mit zweierlei Problematik zu rechnen: Erstens kann es sein, dass der eigene Kaskoversicherer nicht alle Ansprüche regressieren darf (z.B. den Selbstbehalt, dann eine merkantile Wertminderung, dann persönliche Ansprüche wie z.B. ein Schmerzensgeld oder einen Haushaltsführungsschaden). Dies gilt übrigens auch für gewerbliche Kunden, wo oft ein erweitertes Know-how im Bereich Kfz-Versicherungs- und Schadenabwicklung besteht

Reparatur/Reparaturkostenersatz

Im Zuge der Naturalrestitution nach § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches hat der Geschädigte Anspruch auf Erstattung der vollumfänglichen Reparaturkosten, übrigens auch auf die Verrechnungssätze einer Werkstatt des Herstellers. Zwar hat der Anspruchsteller – wie übrigens bei allen anderen Forderungspositionen – die sog. Schadenminderungspflicht zu beachten, aber spätestens seit dem sog. "Porsche-Urteil" des BGH kann er die Reparatur in einer Vertragswerkstatt durchführen lassen oder dessen Verrechnungssätze erstattet bekommen – incl. der zu veranschlagenden Mehrwertsteuer, sofern der Eigentümer nicht zu einem entsprechenden Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Kritisch sind die Fälle eines (echten) wirtschaftlichen Totalschadens oder wenn der Eigentümer über Gutachten oder Kostenvoranschlag abrechnen möchte. Aufgrund der Komplexität dieser Konstellationen bleiben detaillierte Ausführungen hierzu einer späteren Veröffentlichung vorbehalten.  

Weitere Ansprüche, z.B. Wertminderung

Eine durch den Sachverständigen ausgewiesene (merkantile) Wertminderung ist ebenfalls zu entschädigen. Damit sollen Nachteile ausgeglichen werden, wenn der Wagen als Unfallfahrzeug zu klassifizieren ist und sich bei einer späteren Veräußerung (oder Leasingrückgabe, sofern das Fahrzeug einem Leasingvertrag unterliegt) finanzielle Nachteile ergeben könnten. Hier ist zweierlei zu beachten: Eine Wertminderung wird häufig erst ab einem Schaden von über 1.000 € veranschlagt und steht immer dem wirtschaftlichen Eigentümer zu.

Ein weiteres Kriterium für eine Beanspruchung an sich könnte sein, dass infolge der Art und Komplexheit des Schadeneintritts eine vollständige "Naturalrestitution", also die gänzliche Herstellung des vorherigen Zustandes, nicht erreichen lässt. (Diese Problematik ist übrigens auch oft Streitthema bei Unfall mit einem sehr neuen Fahrzeug mit wenigen Kilometer auf dem Buckel). Was ebenso oft verkannt wird: Auch Transporter oder Nutzfahrzeuge haben Anspruch auf Ausgleich einer Wertminderung, nicht nur Personenfahrzeuge.

Ersatzfahrzeug, Nutzungsausfall und Vorhaltekosten

Für die Dauer der Reparatur oder Ersatzbeschaffung besteht ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für ein angemessenes Leihfahrzeug. Um Probleme bei Erstattung zu vermeiden, empfiehlt es sich hier wirklich, die Weisungen des Versicherers zu beachten, so z.B. auf Mietwagenangebote des Versicherers einzugehen.

Auf jeden Fall schreibt die Rechtsprechung vor, quasi ein Fahrzeug eine Kategorie tiefer zu wählen und vor allem, dass mit dem Mietwagen auch täglich eine hinreichende Strecke zurückgelegt werden soll. Ist der Geschädigte zur Nutzung überhaupt nicht in der Lage (z.B. weil er verletzt im Krankenhaus liegt) oder ist die tägliche Strecke aufgrund ihrer Kürze mit einem Taxi zu absolvieren, muss die leistende Assekuranz nur diese – oftmals geringeren – Kosten berappen.

Vorgehen nach einem Unfall:

An den Privatfahrer umgehend der dringende Rat: Bevor es Ärger gibt und für einige Tage der Verzicht auf den fahrbaren Untersatz vertretbar erscheint: Nehmen Sie lieber die sog. Nutzungsausfallentschädigung in Anspruch – ein "Autotagegeld", das je nach Fahrzeugart und -größe in immer wieder aktualisierten Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbuch geführt wird, sofern das Fahrzeug nicht zu alt.

Ab einem gewissen Alter muss man sich hier zwar auch mit dem Tagessatz der nächsten unteren Kategorie zufriedengeben und ab einem gewissen Alter gibt es nur mehr die sog. Vorhaltekosten. Sehr häufig gibt es – auch vor Gericht – Streit über diese Art der Entschädigung überhaupt und auch deren Höhe. Lassen Sie es lieber gar nicht darauf ankommen!

Die eben erwähnten Vorhaltekosten für gewerblich genutzte Fahrzeuge sind die theoretisch zu errechneten Kosten, die ein Fuhrparkbetreiber mit mehreren Fahrzeugen aufwenden muss, um den Ausfall eines Fahrzeuges sozusagen aufzufangen. Nur hierauf hat der Unfallgeschädigte eines gewerblichen Fahrzeuges Anspruch, sofern er nicht – was sehr mühsam ist – einen effektiv bezifferbaren Gewinnausfall nachweist.