Wie bindend ist die Leistungszusage der privaten Pflegeversicherung?

In einem Rechtsstreit vor dem Bundessozialgericht geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein privates Pflegeversicherungsunternehmen von Leistungszusagen lösen kann (vgl. auch Urteil vom 22.08.2001, B 3 P 4/01 R, BSG vom 22.08.2001 B 3 P 21/00 R -).

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der 1936 geborene Kläger ist Ruhestandsbeamter der Deutschen Bahn AG und bei der Beklagten privat pflegepflichtversichert. Seit 1997 erhielt er nach ärztlicher Begutachtung wegen der Folgen einer Multiplen Sklerose Pflegegeld nach der Pflegestufe III. In 1998 kam ein ärztlicher Gutachter bei einer Nachuntersuchung zu dem Ergebnis, dass lediglich die Pflegestufe II erreicht werde. Dies teilte die für die Beklagte handelnde Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) dem Kläger mit und setzte das Pflegegeld entsprechend herab. 

Mit der Klage, in der der Kläger auf seinen unveränderten Gesundheitszustand hinwies, hatte er vor dem SG Erfolg. Das SG hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich auch als privates Unternehmen nur unter den Voraussetzungen der § § 45, 48 SGB X von ihrer Leistungsverpflichtung lösen; diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Das LSG hat dagegen die Klage abgewiesen. Es hat festgestellt, dass der Kläger jedenfalls ab Juli 1998 tatsächlich nur die Voraussetzungen der Pflegestufe II erfülle. Das berechtige die Beklagte, ihre Leistungen für die Zukunft entsprechend zu reduzieren, ohne dass sie öffentlich-rechtliche Bindungen zu beachten habe.

Die beklagte Privatversicherung macht geltend, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers, dessen Krankheit in Schüben verlaufe, tatsächlich gebessert habe, so dass eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sei, die auch im öffentlichen Recht zu beachten sei.

Das Bundessozialgericht gab dem Kläger letztendlich Recht:

Bei unverändertem Gesundheitszustand konnte sich die Beklagte nicht von ihrer Leistungszusage lösen, selbst wenn ein späterer Gutachter zu dem Ergebnis gekommen ist, es lägen nur die Voraussetzungen der Pflegestufe II vor. Bei einer Besserung des Gesundheitszustandes wäre das private Pflegeversicherungsunternehmen allerdings nicht gehindert, seine Leistungen anzupassen. Das folgt zwar nicht – wie das SG gemeint hat – aus einer Anwendung von § 48 SGB X, wohl aber aus dem anerkannten zivilrechtlichen Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Das Bundessozialgericht stellte fest, dass die Vorschriften des SGB X auf Privatversicherungen keine Anwendung finden, sondern das zivilrechtliche Vertragsrecht nach dem Versicherungsvertragsgesetz. Nach den Vertragsbedingungen ist über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit ein Gutachten eines von dem Versicherer beauftragten Sachverständigen einzuholen, das nach § 64 VVG für die Parteien bindend ist, sofern es nicht offensichtlich unrichtig ist. Eine gerichtliche Feststellung findet erst in diesem Ausnahmefall statt oder wenn das sog. Schiedsgutachterverfahren aus anderen, in § 64 VVG erwähnten Gründen versagt hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil der von der privaten Pflegeversicherung beauftragte Gutachter bislang nicht nach einer Änderung des Zustandes gefragt worden ist und sich dazu auch nicht geäußert hat. 

Für die Praxis ist es daher wichtig darauf zu achten, dass der Gutachter sich genau zur der Frage der Besserung der Krankheit äußert. Gegebenenfalls sollt dann Schiedsgutachterverfahren eingeleitet werden. Hierbei müssen die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes beachtet werden und nicht die Vorschriften des SGB X.