Erkrankungen oder Unfälle kommen unverhofft und meist ohne Vorankündigung. Wenn Sie noch vor wenigen Wochen glaubten, Ihre Arbeit bis zum Eintritt der Altersrente ausüben zu können, kann sich diese Situation schnell ändern. Neben den Folgen von Unfallverletzungen führen vor allem psychische Erkrankungen wie Burn-out und Depressionen sowie orthopädische Krankheitsbilder häufig zur Erwerbsunfähigkeit lange vor der regulären Altersrente.
Als Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung genießen Sie dann Anspruch auf die finanzielle Absicherung durch eine Erwerbsminderungsrente. Voraussetzung ist jedoch, dass die Deutsche Rentenversicherung Ihre Erwerbsminderung anerkennt. Dieses Thema beschäftigt viele Menschen im Berufsleben.
Was bedeutet „verminderte Erwerbsfähigkeit“?
Nach der Definition der Deutschen Rentenversicherung liegt eine verminderte Erwerbsfähigkeit vor, wenn Sie aufgrund einer psychischen oder physischen Erkrankung die Fähigkeit zur Erlangung des Lebensunterhalts durch Berufstätigkeit ganz oder teilweise verlieren. Ob und in welchem Umfang das der Fall ist, bestimmt die Rentenversicherung auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens.
Doch bevor Sie einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung stellen, müssen Sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, die dazu beitragen können, Ihre Gesundheit wieder herzustellen und eine Erwerbsminderung zu vermeiden. Das bedeutet, dass Sie sich wegen Ihrer Erkrankung bereits in ärztlicher Behandlung befinden und in diesem Zusammenhang schon verschiedene Therapiemethoden angewendet wurden.
Ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente
Fühlen Sie sich auch nach Anwendung verschiedener Therapien nicht mehr in der Lage, Ihrer Arbeit nachzugehen, bleibt Ihnen oft kein anderer Ausweg, als einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen. Diese Notwendigkeit besteht spätestens dann, wenn Sie bereits seit 18 Monaten Lohnfortzahlung und Krankengeld beziehen und als ausgesteuert gelten. Bei der Antragstellung sind Ihnen die Rentenämter der Stadt- und Gemeindeverwaltungen behilflich. Dort erhalten Sie auch das notwendige Formular für Ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Reha vor Rente
Die Grundregel bei der Beantragung der Erwerbsminderungsrente lautet „Reha vor Rente“ und besagt, dass der Rentenversicherer zunächst prüft, ob eine Chance besteht, Ihre Erwerbsfähigkeit durch eine Maßnahme der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation wiederherzustellen. Kommt der Rentenversicherer zu dem Ergebnis, dass eine Reha-Maßnahme Erfolg versprechend ist, müssen Sie diese Möglichkeit wahrnehmen.
Stellt sich am Ende der Rehabilitationsmaßnahme heraus, dass eine Heilung oder Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht möglich ist, unterstützt die Rehabilitationseinrichtung Sie bei der Beantragung der Rente und erstellt ein ärztliches Gutachten über Ihren Gesundheitszustand.
Volle Erwerbsminderungsrente oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
Aus dem ärztlichen Gutachten geht auch hervor, ob Sie aufgrund Ihrer Erkrankung voll oder teilweise erwerbsgemindert sind. Die Voraussetzung für eine volle Erwerbsminderung ist gegeben, wenn Sie weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können. Reicht Ihre Gesundheit aus, um zwischen drei und sechs Stunden täglich Ihrer Arbeit nachzugehen, sind Sie teilweise erwerbsgemindert und haben Anspruch auf eine um 50 Prozent gekürzte Rente.
Gilt der Teilzeit-Arbeitsmarkt in Ihrem Fall als verschlossen, sodass Sie nachweislich keine angemessene Teilzeitstelle zur Ergänzung Ihrer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung finden, kann die Rentenversicherung eine sogenannte Arbeitsmarktrente bewilligen. In diesem Fall erhalten Sie die volle Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente
Selbst wenn der Rentenversicherer Ihre volle oder teilweise Erwerbsminderung anerkennt, müssen Sie für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung Wartezeiten in der Rentenversicherung erfüllen. Das bedeutet, dass Sie seit mindestens fünf Jahren Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben müssen. Darüber hinaus müssen drei beitragspflichtige Jahre in die letzten fünf Jahre vor der Beantragung der Rente fallen.
Zur Wartezeit zählen auch
- Pflichtbeitragszeiten aus dem Bezug von Krankengeld, Arbeitslosengeld, Kindererziehungsgeld und Übergangsgeld sowie aus freiwilligen Beitragszeiten und aus der nicht erwerbsmäßigen, häuslichen Pflege
- Ersatzzeiten für Beitragsausfälle, die Sie nicht zu vertreten haben
- Zeiten aus einem Versorgungsausgleich
- Zeiten einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung
- Zeiten aus Rentensplitting.
Die Wartezeit kann vorzeitig erfüllt sein, wenn die Erwerbsminderung
- durch einen Arbeitsunfall
- eine Berufskrankheit
- im Rahmen des Wehr- oder Zivildienstes
- in Folge politischen Gewahrsams
verursacht wurde. In diesem Fall beschränkt sich die Wartezeit auf einen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Tritt die volle Erwerbsminderung innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung der Berufsausbildung ein, reicht es aus, wenn Sie innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Rentenantrag zwölf Monate lang Beiträge gezahlt haben.
Ablehnung der Erwerbsminderungsrente und abstrakte Verweisung
In der gesetzlichen Rentenversicherung besteht die Möglichkeit zur abstrakten Verweisung in eine andere als Ihre bisherige berufliche Tätigkeit. Stellt sich im Rahmen der Begutachtung heraus, dass Sie zwar Ihren bisherigen Beruf aufgrund Ihrer Krankheit nicht mehr ausüben, aber noch einer leichteren Arbeit nachgehen können, wird der Rentenversicherer Ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente ablehnen. Ob Sie aufgrund der Situation am Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance haben, eine leichtere Tätigkeit zu finden, bleibt dabei unberücksichtigt.
Wenn die Rentenversicherung Ihren Anspruch auf Erwerbsminderungsrente ablehnt
Lehnt der Rentenversicherer die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, obwohl Sie alle Voraussetzungen erfüllen, haben Sie die Möglichkeit, innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch gegen diese Entscheidung einzulegen. Das geht aus der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides hervor. Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, so ist das ein gravierender Mangel, der dazu führt, dass sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr verlängert. Die Widerspruchsfrist gilt nicht für Ihre Begründung. Diese können Sie zu einem späteren Zeitpunkt nachreichen. Zuvor sollten Sie Akteneinsicht nehmen, um die Gründe für die Ablehnung nachvollziehen zu können. Weist der Rentenversicherer Ihren Widerspruch zurück, bleibt Ihnen die Klage vor dem zuständigen Sozialgericht innerhalb eines Monats. Verfahren vor dem Sozialgericht sind für Sie kostenfrei. Es besteht auch keine Pflicht zur anwaltlichen Vertretung, sodass auch keine Anwaltskosten anfallen müssen. Sind Sie mit den Ergebnissen von Begutachtungen, die im Auftrag des Sozialgerichts vorgenommen werden, nicht einverstanden, haben Sie die Möglichkeit, ein weiteres medizinisches Gutachten von einem Gutachter Ihrer Wahl zu verlangen. In diesem Fall fordert das Sozialgericht regelmäßig einen Kostenvorschuss.
Lehnt das Sozialgericht in seinem Urteil ebenfalls die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente ab, steht Ihnen die Möglichkeit der Berufung beim Landessozialgericht und in der nächsten Instanz die Revision beim Bundessozialgericht zu.
Sonderfall Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit
Ein Sonderfall der Erwerbsminderungsrente ist die Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Im Rahmen des Vertrauensschutzes können Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, diese spezielle Form der Berufsunfähigkeitsrente beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass sie zwar noch einer Tätigkeit über mehr als sechs Stunden täglich nachgehen können, aber nicht mehr in ihrem zuletzt ausgeübten oder erlernten Beruf. Jüngere Versicherungsnehmer haben diese Möglichkeit nicht.
Berechnung der Erwerbsminderungsrente
Bewilligt der Rentenversicherer die Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, legt er zur Berechnung Ihrer Rente zunächst die von Ihnen bereits erworbenen Rentenansprüche zugrunde. Darüber hinaus erfolgt die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit. Diese Zurechnungszeit umfasst seit der Anpassung der Regelungen für die Erwerbsminderungsrente zum 1. Juli 2014 den Zeitraum von Ihrer Antragstellung bis zum Alter von 62 Jahren. Damit stellt die gesetzliche Rentenversicherung Sie so, als hätten Sie mit Ihrem Durchschnittseinkommen bis zum 62. Lebensjahr gearbeitet und Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Die so ermittelte Rente kürzt die Rentenversicherung dann für jeden Monat, den die Rente vor Vollendung des 63. Lebensjahres eintritt, um 0,3 Prozent, höchstens jedoch um einen Wert von 10,8 Prozent.
Ermittlung des Durchschnittsverdienstes für die Zurechnungszeit zur Erwerbsminderungsrente
Bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes für die Zurechnungszeit legte der Rentenversicherer bis Juli 2014 Ihren Durchschnittsverdienst während Ihres gesamten Arbeitslebens zugrunde. Mit dem Rentenpaket, das zum 1. Juli 2014 in Kraft getreten ist, ändert sich dieses Berechnungsverfahren zu Ihren Gunsten. Falls sich Ihr Einkommen in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Erwerbsminderungsrente aufgrund Ihrer Erkrankung bereits verringert hat, wird diese Zeit bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes nicht berücksichtigt. Ihre Erwerbsminderungsrente fällt dadurch höher aus.
Besteuerung der Erwerbsminderungsrente
Die Höhe der Besteuerung Ihrer Erwerbsminderungsrente ist von dem Rentenfreibetrag abhängig, der für das Jahr des Renteneintritts gilt. Zu versteuern ist dann nur die Differenz zwischen Ihrer Jahresbruttorente und dem Rentenfreibetrag. Der Rentenfreibetrag belief sich bei einem Rentenbeginn bis 2005 auf 50 Prozent. Für jedes Jahr des späteren Renteneintritts verringert sich der Rentenfreibetrag, bis er schließlich 2040 vollständig entfällt. Der Rentenfreibetrag für das Jahr Ihres Renteneintritts bleibt für Sie dauerhaft bestehen. Von der Jahresbruttorente können Sie vor der Besteuerung auch Werbungskosten sowie Vorsorgeaufwendungen abziehen. Im Einzelnen sind die Rentenfreibeträge in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet.
Das dürfen Sie zu Ihrer Erwerbsminderungsrente hinzu verdienen
Zusätzlich zu Ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung dürfen Sie bis zu 450 Euro im Monat verdienen. Ist Ihr Einkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis oder einer selbstständigen oder freiberuflichen Arbeit höher, reduziert sich dadurch Ihre Erwerbsminderungsrente. Schlimmstenfalls kann die Erwerbsminderungsrente sogar vollständig entfallen. Deutlich höher ist der erlaubte Hinzuverdienst im Fall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, da Sie zusätzlich noch eine Teilzeittätigkeit ausüben können.
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