Vorsicht vor Erbgutveränderungen durch Stress bei Kindern

Gleiche Stresssituationen werden von Menschen unterschiedlich gemeistert. Diese divergierende seelische Robustheit ist genetisch bedingt. Traumatische Erlebnisse – besonders im frühen Kindesalter – können Gene dauerhaft verändern. Deshalb kommt es auf die frühe und richtige Weichenstellung an.

Epigenetische Einflüsse

Warum manche Menschen psychischen Stress besser bewältigen können als andere Lebewesen, beschäftigt Forscher der Psychiatrie und Neurobiologie seit Längerem. Die Charaktereigenschaften eines Menschen, ob gelassen, mutig, aggressiv oder ängstlich sind genetisch, d. h. durch sein Erbgut, bestimmt. Neuere Forschungen haben ergeben, dass die genetische Grundausstattung nicht nur eine festgelegte erbliche Konstante ist, sondern auch durch äußere negative Einflüsse wie traumatische Erfahrungen geprägt werden kann. Fachleute sprechen von epigenetischen (zusätzlich, später entstandenen) Einflüssen.

Stress ist lebensrettend

Sieht sich ein Mensch einer bedrohlichen Situation ausgesetzt, produziert der Körper Stresshormone, d. h. eine Region des Zwischenhirns. der Hypothalamus, schüttet das Hormon HCTH (Adrenocorticotropes Hormon) aus, welches die schnelle Abgabe der Nebennierenhormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol auslöst. Diese Hormone bewirken eine schnelle Leistungssteigerung des Körpers: Z. B. wird die Atmung beschleunigt, die Herzfrequenz erhöht oder der Bluthochdruck gesteigert. Gesteuert werden diese Mechanismen durch ein Gen namens FKBP5.

Fehlfunktionen

Dieses Gen regelt einerseits das Stresshormonsystem, andererseits kann das Gen durch Überproduktion dieser Hormone dauerhaft geschädigt werden. Diese epigenetische Störung führt zu einer lebenslangen Behinderung im Umgang mit belastenden Situationen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München haben bei Mäuseversuchen an ganz jungen Tieren, welche erheblichen Stresssituationen ausgesetzt wurden, biochemische Veränderungen der Erbsubstanz festgestellt.

Frühkindliche Traumata

Der Professor für Neurobiologie Gerhard Roth von der Universität Bremen stellt die These auf, das Stressbelastungen der Mutter sich bereits negativ auf das Erbgut eines ungeborenen Kindes auswirken. Frühkindliche Traumata, etwa ausgelöst durch körperliche Misshandlungen, Vernachlässigungen oder psychisches Leid, können demnach epigenetische Veränderungen hervorrufen, welche – teilweise erst im Erwachsenenalter – zu Depressionen, Angsterkrankungen und posttraumatischen Störungen führen können.

Wissenschaftler untersuchten zweitausend Amerikaner, die als Kinder oder Erwachsene Opfer von Gewalttätigkeiten wurden. Ein Drittel davon litt an posttraumatischen Erkrankungen. Dabei stellten sich Unterschiede bei der genetischen Veranlagung heraus. Bei Trägern einer bestimmten Erbgutvariante ist demnach das Risiko höher, dass es bei ihnen nach traumatischen Ereignissen zu einer genetischen Veränderung kommt. Dies umso mehr, wenn die auslösende seelische Erschütterung bereits im Kindesalter stattfindet.

Die frühe Weichenstellung entscheidet – vermeiden Sie Stress bei Ihrem Kind

Da also die Weichen bereits im Mutterleib gestellt werden, sollten Schwangere dafür Sorge tragen, unnötigen Stress zu vermeiden, denn bereits der Embryo hat durch die Herztöne und Stimmmodulation Teilhabe an der Gefühlswelt der Mutter. Auch vor den Ohren von Kleinkindern sollte man lautstarke Streitereien unterlassen. Dass körperliche Züchtigungen kein geeignetes Erziehungsmittel sind, dürft selbstverständlich sein.