Vereinbarkeit von Beruf und Pflege eines Familienangehörigen
Beratungsangebote nutzen
Der erste Schritt zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist die grundlegende Information über die Situation in Deutschland. Der Beitrag „Meine Eltern brauchen Pflege – welche Möglichkeiten gibt es?“ ist ein guter Einstieg ins Thema. Danach empfiehlt es sich, die örtlich zur Verfügung stehenden persönlichen Beratungsangeboten wahrzunehmen.
Viele Menschen werden von der plötzlichen Pflegebedürftigkeit ihrer Eltern oder einer anderen angehörigen Person überrascht. Die Situation überfordert sie und das schlägt sich auch im Beruf nieder. Die Leistungsfähigkeit sinkt und der Ärger mit dem Arbeitgeber scheint vorprogrammiert. Betroffene sollten deshalb im eigenen Interesse aktiv nach Beratungs- und Informationsangeboten für pflegende Berufstätige suchen. Manchmal bietet auch der Arbeitgeber von sich aus Unterstützung an. In diesem Rahmen lassen sich individuelle Lösungen erarbeiten, damit pflegende Angehörige sich langfristig wieder auf ihrem Beruf konzentrieren können. Tagesseminare, Vorträge oder persönliche Beratungsleistungen werden in vielen Städten von Caritas, Awo und örtlichen Vereinen und Zusammenschlüssen angeboten. Wer in einer großen Firma arbeitet, findet unter Umständen sogar innerhalb der Firma einen Ansprechpartner im Personalbüro, der Hilfestellung leisten kann.
Ein weiterer Einstieg in das Thema Pflege und Beruf ist das Infopaket „Nachhaltige Familienzeitpolitik“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Neben diversen Statistiken lassen sich daraus wichtige Informationen rund um den rechtlichen Rahmen der Familienpflegezeit und des Pflegezeitgesetzes entnehmen. Dies dient zur Vorbereitung, um mit dem Arbeitgeber eine vertretbare Lösung zu finden, die für alle Beteiligten funktioniert.
Mit dem Arbeitgeber sprechen
Im nächsten Schritt ist es wichtig, mit dem Arbeitgeber ein Gespräch zu führen, denn die staatlichen Unterstützungsangebote bleiben bisweilen in den Mühlen der Bürokratie stecken und kommen später als gedacht in Gang. Der Gesetzgeber definiert die Pflege eines Angehörigen sehr eng und die Lebenswirklichkeit weicht stark davon ab. Deshalb ist die Kommunikation mit dem Arbeitgeber zwingend nötig. Dieser kann nämlich viel tun, um die Betreuung der Angehörigen für den Mitarbeiter zu ermöglichen. Berufstätige in einem Anstellungsverhältnis sollten sich nicht scheuen, ihre familiäre Situation zu thematisieren. Eine offene Kommunikation ist der beste Weg, um die Pflegeaufgaben mit den Anforderungen im Beruf zu vereinbaren. Besonders hilfreich sind flexible Arbeitsbedingungen. So können sich Arbeitnehmer gerade in der Anfangsphase orientieren und bei Bedarf frei nehmen, um ihren nicht flexiblen Pflegeaufgaben gerecht zu werden.
Der Spagat zwischen Beruf und Pflege
Der Zeitaufwand, den pflegende Angehörige aufbringen, ist höchst unterschiedlich. So investieren mehr als 50 % aller Pflegenden täglich mehr als 1 Stunde. Trotzdem arbeitet knapp ein Drittel in Vollzeit weiter. Die emotionale, psychische, organisatorische und finanzielle Belastung ist hoch. Oft führt die Übernahme von Pflegeaufgaben dazu, dass die Arbeitszeit reduziert wird. Das wiederum verkleinert das Einkommen und zieht neue Probleme nach sich. Die Doppelbelastung ist enorm, die Psyche leidet. Sich Hilfe zu holen, ohne den pflegebedürftigen Angehörigen in ein Pflegeheim zu bringen, lässt sich auf mehreren Wegen realisieren.
Wenn Senioren so lange wie möglich im Schoß der Familie bleiben können, bleiben sie geistig aktiv und bringen sich nach ihren Möglichkeiten ein.
Private und gesetzliche Hilfen
Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Pflegezeitgesetztes und des Familienpflegezeitgesetzes drei Wege eröffnet, um Familie, Beruf und Pflege unter einen Hut zu bringen. Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch, der sich unter anderem an der Größe der Arbeit gebenden Firma orientiert. Insgesamt lässt sich im Höchstfall eine Freistellung für die Pflege von bis zu zwei Jahren realisieren. Während des Zeitraums besteht ein Kündigungsschutz.
- Kurzzeitige Arbeitsverhinderung aufgrund von Pflegeaufgaben
Es kann geschehen, dass in einer akuten Pflegesituation Arbeitnehmer kurzfristig Aufgaben übernehmen müssen. Eine zehntägige Auszeit soll dazu dienen, die Pflegesituation zu organisieren. Während dieser Zeit müssen Arbeitnehmer nicht auf eine Entlohnung verzichten. Es besteht die Möglichkeit Lohnersatzleistungen zu beantragen, die in Form von Pflegeunterstützungsgeld von der Pflegekasse bewilligt werden. - Pflegezeit
Die gesetzlich verankerte Pflegezeit eröffnet die Möglichkeit, dass Angehörige bis zu einem halben Jahr stundenweise, tageweise oder komplett von der Arbeit freigestellt werden. Die konkrete Gestaltung wird mit dem Arbeitgeber abgestimmt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer setzen sich zusammen und verfassen eine schriftliche Vereinbarung. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass eine Ankündigungsfrist von zehn Tagen einzuhalten ist, damit Arbeitgeber Zeit haben, die ausgefallene Arbeitskraft zu ersetzen bzw. für Ausgleich zu sorgen. Falls es um die Begleitung in der letzten Lebensphase geht, lässt sich der Antrag auf eine Pflegezeit von drei Monate begrenzen. Für Betriebe ab 16 Beschäftigten greift diese gesetzliche Bestimmung. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ist Antrag annehmende Stelle für ein zinsloses Darlehen, um die Pflegezeit finanziell zu überbrücken. Arbeitnehmer sollten dringend berücksichtigen, dass die soziale Absicherung bei kompletter Freistellung alternativ aufgefangen werden muss. Um keine Nachteile zu haben, ist dieser Aspekt dringend zu klären. - Familienpflegezeit
Während der Familienpflegezeit können Arbeitnehmer sich bis zu 24 Monate freistellen lassen. Eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche ist gesetzlich vorgegeben. Die Ankündigungsfrist liegt bei acht Wochen und gilt nur für Firmen ab 26 Mitarbeitern. Auch bei der Familienpflegezeit können Darlehen an entsprechender Stelle beantragt werden. Die soziale Absicherung der Pflegepersonen gilt es auch hier zu berücksichtigen und alternativ zu organisieren.
Die Anwesenheit einer 24-Stunden-Pflegekraft erleichtert der Alltag von Pflegebedürftigen und entlastet pflegenden Angehörigen enorm.
Unterstützung durch private Pflegekräfte und ambulante Pflegedienste
In Abhängigkeit von der Pflegebedürftigkeit ist es mitunter nötig, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung aufzubauen. Eine private 24-Stunden-Betreuung ist in solchen Fällen eine gute Wahl. Die Pflegekräfte kümmern sich um die vielen alltäglichen Aufgaben, die das Leben der Pflegebedürftigen erleichtert. Angefangen von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten über die Grundpflege bis hin zur Aktivierung können private Pflegekräfte den selbstbestimmten Aufenthalt in den eigenen vier Wänden praktisch ermöglichen. Ein großer Vorteil der 24 Stunden Pflegebetreuung ist, dass ständig jemand vor Ort ist. So können Angehörige beruhigt zur Arbeit gehen. Werden Leistungen über die Grundpflege hinaus erforderlich, ist die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes ratsam. Dieser übernimmt alle Aufgaben, die von einem Arzt als medizinische Maßnahmen verschrieben werden. Die sogenannte Behandlungspflege umfasst beispielsweise die Messung des Blutdrucks, die Versorgung von Wunden, die Bedienung von Beatmungsgeräten und anderes mehr. Die Pflegekasse und der Staat unterstützen dieses Arrangement von privater 24-Stunden-Betreuung und ambulanter Behandlungspflege durch verschiedene finanzielle Bausteine. Dazu gehören zum Beispiel Zuschüsse zur häuslichen Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege, Pflegegeld für häusliche Pflege und Steuererleichterungen. Durch die steuerliche Anerkennung von Kosten der haushaltsnahen Dienstleistung bzw. von Pflege- und Betreuungsleistungen sinkt das zu versteuernde Einkommen und damit die zu zahlende Steuerlast.
Bildnachweis: interstid / stock.adobe.com
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