Validation – Konkrete Umgangsempfehlungen beim bedrohten Ich

Die Bedürfnisse im Rahmen des kommunikativen Umgangs sind bei demenzkranken Menschen je nach Phase sehr unterschiedlich. Dem allmählichen Abbau der Großhirnleistungen begegnen Pflegeprofis auf unterschiedliche Art und Weise. Der Artikel gibt einige Umgangsempfehlungen beim bedrohten Ich.

Lebensgeschichte sichern

Pflegekräfte versuchen die Person des demenzkranken Menschen im Hier und Jetzt so zu stabilisieren, dass sie sich sicher fühlen kann und ihre Identität möglichst lange erhalten und zum Ausdruck bringen kann. Besonders die aus der Lebensgeschichte heraus bekannten Antriebe und Charaktereigenschaften des Menschen erhalten Bestätigung und die momentanen Befindlichkeiten und Gefühle werden gewürdigt. Im Anfangsstadium bieten sich im kommunikativen Umgang noch vielfältige Gelegenheiten, die Schätze der lebensgeschichtlichen Vergangenheit zu bergen.

Ordnung muss sein

Der Demenzkranke ist nach und nach immer weniger in der Lage, seine Gefühle normgerecht zu kontrollieren. Grundsätzlich weiß man aus der Kommunikationsforschung, dass Gefühle nicht einfach ausgeredet werden können, sondern dass ihnen einen Weg gebahnt werden muss, wo sie auslaufen können.

Die Verarbeitung starker Gefühle oder Erlebnisse gelingt selten durch Verdrängen. Vielmehr braucht es Ventile und manchmal Begrifflichkeiten, an denen sie "festgemacht" werden können. Da dem demenzkranken Menschen sprachliche Kompetenz immer weniger zu Eigen ist, haben sich Spiegelungstechniken hier besonders bewährt. Aber weit wichtiger ist im Anfangsstadium, dass die Kommunikationspartner dem Betroffenen helfen, sein bedrohtes Ich zu stärken und die ihn rettende Welt, seine Realitätsvorstellungen und "Gewissheiten" zu stabilisieren.

Hilfreich ist in dieser Phase jede feste Struktur, Ordnung und das Einhalten von Ritualen. Abweichungen vom Gewohnten, vom Normalen und von Regeln verunsichern das bedrohte Ich hingegen schnell.

Keine Warum-Fragen

Angesichts der zunehmenden Unfähigkeit, logisch zu denken und zu argumentieren,  wird in der Kommunikation auf lange und umfängliche Erklärungen verzichtet. Warum-Fragen sind absolut tabu, da sie die Denkleistungen des Großhirns sehr stark herausfordern. Hingegen haben sich einfache Fragen (Wer, Wo, Wann, Wie) besser bewährt. Solche Fragen sind schneller und leichter zu beantworten,  was nicht heißt, dass die Antwort ehrlich oder richtig ist! Bei der Frage nach einem Warum, Weshalb, Wieso sind weitere, umfänglichere Denkleistungen vonnöten, die dem Demenzkranken nicht mehr gut gelingen.

Der demenzkranke Mensch merkt häufig seine Unzulänglichkeiten, weicht aus, bagatellisiert oder leugnet selbst offenkundige Gewissheiten. Manchmal ist er beschämt oder fühlt sich ertappt, was sein Großhirn zusätzlich unter Stress setzt, was sich dann in Gereiztheit und Aggressivität zeigen kann. Er braucht geradezu eine Fassade und eine gewisse Freiheit, vor unangenehmen Situationen ausweichen zu können.

Augenkontakt

Sein Blick ist eher scharf und zielgerichtet, manchmal stechend. Im Gespräch verunsichert ihn ein prüfender oder bohrender Blick anderer eher. Daher sollte man seinem Blick freundlich entgegenkommen, aber immer wieder Erholungen und Ausweichen ermöglichen.

Sitzposition

Die Körperhaltung ist zu Beginn eher gespannt und fest, mit erhöhtem Tonus. Sprachliche Verständigung gelingt gut im Sinne eines Small Talks und Reden über einfache Dinge. Auch sollte wie beim Augenkontakt ein Ausweichen möglich sein. Die Freiheit jederzeit gehen zu können, bringt Entspannung. Hier bietet sich die sogenannte "Parkbankposition" hervorragend an. Man sitzt zwanglos nebeneinander und führt ein einfaches Alltagsgespräch. Nach vorne bleibt der Weg frei; man kann jederzeit aufstehen und weitergehen.

Berührung

Die körperliche Berührung sollte nicht unvorbereitet kommen, da sie ihn erschrecken oder verunsichern kann. Ritualisierte Gesten und Begrüßungsrituale (Handreichen) sind erlaubt. Hingegen kann zu enger körperlicher Kontakt verunsichern oder Anlass für Missverständnisse geben. In der Regel hält man eine Entfernung von mindestens einer Unterarmlänge ein.

Kontinenz

Wenn nicht schon eine Belastungsinkontinenz oder erkrankungsbedingte Inkontinenz besteht, dann können sich erste Zeichen einer (motorischen) Dranginkontinenz zeigen. Das heißt, er schafft es nach dem Einsetzen des Harndrangs nicht immer bis zur Toilette. Hat er zudem Schwierigkeiten, sich in ungewohnter Umgebung zurecht zu finden, wird diese Problematik verschärft.

Aus Schamgefühl und um seine Identität aufrecht zu erhalten, wird er eingenässte Wäsche verstecken oder verschwinden gelassen. Auf keinen Fall wird ihm signalisiert, dass man das Ganze bemerkt hat und gibt Ratschläge. Besser ist es, das Ganze geflissentlich zu übersehen und zukünftig im Vorfeld Orientierungshilfen zu geben oder – eher unauffällig – ein Toilettentraining zu organisieren.

Lesen Sie mehr über die phasengerechte Kommunikation mit Demenzkranken.