Spiegelneuronen: Was wir selber preisgeben, ohne es zu merken

Sind Sie eher ein Kopfmensch oder ein Bauchmensch? Sind Sie der rationale Typ oder vertrauen Sie Ihrem Gefühl? Nichts von beidem! Denn unsere Gefühle entstehen in unserem Gehirn und jede rationale Entscheidung wurde durch Ihr Gefühl gesteuert. Warum Sie häufiger mal auf Ihren "Bauch" hören sollten? Lernen Sie die Spiegelneuronen kennen.

Es ist Sommer. Sie laufen durch einen Vorort und sehen ein kleines Kind, was in kurzen Hosen erste Versuche auf einem Fahrrad unternimmt. Sie schenken der Szene erst in dem Moment Beachtung, als Sie aus dem Augenwinkel sehen, dass das Kind hinfällt. Sie sehen, wie seine Knie und Schienbeine über den harten, körnigen Asphalt rutschen und Ihnen entfährt ein Laut des Schmerzes. Und das, obwohl Sie sich selber nicht verletzt haben.

Mitgefühl entsteht im Gehirn
Lehnen Sie sich nun bitte einmal kurz zurück und lassen Sie die eben geschilderte Szene noch einmal vor Ihrem geistigen Auge Revue passieren. Was fühlen Sie? Was spielt sich in Ihrem Gesicht ab, während Sie sich die Szene vorstellen?

Kann es sein, dass Sie gerade Mitgefühl empfanden? Das Mitgefühl, was Sie in diesem Moment haben, ist ein Resonanzphänomen und die Grundlage Ihrer sozialen Kompetenz. Und es entsteht in einem komplizierten Zusammenspiel vieler Faktoren in Ihrem eigenen Gehirn.

Resonanzphänomene sind Teil unseres Alltags
Das Lächeln, was Sie im Vorbeigehen erwidern. Sie gähnen, ein anderer gähnt mit. Der italienische Neurophysiologe Giacomo Rizzolatti erforschte das Resonanzphänomen als erster systematisch. Es wurde nachgewiesen, dass bestimmte Nervenzellen (Neurone) in unserem Gehirn feuern, als würden wir eine Handlung selber ausführen, wenn wir Vorgänge bei anderen beobachten. Man nennt diese Nervenzellen "Spiegelneuronen".

Dabei ist das Phänomen selber so alt wie die Menschheit und die Grundlage unseres menschlichen Lernens. Kinder beobachten Verhalten lange bevor sie es selber imitieren.

Spiegelneuronen helfen, uns in andere hineinzuversetzen
Die Spiegelneuronen sorgen also dafür, dass ich das, was ein anderer tut, gefühlsmäßig nachvollziehen und verstehen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass ich die Handlung oder das Gefühl bereits im realen Leben oder durch Beobachtungen kennengelernt habe. Das versetzt uns in die Lage, spontan Handlungsabsichten unseres Gegenübers nachempfinden zu können. Was hier geschieht erleben Sie in Ihrem Alltag als "Bauchgefühl".

Hören Sie auf Ihr "Bauchgefühl"!
Die Spiegelneurone liefern uns den Beweis, dass es durchaus Sinn machen kann, dem "Bauchgefühl" nachzugehen. Denn genaugenommen entsteht dieses Gefühl in unserem Gehirn.

Wenn Sie also das nächste Mal z. B. bei einem Geschäftspartner ein merkwürdiges Bauchgefühl bekommen, werten Sie dieses Gefühl bitte nicht als unrational und minderwertig ab. Möglicherweise bekommen Sie gerade einen ganz heißen Tipp von Ihren Spiegelneuronen, die soeben eine Handlungsabsicht Ihres Gegenübers identifiziert haben.

Was lernen wir daraus? Letztlich sind Handlungen, die wir ausführen, Anregungen und Erkenntnisse für unser Gegenüber. Es kann also von zentraler Bedeutung sein, die eigene Wirkung gut im Griff zu haben. Denn Ihr Gegenüber nimmt im Zweifelsfall mehr wahr, als Ihnen lieb ist.

Sage mir, was du konsumierst und ich sage dir, wer du bist
Auch sollten Sie die Tatsache bedenken, dass alles, was wir wahrnehmen, auch Auswirkungen hat. Alle Gewaltszenen, schlechten Nachrichten, all dies wird optional als Handlungsmöglichkeiten angelegt.

Sie haben die Wahl
Sinnvoll ist, das eigene Konsumverhalten zu überdenken. Gerade Charismatiker können durch die bewusst gesteuerte Wahrnehmung ihre Ausstrahlung deutlich verstärken. Versorgen Sie Ihr Gehirn mit den Bildern, Geräuschen und Eindrücken, für deren Prägung Sie sich bewusst entscheiden.

Denn wenn wir davon ausgehen müssen, dass wir zumindest teilweise (auch unbewusst) dem Resonanzprinzip folgen, ist es sinnvoll, die Möglichkeiten zu nutzen, die sich uns bieten. Möchten Sie eine positive Ausstrahlung haben? Dann versorgen Sie Ihr Gehirn mit entsprechendem Material. Wollen Sie kultiviert wirken? Dann beschäftigen Sie sich mit Kultur. Sie selber haben Sie Wahl.

Ihre
Julia Sobainsky