So setzen Sie Ihr Recht auf Religionsfreiheit durch

Die Religionsfreiheit gehört zu den wichtigsten Menschenrechten weltweit. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Religionsfreiheit es dem einzelnen erlaubt, sein ganzes Leben anhand der Lehren und Überzeugungen seines Glaubens und Gewissens auszurichten. Lesen Sie hier, wie Sie Ihre diesbezüglichen Rechte gegenüber dem Staat oder Dritten wahren können.

Pluralität muss auch in Sachen Religion erlaubt sein

Die Zeiten, in denen es in Europa praktisch nur eine oder zwei Glaubensgemeinschaften gab, sind längst vorbei. In Sachen Religion verhält es sich heute ähnlich wie in jedem anderen Wirtschaftszweig auch: Es gibt einen Markt, auf dem verschiedene Religionen und Glaubensgemeinschaften miteinander im Wettbewerb stehen.

Dieser Pluralismus auch auf religiösem Gebiet ist manchen ein Dorn im Auge, so dass es hin und wieder zu Konflikten kommt – entweder mit dem Staat und dessen Institutionen oder mit anderen Glaubensgemeinschaften, die sich durch Konkurrenz bedroht fühlen.

Diese Rechte gewährt Ihnen die Religionsfreiheit

Religionsfreiheit bedeutet nicht nur, dass Sie glauben dürfen, was Ihren persönlichen Überzeugungen entspricht, sondern auch, dass Sie das Recht haben, nach diesem Glauben zu leben. Das Grundgesetz stellt die Religionsfreiheit in Deutschland unter keinen Gesetzesvorbehalt. Die Religionsfreiheit findet daher nur da ihre Grenzen, wo sie mit den Freiheiten und Rechten anderer in Konflikt gerät.

Sie haben nicht nur das Recht, nach Ihrem Glauben zu leben, sondern auch das Recht, zu missionieren und Ihren Glauben öffentlich zu bekennen. Dazu gehört es auch, dass Sie sich zur Ausübung Ihrer Religion versammeln und öffentliche Gottesdienste abhalten dürfen. Es gibt in Deutschland keine Staatskirche. Das bedeutet, dass der Staat alle Religionsgemeinschaften grundsätzlich gleich behandeln muss.

Aufgrund der Religionsfreiheit dürfen Sie sich mit anderen Gleichgesonnenen zu einer Glaubensgemeinschaft zusammenschließen. Dafür stehen Ihnen prinzipiell alle Rechtsformen offen.

Auch die negative Religionsfreiheit ist geschützt: Sie müssen sich nicht zu Ihrem Glauben bekennen, wenn Sie dies nicht wollen. Und Sie dürfen auch ganz jedem Glauben entsagen und als Atheist in Deutschland leben. Keine Glaubensgemeinschaft darf Sie zwingen, bei ihr Mitglied zu werden. Besonders wichtig: Der Staat darf nicht prüfen, ob Ihre Glaubensüberzeugungen inhaltlich "sinnvoll" oder gar völlig abstrus sind.

So gehen Sie vor, wenn es Konflikte gibt

Der deutsche Staat ist gegenüber Religion grundsätzlich positiv eingestellt und fördert die Glaubensgemeinschaften auch finanziell. Allerdings verhält sich der Staat in Sachen Religion nicht immer neutral. Oft werden religiöse Minderheiten pauschal als "Sekten" abgetan. Die Rechtsprechung hat entschieden, dass der Staat grundsätzlich das Recht hat, die Bürger über Sekten und deren (vermeintliche) Gefahren aufzuklären.

Die staatliche Aufklärung muss jedoch sachlich erfolgen und darf nicht diffamieren. Unsachliche Begriffe wie "gefährliche Psychosekte" oder "abstruse Pseudoreligion" wären in staatlichen Sektenberichten also unzulässig. Konflikte mit staatlichen Behörden können aber auch dann entstehen, wenn Glaubensgemeinschaften Gebäude für Gottesdienste errichten wollen oder wenn es um die Zulassung von Radio- und Fernsehsendern für eine Religionsgemeinschaft geht.

In anderen Fällen ist es schon vorgekommen, dass Betriebe und Unternehmen diffamiert wurden, die mit einer Glaubensgemeinschaft in Verbindung gebracht wurden. Zum Beispiel engagieren sich manche Glaubensgemeinschaften im Bio-Landbau oder verkaufen Bio-Lebensmittel auf Märkten und in Ladengeschäften. Wird in solchen Fällen zum Boykott solcher Produkte oder Unternehmen aufgerufen, bleibt oft nur der Weg, anwaltliche oder gar gerichtliche Hilfe zu suchen.

Steuerliche Vorteile nutzen

Da der deutsche Staat Religion fördert, gewährt er häufig auch steuerliche Vergünstigungen. Ist eine Glaubensgemeinschaft als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung eingestuft worden, so wird sie sogar ganz von bestimmten Steuern und Abgaben befreit. Viele Glaubensgemeinschaften zahlen zum Beispiel keine Grundsteuern. Auch müssen im Falle der Gemeinnützigkeit auf vereinnahmte Spenden keine Steuern gezahlt werden.

Damit solche Steuervorteile gewährt werden, ist eine entsprechende Regelung in der Satzung der Glaubensgemeinschaft nötig, die dafür sorgt, dass Gelder nur für wohltätige und gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Nach meiner Erfahrung in der anwaltlichen Praxis sind die Finanzbehörden bei dieser Frage recht pingelig. Es ist daher zu empfehlen, die Formulierung der Satzung mit der zuständigen Behörde sorgfältig abzuklären, bevor sie rechtsverbindlich festgelegt wird.

In der Praxis hat sich die Rechtsform einer unselbständigen Stiftung als vorteilhaft erwiesen: Diese Stiftungen können auch als gemeinnützig anerkannt werden, stehen aber nicht unter der Aufsicht der Stiftungsbehörden, weil sie keine eigene Rechtspersönlichkeit haben. Es genügt, den Entwurf der Satzung den Finanzbehörden vorzulegen. Diese können dann eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit ausstellen.

Diese Grenzen müssen Sie beachten

Eine Glaubensgemeinschaft verliert nicht schon dann den Schutz der Religionsfreiheit, nur weil sie gegenüber dem Staat eine kritische Haltung einnimmt. Zum Beispiel gibt es Glaubensgemeinschaften, die die Teilnahme an Wahlen ablehnen und dennoch in manchen Bundesländern sogar als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurden.

Andererseits müssen Glaubensgemeinschaften auch Grenzen beachten, sofern Sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden wollen. Als Faustregel gilt hierbei, dass Ihre Glaubensgemeinschaft bestimmte Grundwerte, wie Menschenwürde und freiheitliche Demokratie nicht aktiv bekämpfen darf.

Es bedarf zudem sicher keine weiteren Erläuterung, dass illegale oder gar kriminelle Aktivitäten nicht unter dem Schutz der Religionsfreiheit stehen.

Stand: 02.07.2013