Religionsfragen: Warum erregt der Kopftuchstreit die Gemüter so sehr?

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bundesländer durch Landesgesetze regeln, ob sie das Kopftuch im Schuldienst zulassen oder nicht, solange das Neutralitätsgebot gewahrt bleibt: Vor dem Gesetz sollen alle Religionen gleich sein.
Baden-Württemnberg und Bayern wählten ein Extrem: Das Kopftuch ist für Lehrerinnen verboten, aber Nonnentrachten dürfen auch weiterhin in Konfessionsschulen getragen werden, weil "die Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte" gefördert wird.
Berlin entschied sich für das andere Extrem. Jegliche religiöse Symbole sind für Lehrer an staatlichen Schulen tabu. Immerhin ist so die Neutralität gewahrt. Streng genommen dürften dann an der Berliner Humboldt-Universität auch keine Theologen mehr ausgebildet werden.

Debatte um das Kopftuch als Scheinkampf
Offenbar brauchte die deutsche Schullandschaft den Kopftuchstreit, um ihr Selbstverständnis von Staat und Kirche neu zu definieren. Bedenken wir jedoch, wie verschwindend gering die Zahl der Fälle ist, die mit Hilfe der neuen Gesetze geregelt werden, dann wird spätestens klar, dass die Debatte um das Kopftuch einem Schattenboxkampf gleicht.

Worum geht es wirklich? Angenommen, eine kopftuchtragende Lehrerin sei wirklich fanatisch oder unterdrückt: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Schüler allein durch ihr Kopftuch davon überzeugt? Lässt sich die Gefahr der fanatischen Beeinflussung unserer Jugend nicht dadurch bannen, dass alle Lehrer – mit und ohne Kopftuch – auf das Grundgesetz verpflichtet sind?
Welches unverhältnismäßig starke Schutzbedürfnis vor Indoktrination steckt dahinter, derart restriktive Gesetze zu erlassen, um unsere Schüler vor einer Hand voll Lehrerinnen im Kopftuch zu schützen?

Zurück zu den Kernthemen
Warum beschäftigt sich unser Schulsystem so engagiert mit einem unbedeutenden Randthema, das nur sehr wenige Einzelfälle betrifft? Gleichzeitig fallen wichtige Themen wie die völlig unzureichende Ausstattung von Schulen oder die gesellschaftliche Anerkennung des Lehrberufes unter den Tisch.