Pflegetheorie: Ein Überblick

Wozu benötigen wir Pflegetheorien und Wissenschaft? In dieser Serie sollen unterschiedliche Theorien und Modelle vorgestellt werden. Ein kritisches Interview bildet den Einstieg.

Kaum hatten wir begonnen, diese Serie über Pflegetheorien zu entwickeln und festzulegen, welche Schwerpunktthemen den Leser interessiert, erhielten wir Besuch von Dr. Skeptikus, der das ganze Ansinnen in Frage stellte und mit uns über den Zweck und die Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu debattieren begann.

Dr. Skeptikus:  Pflegetheorie – ist das nicht ein bisschen übertrieben? Das hat doch in der Regel dann nichts mehr mit der Praxis zu tun. Pflege erlernen kann man sowieso nicht.

Dr. Tauch: Wir sind nicht der Ansicht. Zum einen steht das Grundlagenwissen der Disziplin Pflege im Zentrum. Hierdurch kommt es zu Strukturierungen der Praxis.

Dr. Skeptikus: Schon gut, ich glaube, ich habe mich da etwas missverständlich ausgedrückt. Strukturierung ist aber ein sehr guter Ansatz. Das bedeutet also Vereinheitlichung.

Dr. Tauch: Im Kern geht es darum, die Wirkungsweise der Pflege zu verstehen. Natürlich kommt es damit auch zu Vereinheitlichungstendenzen. Der Expertenstandard Dekutibus ist in diesem Zusammenhang ein sehr gutes Beispiel. Wie sie wissen, basiert der Expertenstandard auf einer wissenschaftlich fundierten Literaturanalyse der nationalen und internationalen Fachliteratur. Es folgt daraus eine Überprüfbarkeit -Pflege ist überprüfbar und präsent (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung 2002).

Dr. Skeptikus: Aber in letzter Konsequenz handelt es sich also bei der Pflege doch um ein Handwerk. Es geht um handwerkliche Fertigkeiten. Wozu benötigt man dann noch Theorien und Wissenschaft?

Dr. Tauch: Theorie und Wissenschaft gehen eindeutig über die primären handwerklichen Tätigkeiten hinaus. Es werden die Wurzeln der Disziplin der Pflege eruiert. Daraus entwickeln sich in der Praxis Zuständigkeitsbereiche und in letzter Konsequenz professionelles Handeln – Professionalität! Damit entwickelt sich Pflege zu einer Praxiswissenschaft.

Am Anfang der neuzeitlichen Pflege steht nämlich auch der Anspruch der Aufklärung, den Menschen – wie Imanuel Kant es ausdrückte – "aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien". Dieser Anspruch ist gerade heute noch hoch aktuell. Dahinter verbirgt sich vielleicht auch eine Professionsethik der Pflegekräfte, eine Art pflegerischer "Eid des Hypokrates", wenn Sie es so wollen.

Dr. Skeptikus: Nach diesen Ausführungen bin ich sehr gespannt auf Ihre Serie und bedanke mich schon einmal an dieser Stelle.