Pflegetalent zeigen – Pflegemaßnahmen auswerten und begründen können

Für die behandlungspflegerischen Maßnahmen liegen in der Regel im Seniorenheim konkrete Arztanordnungen vor. Diese Maßnahmen erfolgen im Sinne der Arztassistenz und müssen nicht eigens geplant werden. Die Feststellung des Hilfebedarfs korrespondiert weitestgehend mit den bei der Begutachtung durch den MDK festgestellten Selbstpflegedefiziten. Hier reicht – nach deren Feststellung – ein nachvollziehbarer Tagesablaufplan mit dem Schwerpunkt auf aktivierender Pflege vollkommen aus.

Stärker herausgefordert werden Pflegende dann dahingehend, ob sie die Pflege-Risiken richtig und ganzheitlich erfassen und darauf basierend Maßnahmen umsetzen. Für die meisten Pflegerisiken gibt es mittlerweile Assessment-Instrumente und (Experten)Standards, auf die in der Planung verwiesen werden kann. Die individuelle Ausgestaltung kann hier ebenfalls über Tagesablaufpläne beschrieben werden.

Pflegetalent gehört dazu

Was sich allerdings nicht im Voraus planen und standardisieren lässt, sind die möglichen Verhaltensweisen und Reaktionen der Bewohner auf unsere professionelle Planung. Hier müssen tatsächlich andere Instrumente greifen, die den Prozess-Charakter des Pflege-Beziehungs-Geschehens gut abbilden können.

Dem herausfordernden Verhalten von Menschen zu begegnen, die unter einer Demenz oder einer Depression leiden, die eine unerfreuliche Diagnose zu verarbeiten haben oder vor einem völlig neuen Lebensabschnitt (Einzug ins Heim) stehen, erfordert ein Höchstmaß an Empathiefähigkeit, Flexibilität und Toleranz, – Pflegetalent also!

Rahmenbedingungen für begründetes Arbeiten

Neben der systematischen Entwicklung und Förderung von Pflegetalent ist es Aufgabe des Pflegemanagements, die Rahmenbedingungen (Strukturen) zu schaffen und das Gelingen von Verständigungsprozessen durch nachhaltiges Einüben zu sichern. Nun können Pflegende nicht alle möglichen Verhaltensweisen von pflegebedürftigen Menschen antizipieren. Zwar gibt es charakteristische Entwicklungsphasen,

  1. Einzug
  2. Eingewöhnung
  3. Aufenthalt
  4. Abschied

oder bei der Demenz

  1. Bedrohtes Ich
  2. Verirrtes Ich
  3. Verborgenes Ich
  4. Versunkenes Ich (vgl.: Cora Van der Kooij)

auf die man sich "phasengerecht" vorbereiten kann. Aber in der konkreten Situation muss eine Pflegekraft häufig aus dem Bauch heraus (intuitiv) – möglichst richtig – kommunikativ entscheiden. Ob sie richtig oder angemessen reagiert hat, ist nicht immer sicher zu beurteilen.

Hier brauchen Pflegende die Möglichkeiten (strukturelle Rahmenbedingungen) zum gegenseitigen Austausch im Team, bei dem sie professionell und nachhaltig begleitet werden. Neben der Supervision und kollegialer Beratung bieten sich hier die Instrumente der Fallbesprechung und der Bewohner- oder Kundenbesprechung an. Die Mitarbeiter brauchen diese aus zwei Gründen:

  1. Sie brauchen das stete Feedback, ob sich ihre Pflegetalente weiter entwickeln. (Motivation)
  2. Sie brauchen ein Medium zur Darstellung ihrer Begründungskompetenz. (Aphasie der Pflege überwinden!)

Um den Pflegeprozess umfänglich und nachvollziehbar darstellen zu können, kommen professionell Pflegende ohne diese Instrumente nicht mehr aus.

In Kundenbesprechungen Begründungen für Entscheidungen gemeinsam finden

Regelmäßige Kundenbesprechungen im Pflege-Team bieten viele Vorteile und Entwicklungs-Chancen:

  1. Je mehr Ohren von den lebensgeschichtlichen Hintergründen in einer solchen Besprechung hören, umso verständnisvoller und toleranter ist der Umgang mit herausforderndem Verhalten. Die Charakteristik des Kunden ist allen bekannt.
  2. Gemeinsam erarbeitete Umgangsempfehlungen sichern die Kontinuität im pflegerischen Alltag und geben Sicherheit.
  3. Das Team lernt voneinander und erkennt die individuellen Stärken der anderen. Dadurch gewinnen alle und die Zufriedenheit steigt.
  4. Positive Kontaktmomente werden bewusst / sichtbar gemacht (zur Sprache gebracht) und bereichern nicht nur die weitere Zusammenarbeit, sondern bieten Ansatzpunkte für zukünftig gelingende Kommunikation.
  5. Sie stützen die Evaluation geplanter Pflege-Maßnahmen, die dann auch breiter getragen wird. Das eigentliche Problem wird deutlicher und kann gezielt mit kommunikativen Mitteln begegnet werden. (Der Hilfebedarf an sich ist ja oft gar nicht das Problem, sondern das Misslingen der angebotenen Hilfe oder der Prophylaxe.)
  6. Durch die Reflexion des eigenen Pflegealltags und des konkreten Verhaltens in immer neuen Pflegesituationen (Herausforderungen) bekommen Pflegende eine wirkliche Chance, ihr Verhalten zu verändern.

Darum halten Sie regelmäßig gut strukturierte und moderierte Fall- und Kundenbesprechungen ab. Die Dokumentation dieser Besprechungen ist der Beleg Ihrer Pflegekompetenz nicht nur gegenüber Prüfungsinstanzen!
Und glauben Sie mir, die investierte Zeit holen Sie allemal wieder rein!