Oldtimer „On the Run“ – Ausfahrten in die Frühlingsfrische

Bei den ersten Sonnenstrahlen wollen sie raus: Der Karmann Ghia, der Ford 17m, der Mercedes Strich 8 oder der Golf 1. Den ganzen langen Winter über haben die Oldtimer auf den Tag zur Ausfahrt gewartet. Gemütlich durch die Frühlingsfrische zu fahren ist ein Hobby, das gepflegt werden möchte.

Wo jedes Jahr im Herbst das weltberühmte Oktoberfest stattfindet, versammeln sich im Frühjahr unter blau-weißem Frühlingshimmel mehr als 1000 Oldtimerfans mit ihren Schmuckstücken. Denn mit den ersten Sonnenstrahlen schlüpfen auch die Classic-Cars aus der Winterruhe. Auf dem Münchner „Openair Showroom“, der Theresienwiese und bei Ausfahrten tummeln sich alljährlich zu dieser Zeit historische Fahrzeuge aus verschiedenen Epochen.

Zum Oldtimertreffen 2013 sind zum Sehen & Gesehenwerden und zu Benzingesprächen gekommen: Ein Ford Taununs 17m, ein Mercedes Benz Stich 8 220 D, ein BMW M1, ein Käfer Cabrio und ein Golf 1 der ersten Serie. „Der knallrote Nachfolger des Käfers geht satte 160 km/h, aber dann ist es im Innenraum vor Lärm kaum auszuhalten“, erzählt sein Besitzer. „Mit einem Oldtimer muss aber niemand heizen, sondern damit fährt man gemütlich über Land.“

Zum Auftakt der Oldtimer-Saison kommt der Golf 1 frisch von der Münchner KFZ-Zulassungsstelle: „Am besten fährt man ganz früh in die Eichstätter Straße, denn dort ist immer sehr voll“, so Golf-Besitzer Jan, der zweimal im Jahr zur An- und Abmeldung diesen Gang für sein Schmuckstück geht.

Ein VW-Karmann Ghia Typ 14 bleibt das ganze Jahr über angemeldet: „Da erspart man sich die Gänge zur Zulassungsstelle und die Gebühren“, so die Besitzerin Margitta. Zum Saisonstart konnte der Sekretärinnen-Porsche, wie der Wagen im Volksmund genannt wird, jedoch nicht vorfahren, da er noch ans Ladegerät musste. „Der Motor wollte nach dem langen Winterschlaf nicht anspringen, die Batterie hatte sich entladen.“

So reicht Freude aufs Fahren nicht allein. Den guten Rat, die Batterie den Winter über auszubauen, markiert sich die Oldtimer-Fahrerin für den kommenden Herbst „Rot“ im Kalender. 

Mit dem knallroten Golf 1 aus dem Baujahr 1977 reiht sich ein weiteres Schmuckstück ein und setzt damit einen farblichen Kontrapunkt. Oldtimer-Freunde lauschen gern der Geschichte, wie der Wagen vor langen Jahren den Besitzer wechselte und wie Käufer und Verkäufer seinerzeit den noch handgeschriebenen Vertrag unterzeichneten – bis ein elfenbeinweißer Opel Kadett B aus dem Jahr 1971 aufschließt.

„Das Design des Kadett B wurde amerikanisiert“, weiß der Golf-Fahrer zu berichten, „denn der Autobauer Opel ist ja eine Tochter von General Motors. Beim Kadett B hat der amerikanische Stylist Bill Mitchell Hand angelegt.“

Ein echter Ami ist der nachtblaue Plymouth aus dem Baujahr 1976 und zudem auf Oldtimer-Treffen oft der längste Wagen. Was das denn für eine Kutsche sei und was die verbraucht, wird der Besitzer Johannes immer wieder gefragt, der dann aber gern Auskunft gibt: „Der Schlitten ist sehr komfortabel und liegt gut auf der Straße, nur Kopfsteinpflaster mag er mit seinen 37 Jahren nicht. Im Verbrauch ist er eher unkomfortabel, da kommen schon mal 15 bis 20 Liter zusammen.“

Der exotische Oldtimer erregt viel Aufsehen wo er steht und fährt, ist aber in der Unterhaltung sehr teuer. „Unter der langen Schnauze arbeitet ein brandneuer Kühler aus den Vereinigen Staaten von Amerika – die Lieferung kostete genauso viel wie der Kühler selbst – 80 Euro.“

Oldtimer-Ausfahrt ist Kulturschau und soziales Projekt

„In den Plymouth passen viele Fahrgäste hinein“, freut sich Andrea Strobl von der OBA (Offene Behindertenarbeit), die gemeinsam mit den Kulturfans von „Classic Mobil München e.V.“ Oldtimer-Ausfahrten wie diese auf die Beine stellt.

„Das Grandiose ist, dass all diese chromblitzenden Gefährte hier in einem Corso zusammen kommen und dass dies neben einer Kulturschau ebenso als soziales Projekt für Menschen mit Behinderung fungiert.“ Sein BMW Cabrio 1600 aus dem Baujahr 1970 ist dabei dreierlei: Kulturgut, er sieht gut aus und: „Der Wagen kann vor Kraft kaum fahren, denn unter der Haube arbeitet ein 75 PS-Motor, der seinerzeit der unübertroffenste Erfolgswagen der Bayerischen Motorenwerke war.“

Die klassische Schönheit gepaart mit dem starken Anzug genießen Besitzer wie die Mitfahrer der Behindertengruppe gleichermaßen. Der Sportwagen von Michael bietet nur einen Beifahrersitz – dafür aber 277 PS: Mit diesen Pferdestärken und dem knappen Gewicht von nur 1300 Kilo ist der Rennwagen aus Kunststoff der absolute Star auf jeder Oldtimer-Schau.

„Den BMW-M1 gab es nur in vier Farben: Rot, Orange, Weiß und Dunkelblau.“ Neben Racing & Power und der Freude an Oldtimern für alle, „möchte die Initiative Kultur e.V. Region Bayern den Blick schärfen auf das „Geschätzt-werden der Fahrzeuge als Kulturgut“, so der Besitzer eines Mercedes Benz 450 SE.  

Oldtimer-Schau vor der BMW-Welt

Während einer Spazierfahrt mit der BMW-Isetta (12 PS) durch das moderne, wolkenartige Gebäude, das aber zugleich Geburtsort der Bayerischen Motorenwerke ist, vereinen sich Historie und Moderne.

Auf einem Rundgang durch die der BMW-Welt spannt die Führerin einen Bogen vom Jahr 1929, in dem das erste BMW-Fahrzeug gebaut wurde über die Grundsteinlegung des Hauses am 16. Juli 2004 bis hin zur Racing-Show der Safety-Cars über die Rampe. Unter dem Motorsound der Rennwagen verweist sie auf die Produktion nebenan: „In der Halle gegenüber wird heute der 3er BMW produziert.“ 

Zur Rückfahrt in Richtung Schloss Nymphenburg gehen heutige Automobilwelt und die Ära der Classic-Cars dann wieder getrennte Wege. In Verbindung bleiben: Der Mercedes Benz Strich 8, der VW-Bus und der Golf 1 – so wie in damaliger Zeit. „Als der Golf 1 mit der Innovation eines Dreistufen-Gebläses und einem 75 PS-Motor herauskam, war das ein atemberaubendes Gefährt“, erinnert sich der Besitzer, „und als später der Golf GTI mit noch mehr PS und dem Schriftzug in „Rot“ in Serie ging, mischte das alle Vorstellungen zu einem Mittelklassewagen auf.“

Automobile von „Volkswagen“ mit einer der längsten deutschen Autobauer-Tradition rollen noch heute – mal rasant mal gemütlich über die Straßen: „Die Farbe für meinen selbst restaurierten Bus geht auf den bayerischen Wörthsee zurück,“ so der Bulli-Fahrer. Als ich den ein wenig versteckt liegenden, geheimnisvollen See sah, war klar: dieses Seegrün ist die Farbe für meinen Bus.“

Nach der frischen Frühlingsausfahrt kommt der Wunsch nach weiteren Oldtimer-Corsos auf: „Neben dem Wörthsee würde mir auch eine Reise zum Ammersee, zum Tegernsee oder Königssee gefallen“, so die Golf 1-Beifahrerin, deren Karmann Ghia nun mit aufgeladener Batterie und korrektem Reifendruck startklar für die Saison ist.

Tipps für Oldtimerfans:

  • Ausfahrt zum Schloss Blumental mit weiteren Informationen unter: www.Klassiker-meets-Klassik.de
  • Tipps zum sozialen Projekt unter: www.oba-muenchen.
  • Tipps für VW-Bus-Fans unter: www.bullime.de.

Quellen: Vor-Ort-Recherche, Blitzinterviews mit Fahrern und Mitfahrern, Führung durch die BMW-Welt.

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