Notlügen: Darf man Demenzkranke anlügen? (Teil 1)

Menschen mit Demenz befinden sich oft in einer anderen Realität als ihr Umfeld. Dies führt dann zu Schwierigkeiten, wenn der Demenzkranke ein Bedürfnis oder Problem hat, das in der Realität nicht zu lösen ist, z. B. die 80-jährige Frau will unbedingt nach Hause zur Mutter oder behauptet, im Schlafzimmer wären Blutflecken an der Wand. Darf man dann zur Notlüge greifen?

Betreuer von Demenzkranken haben die Wahl zwischen 2 fragwürdigen Lösungen
Die Menschen in der Umgebung stehen in dieser Situation vor einem echten Dilemma: Das Problem oder der Wunsch existiert nicht in Wirklichkeit, sondern ausschließlich in der Phantasie des Betroffenen. Es kann daher auch nicht real gelöst werden. Der Versuch den Demenzkranken von der Unwahrheit seiner Behauptung zu überzeugen endet fast immer darin, dass die ohnehin schon problematische Situation noch schlimmer wird.

Die andere Möglichkeit ist, so zu tun, als befänden Sie sich in der Realität des Demenzkranken. Dies wäre der Fall, wenn Sie beispielsweise behaupten würden, die Mutter käme später oder die Blutflecke mit einem Lappen wegwischen würden.

Durch Mitspielen wird der Demenzkranke angelogen
Dieses "Mitmachen, Mitspielen“ ist gleichzeitig immer mit einer Lüge verbunden. Sie wissen, dass die Mutter verstorben ist oder dass die Blutflecken nicht existieren. Trotzdem ist der Gebrauch einer solchen Notlüge oft verblüffend wirkungsvoll. 

Möglicherweise kommt Ihnen folgendes Beispiel bekannt vor: Frau Pachel ruft den ganzen Nachmittag laut nach ihrem Ehemann. Die Pflegerin Frau Nord versucht sie zu beruhigen, zeigt Verständnis dafür, dass Fr. Pachel ihren Mann vermisst, und versucht, ihre Bewohnerin durch einen gemeinsamen Spaziergang abzulenken. Doch nichts hilft.

Fr. Pachel lässt sich nicht beruhigen und ruft weiterhin nach ihrem Mann. Frau Nord entscheidet die Bedarfsmedikation gegen Unruhe zu holen. In diesem Moment sagt eine ehrenamtliche Besucherin: Aber Frau Pachel , ihr Mann ist doch noch bei der Arbeit. Der kommt erst heute Abend heim“. Frau Pachel strahlt und beruhigt sich schnell.

Die einfachste Lösung ist nicht immer die beste
Lügen Sie den Demenzkranken nicht bedenkenlos an, sondern überlegen Sie genau, ob die schnellste Lösung auch die beste ist. Manchmal verselbständigt sich diese Technik und die an Alzheimer Demenz erkrankte Person erkennt intuitiv, dass Sie nicht ehrlich sind.