Neuartige Behandlungsmethoden – darauf müssen Sie achten

Der Arzt genießt grundsätzlich Therapiefreiheit, d. h. er kann zwischen mehreren gleich geeigneten Therapiemöglichkeiten wählen. Will Ihr Arzt jedoch eine neue Behandlungsmethode anwenden, unterliegt er gesteigerten Aufklärungspflichten gegenüber dem Patienten. Lesen Sie hier, worauf Sie bei neuartigen Behandlungsmethoden besonders achten sollten.

Seien Sie vorsichtig bei neuartigen Behandlungsmethoden

Anfang der 1990er-Jahre kam erstmals der sogenannte „Robodoc“ bei Operationen zum Einsatz. Es geht dabei um eine computerunterstützte Operationsmethode. Im Urteil vom 13.06.2006 hatte sich der BGH mit dieser Art von Operationen befassen müssen, weil es bei einer Patientin, die eine Hüftgelenksendprothese implantiert bekam, zu einer Nervschädigung gekommen war (Az: VI ZR 323/04).

Der Sachverständige hatte im Berufungsverfahren ausgeführt, es gebe bei dieser damals noch neuen Operationsmethode eine höhere Komplikationsrate hinsichtlich von Nervschädigungen im Vergleich zur manuellen Implantation. Der Bundesgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass bei einer neuartigen Operationsmethode besondere Aufklärungspflichten für Ärzte bestehen. 

Bestehen Sie auf einer umfassenden Risikoaufklärung

Im Allgemeinen gilt der Grundsatz, dass der Arzt den Patienten über die Therapie und die Risiken „im Großen und Ganzen“ aufklären muss. Wenn Sie als Patient keine konkreten Fragen stellen, muss der Arzt von sich aus nicht über völlig außergewöhnliche oder gar noch unbekannte Risiken aufklären. Aus diesem Grunde rate ich Patienten immer dazu, sich selbst umfassend vor einer Operation über mögliche Komplikationen zu informieren und dem Arzt gegebenenfalls konkrete Fragen zu stellen.

Ist eine Operationsmethode jedoch neuartig, so muss der Arzt den Patienten auch darauf hinweisen, dass es noch nicht bekannte Komplikationen geben könnte. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Patient nur dann rechtswirksam in eine Operation einwilligen kann, wenn er eine auf der Basis ausreichender Informationen autonome Entscheidung treffen kann. 

In diesem Fall ist eine mangelhafte Aufklärung unbeachtlich

Viele Patienten wissen nicht, dass sie nicht automatisch Schadensersatzansprüche haben, wenn dem Arzt ein Aufklärungsfehler unterlaufen ist. Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Robodoc-Entscheidung aus dem Jahr 2006 klargestellt, dass sonstige Aufklärungsmängel dann keine Rolle spielen, wenn sich letztlich nur ein Risiko verwirklicht hat, über das tatsächlich aufgeklärt wurde.

Im Robodoc-Fall war die Patientin über das prinzipielle Risiko einer Nervschädigung bei der Implantation aufgeklärt worden. Der BGH hat vor diesem Hintergrund die darüber hinaus fehlerhafte Aufklärung über die Risiken der Neulandmethode nicht mehr für relevant erachtet, weil sich diese Risiken eben nicht verwirklicht hatten. 

Darauf muss Sie der Arzt besonders hinweisen

Will Ihr Arzt Sie mit einer Neulandmethode behandeln, so muss er Ihnen selbstverständlich erklären, dass es sich um eine noch neue Methode handelt und dass auch konventionelle Alternativen zur Verfügung stehen. Sodann muss Ihnen als Patient klargemacht werden, welche Vor- und Nachteile die neue Methode gegenüber klassischen Behandlungsmethoden hat.

Wie bereits ausgeführt, muss Ihnen der Arzt auch mitteilen, dass es zu noch unbekannten Komplikationen kommen kann. Einen solchen Hinweis muss ein Arzt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bei einer Standardmethode hingegen nicht erteilen. 

Mein anwaltlicher Rat: Unterschreiben Sie keinen „Blankoscheck“

Inzwischen gehen Ärzte vermehrt dazu über, ihre möglichen Haftungsrisiken dadurch zu minimieren, dass Sie von Patienten vor einer Behandlung oder Operation gleichsam die Unterzeichnung eines Regressverzichts verlangen. Mein Rat: Seien Sie besonders vorsichtig, bevor Sie solche oder ähnliche Erklärungen unterschreiben. Geben Sie Ihrem Arzt oder Operateur keinen „Blankoscheck“.

Einer meiner Mandanten hat das Problem clever gelöst. Sein Arzt hatte ihm vor der Operation eine vorformulierte Erklärung zur Unterschrift vorgelegt: „Ich erkläre hiermit, dass ich nach Abhilfeschaffung für vorausgegangene oder nachfolgende Beschwerden keinerlei finanzielle oder rechtliche Ansprüche an den Behandler stellen werde.“ Mein Mandant hat zwar unterschrieben, fügte jedoch per Schreibmaschine hinzu: „Arzthaftungsrechtliche Ansprüche bleiben unberührt“. Der Arzt hatte diesen Zusatz nicht beanstandet. 

Stand: 13.01.2013

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