Nachhilfe im Elternhaus: Einstieg zur Selbsthilfe

Nachhilfe leicht gemacht. Das klingt gut, oder? Natürlich ist es nicht leicht, den Kindern bei der Lösung der Aufgaben zu helfen, die bisher nur zu schlechten Noten geführt haben. In der Regel sucht man professionelle Hilfe, aber übersieht dabei, dass einfache Hilfestellungen schon mehr bewirken können, als die komplette Nacharbeit des Schulstoffs. Genau darum geht es in dieser Artikelserie.

Der Schrei nach Nachhilfe
Du lieber Gott, schon wieder eine fünf in Mathe! Was soll ich nur machen? Nachhilfeunterricht ist teuer und hat letztes Jahr auch nicht geholfen. Was mache ich nur mit dem Jungen?"

Kennen Sie das? Dann sollten Sie nicht verzweifeln, sondern sich ein paar Dinge überlegen, die vielleicht weiterhelfen.

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In der Regel ist eine schlechte Note ein Zeichen dafür, dass etwas im Umfeld des Kindes nicht stimmt. Selten liegt es am Intellekt oder dem eigentlichen Willen des Kindes. "Wollen" will doch jedes "normal" entwickelte Kind. Nur was will es? Ist es in der Lage, sein Wollen umzusetzen?

Sie sehen, schon sind wir mitten in der Frage- oder besser Problemstellung und müssen uns überlegen, wie wir vorgehen, um dem Kind eine richtige und sinnvolle Zielsetzung zu geben. Wir müssen erkennen, prüfen, vorschlagen und motivieren.

Und vor allem, wenn wir mit dem Kind über die Sache reden, müssen wir uns dazu anhalten, das Kind reden zu lassen. Wir müssen uns Zeit nehmen und HINHÖREN.

Ein Problem, oder vielleicht sogar das eigentliche Problem ist, dass wir nicht in der Lage sind, direkt zu helfen da uns die Grundlagen oder notwendigen Informationen zum Lernthema fehlen. Vielleicht deshalb, weil wir zu lange aus der Schule sind, vielleicht, weil wir dieses Thema nie gelernt haben (oder vielleicht doch, aber vergessen) und, es widerstrebt uns selbst, dass wir uns mit diesem Thema auseinander setzen. Also mit anderen Worten, wir wollen nicht!

Nachhilfe durch die Eltern – Lust oder Frust?
Damit hätten wir eine Grundvoraussetzung nicht erfüllt, nämlich kompetent zu sein. Nicht kompetent dahingehend, dass wir dem Kind nicht mehr als Vorbild dienen können, ihm nicht mehr als Vorbild geeignet erscheinen.

"Du hast doch selbst keine Ahnung, schreib du doch die Mathearbeit!" "Warum soll ich das können, du kannst das doch auch nicht!" Solche und ähnliche Sätze sind die Folge und die nächste Mathearbeit ist schon versiebt, bevor sie geschrieben wurde. Der Teufelskreis oder besser, die Spirale des Misserfolgs, dreht sich weiter.

Weitere Probleme ergeben sich aus dem Umfeld des Kindes. Mitschüler, Schulsituation, Verein sowie Freund/Freundin bringen Einflüsse in das Lernverhalten und beeinflussen die Lernbereitschaft.

Die nächste Schwierigkeit ergibt sich aus den Lernanforderungen selbst. Immer mehr Wissen wird den Kindern "eingetrichtert" – bei gleichbleibender Schulzeit wie vor 100 Jahren, oder sogar kürzerer Schulzeit (Stichwort G8). Dazu kommen informelle Wissenserweiterungen, die aber nicht als Schulwissen erlernt werden, sondern informativ aus den Medien übernommen, ja von diesen suggeriert werden. Eine riesige Reizüberflutung wirkt auf die Kinder ein, aber keiner hilft ihnen, diese Informationen zu sortieren und/oder zu werten.  

Oft decken sich diese "das Leben einfach machenden" Informationen der Medien nicht mit den Informationen der Schule, da der Zusammenhang nicht vermittelt wird, bzw. die virtuelle Welt nicht von der realen unterschieden wird. Die reale Welt der Schule wird als Ballast gesehen, der Lehrer als Störenfried.  

Nachhilfe ohne Schulbuch
Auf das Thema Mathematik bezogen: "Für was brauche ich Zinsrechnen? Der auf der Bank (im Fernsehen) sagt doch, dass seine Zinsen ‚die Besten‘ sind. Und Gedanken muss ich mir auch keine machen, die öffnen sogar Horizonte!"

Und genau hier ist Ihr Einsatz. Nicht einfach nur die Regeln der Zinsrechnung erklären, sondern vor allem erklären, was Zinsen sind. Was mit dem Geld auf der Bank geschieht (oder auch nicht). Gehen Sie auf aktuelle Themen ein, die im Zusammenhang mit Zinsen, Geld und Banken, Lebensunterhalt, Kauf von wertvolleren Gütern, Leasing, Handygebühren usw. stehen.

Erklären Sie Ihrem Kind die Welt – und dann die Zinsformel.

Und lassen Sie das Kind Fragen stellen. Lassen Sie das Kind selbst erarbeiten, was es bedeutet, mit 20 € Taschengeld monatlich ein Fahrrad zu kaufen, dass 200 € kostet. Erklären Sie ihm Sinn, Nutzen und Gefahren von Krediten. Lassen Sie Ihr Kind aus einer Situation heraus überlegen und rechnen dann mit ihm nach Formelvorschrift. Ohne den Bezug zum Geld zu haben, ist es für alle Kinder schwer einen Bezug zu den Zinsen zu bekommen.

Stellen Sie sich vor, Sie sollen etwas essen, von dem Sie keine Ahnung haben, wie es schmeckt und wie es zubereitet wird. Was geht dann in Ihnen vor? Hilft es Ihnen weiter, wenn man Ihnen erklärt, dass man zum Kochen unter anderem 100 Gramm Mehl benötigt?

Bis zum nächsten Mal, Reinhard Leinweber