Morphinum – Konstitutionsmittel für Träumer von einer heilen Welt

Bei Morphinum handelt es sich um die homöopathische Aufbereitung von Morphin, den am stärksten schmerzstillenden Bestandteil des Opiums. Diese Droge, in der Schulmedizin seit 200 Jahren zur Behandlung von starken Schmerzen und zur Betäubung verwendet, hat in uns seine Spuren hinterlassen und nicht wenige von uns geprägt. Daher wird Morphinum häufiger als erwartet als Konstitutionsmittel benötigt.

Morphinum als Konstitutionsmittel

Dank meiner Kollegin Christiane Petras habe ich die aus Morphium hergestellte Nosode Morphinum entdeckt, die ich sehr häufig zum Ausleiten von Schmerzmittel-Toxinen, aber auch als Konstitutionsmittel meinen Patienten verordne. Als Letzteres füllt es eine Lücke, die ich zuvor nicht zu schließen vermochte: Es hilft Menschen, die glauben, ihre Makel verbergen zu müssen, um von ihren Mitmenschen die für sie lebensnotwendige Wertschätzung zu erhalten und ihre innere Balance zu finden.

Nach meiner Erfahrung zählt Morphinum zu den sehr tief wirkenden Konstitutionsmitteln und Erbnosoden, da es selbst vererbte, durch Morphin-Toxine hervorgerufene Beschwerden zu kurieren vermag, wie ich nun näher beschreiben werde.

Ursprung der Ursubstanz Morphin

Bei Morphin, der Ursubstanz von Morphinum, handelt es sich um ein Produkt des aus dem östlichen Mittelmeerraum stammenden Schlaf- oder Blaumohns (Papaver somniferum= Schlaf bringender Mohn). Die botanische Bezeichnung, ebenso wie der Name Schlafmohn, weisen auf die Verwendung als Schlafmittel für Kinder im antiken Griechenland hin.

Der Name Morphin geht auf den deutschen Apotheker F. Sertümer zurück, der zum ersten Mal 1804 in Paderborn diese Droge aus Opium, dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns, isolierte. Er nannte sie Morphium, nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume, woraus sich später der Name Morphin entwickelte. Aus Morphin wiederum entstand Morphinum, die Bezeichnung für die hieraus hergestellte homöopathische Nosode.

Wirkung von Morphin

Das am stärksten schmerzstillende Opiumalkaloid Morphin wirkt so auf die Großhirnrinde, dass es das Schmerzempfinden aufhebt und eignet sich daher zur Behandlung selbst stärkster Schmerzen und zur Betäubung bei chirurgischen Eingriffen. Im Gegensatz zu Opium löst es aber auch erregende Effekte auf das ZNS (Zentralnervensystem) aus, was sich vor allem in einer Tonussteigerung (Tonus = Spannung) der glatten Muskulatur und Spasmen der Schließmuskel äußert.

Die Kehrseite der starken Wirksamkeit von Morphin besteht darin, dass es schon in therapeutischen Dosen eine Reihe von unerwünschten Arzneiwirkungen hervorrufen kann. Seine Wirkungen insgesamt finden wir detailliert als Symptome aufgelistet, die das aus ihm hergestellte, homöopathische Morphinum hervorrufen, aber auch heilen kann.

Wirkungskreis von Morphinum

Die konträre Wirkungsweise von Morphin, das einerseits die Schmerzempfindung aufzuheben und zu betäuben und andererseits Nerven zu erregen und eine extreme Schmerzempfindlichkeit auszulösen vermag, spiegelt sich auch im Arzneimittelbild, der oben erwähnten Symptom-Auflistung, von Morphinum wider:

  • Physische und psychische Abhängigkeit, Substanzmissbrauch oder aus Angst vor Abhängigkeit Abstinenz, Streben nach Unabhängigkeit, Vermeiden von Abhängigkeiten generell
  • Mal Euphorie, mal Depression oder Verzweiflung und Angst, extreme emotionale und Schmerzempfindlichkeit
  • Ungewöhnliche Gelassenheit, Seelenruhe und Verlangen nach Ruhe oder Eile, Hast, Ruhelosigkeit, Nervosität, leichte Erschreckbarkeit, Erregung, Atemstillstand, Gefühl, bei Schreck oder Aufregung, keine Luft mehr zu bekommen, Hysterie, Wut und Zorn
  • Gleichgültigkeit, Apathie, stumpfe oder scharfe Sinne, verlorene oder vermehrte Reflexe, Lebhaftigkeit und Spontanität
  • Bewusstseins-, Wahrnehmungsstörungen wie Verwirrungen, Verwechslungen, Erinnerungslücken Blackout, Gedächtnisschwäche, macht Fehler beim Sprechen und Schreiben, findet die passenden Worte beim Sprechen nicht, hat Kontrolle über Gedanken verloren, weiß nicht, was sie sagt, weint, ohne es zu wollen und einen Grund hierfür zu verspüren, aber auch Gedankenandrang, verlangt geistige Anstrengung, Reichtum an Ideen, Einfälle, Klarheit des Geistes, Durchblick und schnell im Denken
  • Mangel an Moral und Lügen, um niemanden (inklusive sich selbst) zu belasten, abwechselnd mit von Skrupeln Überfallenwerden, schlechtem Gewissen und Sehnsucht nach Ehrlichkeit
  • Verlangen zu diskutieren, herausfordernd, Besserwisserei, eigensinnig und starrköpfig oder Verlust an Willenskraft
  • Angenehme, phantastische Träume oder schreckliche Albträume
  • Harnverhaltung oder häufiger Harndrang, Verstopfung oder akuter Durchfall.

(Siehe auch Sat Purkh Kaur van Gestel: Homöopathisches Linksystem Sat, im Internet, und Karl-Josef Müller: Wissmut.)

Gemütssymptome von Morphinum Verlust der Unversehrtheit

Das zentrale Gefühl, das einen Menschen bewegt, der Morphinum als Konstitutionsmittel benötigt, hört sich in etwa wie die in der Bibel geschilderte Vertreibung aus dem Paradies an. So beschrieb eine Morphinum-Person, dass es ihr als Kind solange gut ging, bis sie gewaltsam, durch eine sie strafende Tracht Prügel, ihrer Unversehrtheit beraubt und aus ihrer heilen Welt gerissen wurde, die ihr auf einmal wie ein schöner, vergangener Traum vorkam.

Konfrontiert mit den Schattenseiten des Lebens empfindet sie, bedingt durch ihre Überempfindlichkeit, nicht selten einen so gewaltigen Schmerz, dass sie ihn oft nur dadurch ertragen kann, dass sie sich in ihrer Vorstellung wieder in eine heile Welt begibt.

Minderwertigkeitsgefühl

Ausgelöst durch einen frühkindlichen Schock, z. B. durch Geburtsumstände, vorzeitige Trennung von der Mutter oder eine demütigende Erfahrung, hervorgerufen durch Bezugspersonen, meint ein Morphinum-Kind, mit so großen Makeln behaftet zu sein, dass es sie verbergen müsse, damit seine Mitmenschen nicht entsetzt reagieren, sich von ihm abwenden und es verlassen oder ausstoßen.

Ausgestattet mit einem Urvertrauen in seine Bezugspersonen, fühlt es sich selbst für das, was ihm an Leid widerfahren ist, verantwortlich. Es glaubt, es müsse selbst dafür sorgen und alles ihm Mögliche tun, um die Beachtung und Zuwendung zu bekommen, die es benötigt, um überleben zu können.

Verstellung

So gerät es unter enormen Leistungsdruck, in den Augen seiner Bezugspersonen tadellos zu erscheinen, bloß keinen Angriffspunkt zu bieten und nicht zu riskieren, fallen gelassen zu werden. In solchen Situationen bedient es sich aller ihm zur Verfügung stehender Mittel:

Dank seines Einfallreichtums und enormen Einfühlungsvermögens bietet es sich für es an, Erwartungen durch Rollenspielen zu erfüllen, um hierdurch das Zurückziehen in seine Traumwelt und seine eigenen Interessen mit denen seiner Mitmenschen unter einen Hut bringen zu können. Im Eifer des Gefechts kommt ihm dieses Mittel gerade recht, doch anschließend plagt es sein Gewissen.

Denn in ihm steckt noch immer das verletzte, kleine Kind, das nichts mehr auf der Welt begehrt, als von den Menschen, die es schätzt, so geliebt zu werden, wie es ist, und seine Unversehrtheit wiederzuerlangen. Bei Menschen, denen es sich ausgeliefert fühlt und vor denen es meint, sich schützen zu müssen, suchen es weniger moralische Bedenken heim.

Diesen Personen gegenüber empfindet es eher Stolz, sie durchschauen und manipulieren zu können, zerbricht sich aber im Nachhinein regelrecht den Kopf darüber, eventuell einen Fehler begangen und sich verraten zu haben – getrieben von der erwähnten, panischen Furcht vor einer erneuten Demütigung.

Verbergen des wahren Gesichtes

Eine Morphinum-Frau, die sich in ihrem Elternhaus dem auf sie ausgeübten, massiven Druck hatte entziehen wollen, beschrieb ihr Dilemma so: „Ich habe mich nach außen so verhalten, wie es von mir erwartet wurde und dabei gedacht, wenn die wüssten, wie ich wirklich bin, würde keiner mehr mit mir zu tun haben wollen. Ich habe mich immer so gefühlt, als ob ich eine Faust im Nacken hätte und keinen Fehler machen dürfte.

Wenn ich in der Schule versagt und von meinen Eltern Hilfe gebraucht hätte, hätte ich nur Spott geerntet. Das hätte ich nicht ertragen können. Deshalb habe ich immer versucht, jede Schwäche zu verbergen und mich besser zu geben, als ich in Wirklichkeit war. Als ich später meinen Mann kennen lernte, hatte ich große Angst, ihn zu verlieren, wenn ich ihm mein wahres Gesicht zeige. Ich brauchte eine Weile, bis ich ihm genug vertraute und musste mich sehr überwinden, um mich ihm gegenüber öffnen zu können. Es kam mir so vor, als hätte ich immer wieder versuchen müssen, einen Klimmzug zu schaffen.“

Traumatisierung

Andere Morphinum-Personen hatten sich ebenfalls als kleines Kind elterlichen Übergriffen schutzlos ausgeliefert gefühlt und diese ursprüngliche Erfahrung noch nicht ganz bewältigt. Wenn sie sich von anderen angegriffen und empfindlich getroffen fühlten, verspürten sie wieder – in abgeschwächter Form – die nicht überwundene Verletzung.

Das alte Trauma suchte sie in ihrem Alltag immer wieder von neuem heim. Sie bemühten sich sehr, es endlich zu verarbeiten, weil sie nicht – wie eine Frau meinte – immer so überempfindlich bleiben und wie ein waidwundes Tier durchs Leben gehen wollten. „Ich will nicht ständig wegen einer Kleinigkeit aus meiner Bahn geworfen werden oder meine Fassung verlieren, sondern gelassener und souveräner werden“, sagte sie. Dabei machte sie einen selbstsicheren und überlegenen Eindruck, und zwar solange, wie ihr wunder Punkt nicht berührt wurde.

Helfersyndrom

Auf Grund ihrer Überempfindlichkeit spüren sie genau, was andere brauchen und verstehen es hervorragend, auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen einzugehen. Einige Morphinum-Personen entwickeln ein Helfersyndrom: Sie glauben, sich selbst nicht wirklich helfen zu können, und helfen stattdessen anderen.

So bauen sie teils ihr Selbstwertgefühl auf, teils meinen sie hierdurch ein Stückweit eine ideale Welt zu erschaffen, in der sie vielleicht, zu guter Letzt, doch noch ihr Seelenheil finden können. Dabei erwarten sie, dass die Person, die sie mit großem Engagement unterstützen, sich weiter entwickelt und sich ihnen gegenüber revanchiert und sind maßlos enttäuscht, wenn diese nicht ihre Erwartungen erfüllt.

Eine Morphinum-Frau beschrieb diese Empfindung als Gefühl, ausgenutzt oder gar missbraucht worden zu sein, worüber sie sich – hier kommt das ursprüngliche, nicht verarbeitete Trauma wieder hoch – gewaltig aufregen könne.

Analytischer Verstand

Alle Morphinum-Persönlichkeiten, die ich kennen gelernt habe, verfolgten Themen, die sie interessierten, mit solch einer Leidenschaft und Hingabe, dass ihnen – wie eine von ihnen es ausdrückte – niemand etwas vormachen könnte.

Einerseits sehnten sie sich nach Selbstverwirklichung und Erfolg, was sie kaum für realisierbar hielten, und zogen sich in ihre Traumwelt zurück, in der sie ihre Ziele schon erreicht hatten, andererseits überraschten sie durch die klare Analyse in Punkten, in denen andere Menschen gern verdrängen oder sich selbst täuschen.

Eine Morphinum-Frau erklärte mir: „Wenn ich mir etwas vormache, fühle ich mich kurze Zeit richtig toll. Aber auf einmal kommt mir eine ernüchternde Erkenntnis in den Sinn. Das ist für mich solch ein Wechsel wie die Entladung bei einem Gewitter.“

Fazit

Nach der Einnahme von Morphinum schwand bei diesen Personen ihre Überempfindlichkeit, das Wechselbad der Gefühle und das Bedürfnis, ihr wahres Gesicht verbergen und sich in ihre Traumwelt zurückziehen zu wollen. Sie empfanden sich als leistungsfähiger und weniger ohnmächtig, die Realität erträglicher und begannen, ihre bislang in ihre Traumwelt umgeleitete Energie mehr in ihrem Alltag einzusetzen und an der Verwirklichung ihrer Ziele zu arbeiten.

Eine Morphinum-Frau bekundete: „So langsam bekomme ich den richtigen Dreh raus und schaffe das, was ich schon lange erreichen wollte. Ich habe aufgehört, mir selbst und anderen etwas vorzumachen. Anstatt zu träumen, arbeite ich ganz einfach daran, meine Ziele zu erreichen. Ich kann mir nichts Interessanteres und Spannenderes vorstellen.“

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