Modellrechnungen zu Zinsstrukturen und zur Zinsdynamik

Zinsen sind aus Sicht eines Investors der Ertrag für das Verleihen von Geld. Aus einer anderen Perspektive, die der Notenbank, sind Zinsen ein wichtiges geldpolitisches Steuerungselement. Die EZB unterhält zu diesem Zweck eine Forschungsabteilung, die mit komplizierten mathematischen Modellen die Zinsentwicklung analysiert.

Aber auch Ökonomen haben ein reges Interesse an der zukünftigen Zinsentwicklung und investieren viel Zeit in entsprechende Prognosemodelle. Warum wird um die Zinsen ein solcher Aufwand getrieben?

Die Bedeutung von Zinsänderungen für die Marktteilnehmer

Für den Staat, der ein Schuldner ist, sind die Zinszahlungen ein reiner Kostenfaktor. Die Bundesanleihen, über deren Ausgabe er sich Kapital beschafft, sind bei einem Rekordtief angelangt. Der Staat kann sich gegenwärtig, je nach Laufzeit der Bundesanleihen, fast zum Nulltarif finanzieren. Allerdings bedeuten Zinsänderungen von einem Prozent für den Bundesfinanzminister Änderungen in der jährlichen Etatplanung im zweistelligen Milliarden Bereich.

Für den Haushaltsentwurf der kommenden Jahre sind daher seriöse Zinsschätzungen von elementarer Bedeutung. Diese finden auch bereits statt; die entsprechenden Fachleute sind der Öffentlichkeit nur weniger bekannt als beispielsweise der Arbeitskreis "Steuerschätzungen".

Auch für private Bauherren ist die Entwicklung der variable
Hypothekenzins besonders wichtig, denn bei steigenden Zinsen muß der
Gürtel enger geschnallt werden.

An diesen Beispielen wird klar, warum die Entwicklung der Zinsen für
ganz unterschiedliche Marktteilnehmer von besonderer Bedeutung ist.
Daher beschäftigen sich Spezialisten mit Modellrechnungen um aus
verschiedenen Einflussfaktoren und deren Dynamik die zukünftige
Zinsenentwicklung mathematisch zu beschreiben.

Ausgewählte aktuelle Studien zu mathematischen Zinsmodellen

Am Frauenhofer Institut beschäftigt sich beispielsweise Prof. Dr Ralf Korn mit der Zinskupon Problematik von Venture Development Bonds.
Dabei geht es um die Entwicklung innovativer Finanzinstrumente für
Entwicklungsländer, um die gängige Praxis, Zinszahlungen auf Anleihen
von der Entwicklung des Bruttosozialproduktes der Schuldnerländer zu
entkoppeln.

Dem Bundesverband öffentlicher Banken ist sehr an Zinsprognosen
gelegen und er veröffentlicht monatlich einen diesbezüglichen Newsletter,
der hier zu finden ist: www.voeb.de/de/publikationen/newsletter/newsletter-zinsprognose.
Dabei wird jeweils mit Hilfe der technischen Analyse die Zinskurve
bewertet und es werden zwei Prognosen erstellt. Besonders interessant ist auch die
Validierung der vergangenen Prognosen mit den tatsächlichen
Zinsverläufen.

Dr. Ulrich Fielitz vom Finanzportal tagesgeldvergleich.com modelliert
mit zwei verschiedenen Ansätzen Tagesgeld-Zinsen. Die Verfahren und
Ergebnisse sind auf www.tagesgeldvergleich.com/tagesgeldzinsen/zinsprognosen-mathematische-modelle
beschrieben. Ein einfaches Regressionsmodell kommt neben einem
komplexeren Modell unter Verwendung von neuronalen Netzen zum Einsatz.
Ziel ist hier die Prognose über die zukünftige Entwicklung von
Tagesgeldzinsen einzelner Banken sowie dem Tagesgeld Index TAGIX®.

Die Bundesbank hat die Einflüsse der Zinsstrukturkurve in der
aktuellen Finanzkrise in einem Forschungsvorhaben analysiert. Die
Ergebnisse sind unter Bundesbank Zinsstrukturkurve
veröffentlicht. Die Bundessbank analysiert in dem Vorhaben neben den
wichtigen Faktoren Liquiditäts- und Ausfallrisiko auch verstärkt die
Inflationserwartungen und das Wirtschaftspotential, die krisenbedingt
eine größere Rolle als üblich spielen.

Die Forschungsergebnisse finden Anwendung in der Praxis

Den Kleinsparer interessieren diese Forschungen sicherlich nicht, da
die verwendete Mathematik komplexer Natur ist. Dafür interessieren ihn aber vermutlich die
Resultate der Analysen. Denn Forschungsergebnisse zur Modellierung von
Zinsen, mit dem Ziel einer realistischen Prognose, sind häufig wichtige
Entscheidungshilfen für Kreditinstitute, Politik und Notenbanken.

Den
EZB-Rats-Beschlüssen zu Senkungen oder Anhebungen des Leitzinses gehen
neben differenzierten Analysen zur Inflationserwartung, Entwicklung der
Arbeitslosigkeit, der EU- Wirtschaftsperspektive auch umfangreiche
Computeranalysen zur Zinsentwicklung voraus.