Modellbahn: E-Lok-Einsatz vorbildgerecht mit perfekten Pantografen

Engagierte Modelleisenbahner haben das Ziel, auch den Betrieb von Elektro-Lokomotiven auf der Anlage möglichst vorbildnah zu gestalten. Das jedoch erfordert Wissen darum, nach welchen Regeln und äußeren Einflüssen die Vorbildbahn per Pantograf überhaupt aus dem Fahrdraht der Oberleitung den Strom in die Triebfahrzeuge leitet. Mit diesem Wissen werden Sie garantiert viele Zeitgenossen verblüffen.

Elektrisches Wissen – Eisenbahn, Modellbahn und Pantografen

Als Pantograf (frühere Schreibweise „Pantograph“), wird ein Stromabnehmer bezeichnet, mit denen von den Dächern der elektrischen Triebfahrzeuge aus der Strom aus dem Fahrdraht abgenommen wird. In seltenen Fällen haben auch spezielle Waggons wie Speisewagen einen eigenen Pantografen, um die Stromversorgung auch unabhängig von der Lokomotive sicherzustellen.

Modellbahner, die sich die moderne Bahn als Vorbild genommen haben, kommen um den Einsatz von Modellen mit Elektrolok-Vorbild kaum herum. Doch E-Loks auf der Anlage vorbildnah zu fahren, hat – vom Vorhandensein einer Oberleitung mal ganz abgesehen – einen wichtigen Wissensaspekt, der oft übersehen wird: Die allermeisten Vorbildlokomotiven verfügen über zwei Stromabnehmer. Doch welcher Pantograf, im Modellbahner-Jargon meist nur „Panto“ genannt, muss denn je nach Betriebssituation an die Oberleitung angelegt bzw. aufgestellt werden?

Dass die korrekte Handhabung gar nicht so einfach ist, zeigen Blicke in die Modellbahn-Schauanlagen. Gar nicht so selten sind vorbildwidrig aufgestellte Stromabnehmer zu sehen, gelegentlich wird auch trotz des Vorhandenseins einer Oberleitung „oben ohne“ gefahren, um im Dauerbetrieb Probleme mit den Pantografen und der Oberleitung (erhöhte Reibung, Verschleiß von Fahrdraht und Schleifstücken) zu vermeiden.

Nicht wenige Modellbahner lassen das Thema Pantograf bewusst völlig außen vor und fahren Modelle nach dampfenden und dieselnden Vorbildern. Wenn Sie auch die im doppelten Sinne elektrische Traktion auf Ihrer Anlage einsetzen, finden Sie nachfolgend die wichtigsten Punkte, die Ihren vorbildgerechten E-Lok-Betrieb sicherstellt und auch kritische Blicke zufriedenstellt.

Hinweis: Modell-Pantografen teils ohne elektrische Funktion

Nicht jedes Modell, das mit Pantografen ausgestattet ist, ermöglicht auch deren Nutzung für die Stromzufuhr. Beispielsweise sind die Pantografen vieler „Hobby-Modelle“ (Märklin, PIKO)  zwar mit mechanisch funktionstüchtigen Pantografen ausgestattet, jedoch sind die Stromabnehmer nicht elektrisch funktionstüchtig und mit der Elektronik bzw. dem Motor verbunden.

Streckenlok mit zwei Stromabnehmern

Moderne Elektro-Streckenlokomotiven sind unabhängig von der Stromabnehmer-Konstruktion (Scherenstromabnehmern, Einholmstromabnehmer) in aller Regel mit zwei Pantografen ausgestattet. Üblicherweise wird der in Fahrtrichtung hinten liegende Panto aufgestellt, um bei einer eventuellen Beschädigung ein Herabfallen von Teilen auf den zweiten Stromabnehmer zu vermeiden.

Hochgeschwindigkeits-Lokomotiven

Bei E-Loks bzw. Triebzügen, die hohe Geschwindigkeiten fahren, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Der hintere Stromabnehmer befindet sich bei höheren Geschwindigkeiten in einer aerodynamisch homogeneren Situation mit weniger Luftverwirbelungen. Die Zuverlässigkeit der Stromabnahme ist dadurch höher, wie man überhaupt sagen kann, dass der in Fahrtrichtung hintere Pantograf unter normalen Betriebsbedingungen einen besseren Kontakt zum Fahrdraht hat.

Gefahrguttransporte und wertvolle Güter

Anders stellt sich die Situation bei Gefahrguttransporten dar. Insbesondere petrochemische Grundstoffe und Produkte werden häufig in Kesselwagen transportiert. Um die Gefahr des Funkenfluges auf möglicherweise leicht entzündliche Güter zu minimieren, wird der in dieser Situation in Fahrtrichtung erste Pantograf eingesetzt. Gleiches gilt auch, wenn besonders hochwertige Güter wie fabrikneue PKWs transportiert werden und man eine Beschädigung durch Funkenflug ausschließen möchte.

Schubbetrieb im Nahverkehr

Im Regional- und Nahverkehr sind häufig Züge zu sehen, bei denen eine E-Lok die Waggongarnitur schiebt. Typischerweise wird in dem Fall der in Fahrtrichtung letzte Stromabnehmer aufgestellt. Neben den genannten Aspekten hat das noch einen Vorteil: Die Dachaufbauten der Lok verschmutzen weniger schnell, da bei Regen das vom Panto aufgewirbelte Regenwasser sich erst „hinter“ der Lok abschlägt.

Modelle nach sehr alten Vorbildern

In der Anfangszeit der elektrisch betriebenen Bahnen besaßen die damaligen Scherenstromabnehmer nur ein Schleifstück (Schleifleiste), heute sind zwei pro Pantograf der Normalfall. Bei nur einem Schleifstück geht bei Unebenheiten der Kontakt zum Fahrdraht schnell verloren und es wird ein Lichtbogen erzeugt. Wenn es zwei Übertragungsmöglichkeiten gibt, fällt der Lichtbogen wegen des schwächeren Stromflusses (Parallelschaltung der Pantografen) bei gleichbleibendem Luftwiderstand kleiner aus. Daher sieht man auf alten Fotos häufig, dass bei alten E-Loks immer beide Stromabnehmer gehoben sind.

Extrem schlechtes Wetter

Extremes Winterwetter kann die Stromaufnahme aus der Oberleitung stören. Wenn durch schlechte Witterung sich der Kontakt zwischen Schleifplatte(n) und Fahrdraht verschlechtert, werden beide Pantografen aufgestellt. Damit ist der elektrische Kontakt zuverlässiger und es werden die im Winter häufiger zu beobachtenden Funken reduziert.

Doppeltraktionen

Bei Doppeltraktion (zwei Loks ziehen einen Zug) werden regulär der jeweils vorderste und hinterste Stromabnehmer des Lokgespanns gehoben. Der Sinn der Maßnahme ist es, Fahrdrahtschwingungen zu reduzieren. Denn Fahrdrahtschwingungen können dazu führen, dass der Stromabnehmer am Fahrdraht „springt“, er sich also unter Lichtbogenbildung vom Fahrdraht ablöst.

Gerade bei Doppeltraktionen gibt es aber eine Vielzahl von Abweichungen bzw. offensichtlich keine verbindlichen Vorgaben. Im Bildarchiv der Redaktion befindet sich eine große Anzahl von Bildern mit Doppeltraktionen, in denen alle „Panto-Kombinationen“ vorkommen.

Abgestellte E-Loks

Im Rangierbahnhof oder vor einem Betriebswerk abgestellte E-Loks werden mit gesenkten Pantos „geparkt“. Aber auch hier gibt es eine Ausnahme. Um Eisbelag und Vereisungen möglichst gering zu halten, werden die Fahrzeuge im Winter in der Regel mit beiden gehobenen Stromabnehmern abgestellt.

Elektrische Straßenbahnen

Ein Hingucker auf jeder Modellbahnanlage sind elektrische Straßenbahnen. Bei Straßenbahnen, bei denen durch die relativ geringen Geschwindigkeiten die aerodynamischen Effekte nicht so ins Gewicht fallen, wird überwiegend der vordere Stromabnehmer benutzt. Bei vereisten Fahrdrähten werden oftmals alle Stromabnehmer gehoben.

Abschließende Betrachtung

In diesem Beitrag haben wir für Sie typische Situationen zusammengetragen, die Ihnen den vorbildnahen Einsatz der Stromabnehmer auf Ihrer Anlage erleichtern. Aber: Wer sich die Vorbildbahn genauer anschaut, wird immer mal wieder Abweichungen vom betriebstypischen Normalfall feststellen, beispielsweise, weil eine Mehrsystem-E-Loks mit drei Pantografen ausgestattet ist oder eine Betriebsstörung ein Abweichen von der üblichen Verfahrensweise erforderlich macht. Also: Auch wenn Sie nun zu den „Pantografen-Insidern“ gehören, gehen Sie mit Ihren Mitmenschen nicht zu hart ins Gericht.

Tipp: Wenn Sie Fachsprache und Jargon rund um die Modelleisenbahn noch vor das eine oder andere Rätsel stellt, finden Sie Hilfe beim kostenlosen, deutschsprachigen Online-Lexikon der Modelleisenbahn.

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