Minutenpflege – Laie und Profi im Vergleich

Minutenpflege ist das Ergebnis einer auf dem Boden der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst refinanzierten Pflege. Im Vergleich zur häuslichen Pflege durch Laien steht auch die Pflege durch professionelle Pflegekräfte im stationären Bereich unter dem Zeichen einer unzureichenden Refinanzierung. Was ist im Bereich der Minutenpflege möglich?

Minutenpflege: Laienpflege und professionelle Pflege im Vergleich
Bei der Begutachtung der Bewohner durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) zur Festlegung der Pflegestufe werden bestimmte reale Pflege-Minutenwerte anerkannt. Der MDK bestätigt, dass ein bestimmter Aufwand zur Pflege des jeweiligen Bewohners notwendig ist.

Pflegestufe

Minuten pro Tag gesamt

Davon Minuten Grundpflege pro Tag

Stufe 1

90 – 179

45 – 119

Stufe 2

180 – 299

120 – 239

Stufe 3

300 – …..

240 – …..

Is(s)t der Profi schneller?
Diese täglichen Minuten sind auf drei Schichten zu verteilen. Darüber hinaus sind neben der Grundpflege Zeiten für soziale Betreuung, Qualitätssicherung, Dokumentation und medizinische Behandlungspflege abzudecken. Während also der Laie bei der Pflege in der häuslichen Umgebung für den Pflegebedürftigen der Stufe 2 pro Tag im Mittel 180 Minuten nur für die reine Grundpflege zur Verfügung hat, bleibt der Pflegekraft im Altenheim maximal 101 Minuten, in der sie zudem ihre Arbeit planen, dokumentieren und überprüfen muss.

In der häuslichen Umgebung konzentrieren sich alle Tätigkeiten auf eine einzige Person. Anders im stationären Bereich: Eine Pflegekraft kann nicht gleichzeitig bei mehreren Bewohnern sein, was neben Unfällen, Fehlern auch Unzufriedenheit bei den Bewohnern und Angehörigen vorprogrammiert.

Es wird davon ausgegangen, dass ein pflegerischer Laie in normaler, häuslicher Umgebung so viel Pflegezeit benötigt. Der MDK geht bei Pflegekräften im stationären Bereich von anderen Zeiten aus. Um die Zeit zu berechnen, kann die Entgeltvereinbarung, die der Träger mit den Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger geschlossen hat, weiterhelfen. Hierin werden sogenannte Pflegeschlüssel vereinbart. Zum Beispiel:

Pflegestufe

Pflegeschlüssel

Erläuterung

0

1 zu 12, 46

Auf einen Mitarbeiter kommen 12,46 Bewohner

1

1 zu 3,73

Auf einen Mitarbeiter kommen 3,73 Bewohner

2

1 zu 2,48

Auf einen Mitarbeiter kommen 2,48 Bewohner

3

1 zu 1, 86

Auf einen Mitarbeiter kommen 1,86 Bewohner

Hieraus kann man jetzt die von den Kostenträgern refinanzierten Zeiten berechnen.
In einem ersten Schritt rechnen wir den Pflegeschlüssel in Vollkraftanteile um:

Pflegestufe

Pflegeschlüssel

Vollkraftanteile

0

1 dividiert durch 12, 46

0,08

1

1 dividiert durch   3,73

0,27

2

1 dividiert durch   2,48

0,40

3

1 dividiert durch   1,86

0,54

Minutenpflege: Wie viel Minuten pro Tag?
Eine Pflegevollkraft arbeitet ca. 1900 Stunden im Jahr. Nach Abzug von Urlaub, Krankheit, Fortbildungen, etc. bleibt eine Nettozeit von ca. 1540 Stunden.

Pflegestufe

Vollkraftanteile x Nettostunden

Stunden pro Jahr

0

0,08 x 1540

123

1

0,27 x 1540

416

2

0,40 x 1540

616

3

0,54 x 1540

832

Aus diesen Werten können nun durch die Division mit 365 Tagen die täglichen Werte berechnet werden, die einer Bewohnerin an Pflegezeit zukommen.

Pflegestufe

Minuten nach PflRi ohne Hauswirtschaft

Minuten pro Tag nach Pflegesätzen

0

0

20

1

45 – 119 (82,5)

68

2

120 – 239 (180)  

101

3

240 – bis unendlich (270)

137

Während sie gerade einen Verband anlegt oder eine Bewohnerin vom Toilettenstuhl in den Rollstuhl trägt, kann sie nicht den Sturz einer verwirrten alten Frau zwei Zimmer weiter verhindern. Wenn zum Mittagessen zwei Mitarbeiter der Pflege bei insgesamt sechs Bewohnerinnen Essen anreichen müssen, brauchen sie allein dafür mindestens jeder eine Stunde und können eigentlich nicht gleichzeitig das Telefon bedienen, Angehörigen ausführliche Auskünfte erteilen, Arztvisiten begleiten, nach mehreren Klingeln mit der Bitte um Hilfe beim Zubettgehen oder beim Toilettengang Hilfestellung geben.

Schaut man sich einmal genauer die einzelnen Minutenwerte an, die bei bestimmten Tätigkeiten vom MDK standardmäßig zugrunde gelegt sind, um eine Pflegestufe zu ermitteln, so fällt auf, dass auch eine professionelle Pflegkraft kaum in der Lage ist, diese Leistungen wesentlich schneller zu erbringen als der Laie!

Ein Beispiel: Bei einem schlaganfallbetroffenen alten Menschen werden zum Essen reichen 20 Minuten (Laie) zugrunde gelegt. Haben Sie eigentlich schon einmal nachgerechnet, wie lange Sie für das Mittagessen oder die Morgentoilette benötigen?

Die Zeiten werden nicht wesentlich kürzer sein als die Minutenwerte des MDK. Glauben Sie, dass eine Pflegekraft das Essen deutlich schneller anreichen kann? Oder besser gefragt: Sollte sie es schneller können? Was ist, wenn ihre Mutter das Essen verweigert und abnimmt?

Sie merken: Menschlichkeit in der Altenpflege ist und bleibt eine Frage der Zuwendung und die kostet Zeit. Viele Angehörige denken, dass für die Pflegekräfte im Heim die gleichen Zeiten zur Verfügung stehen, wie es über die Pflegestufe errechnet wird.

Fazit:

  1. Eine menschenwürdige Pflege im Alter ist sehr viel teurer als die betroffenen Menschen in der Lage sind zu finanzieren oder durch andere Mittel (z. B. aktive Mithilfe) auszugleichen. Sie ist zudem sehr viel teurer als gemeinhin angenommen wird.
  2. Wenn wir in Zukunft eine menschenwürdige Pflege im Alter für unsere Angehörigen und uns selbst wollen, müssen wir bereit sein, mehr dafür zurückzustellen. Hierfür müssen unsere verantwortlichen Politiker gesetzliche Rahmenbedingungen herstellen.
    Da aber die Forderungen nach mehr Eigeninitiative oder höhere Beiträge unpopulär sind, werden voraussichtlich nur noch wohlhabende Menschen durch private häusliche Pflege oder durch Zuzahlungen die Vorzüge einer menschenwürdigen Pflege genießen können.